Süddeutsche Zeitung

Arnold Schwarzenegger:Hyper, hyper!

Scheiterte er wirklich so umfassend, wie jetzt behauptet wird? Oder war Arnold Schwarzeneggers Amtszeit nicht vielmehr ein Sieg der Wirklichkeit über Medien, Mythen und Projektionen?

Jörg Scheller

Wenn die Moderne wirklich die Ära der Entzauberung ist, dann hat Arnold Schwarzenegger in den vergangenen sieben Jahren seine persönliche Moderne erlebt. Zum ersten Mal schien die Wirklichkeit stärker als er. Ein Staat ist eben doch kein Bizeps. Genau diesen Eindruck erweckte Schwarzenegger zum Beginn seiner Amtszeit. Es waren goldene Tage voller Hoffnung.

Damals schien es, als gebe es für ihn keinen Unterschied zwischen der Perfektionierung und Vermarktung seines Images und der Perfektionierung und Vermarktung Kaliforniens. Bei seiner Amtseinführung als Gouverneur 2004 im Kapitol von Sacramento tönte er großspurig: "I am a salesman by nature. If I can sell tickets to my movies like ,Red Sonia' or ,Last Action Hero', you know I can sell just about anything. And California is the easiest sell I've ever had!" Dass Schwarzenegger ausgerechnet zwei seiner grössten Kinoflops nannte, hätte bereits misstrauisch stimmen können. Am Ende konnte er weder das Budgetdefizit ausgleichen noch die Schachmatt-Situation im Parlament beseitigen noch seine avisierte pragmatische Power-Politik fernab ideologischer Vorbehalte etablieren.

Doch scheiterte er wirklich so umfassend, wie jetzt behauptet wird? Nur, wenn man das Geschöpf mit seinem Schöpfer verwechselt. Bei Schwarzenegger, der sich gerne mit großen Dingen - Megamuskeln, Hummer-Jeeps, "Box Office Smash Hits" und Montechristo-Zigarren - umgibt, wirken eben auch die Niederlagen eine Spur größer. Gewohnt, ihn mit seinen Rollen in eins zu setzen, erwartete man, dass er entweder die Probleme Kaliforniens mit einer Pumpgun vaporisieren oder in einem Meer von Flammen untergehen würde. Oft wurden sein manisches Schaffen und sein unerbittlicher Wille zur Macht ins "Teutonische" oder "Nietzscheanische" überhöht.

In Wahrheit ist Schwarzenegger immer ein Held der bestehenden Ordnung gewesen. Nichts an ihm war je revolutionär oder visionär. Er passte sich seiner Umgebung so übereifrig an, bis es schien, als unterscheide er sich von ihr. Doch als Pop-Aristokrat war er nie mehr als der Gleichste unter Gleichen.

Auch wurde oft übersehen, dass Schwarzenegger ungeachtet seines martialischen Aktionismus nicht nur den klischeehaft teutonischen Willen zur Macht, sondern zugleich die klischeehaft griechische Seite Kaliforniens verkörperte: Um 1900 wurde der Staat von Spekulanten als "New Greece" inszeniert, als Ort, an dem man schnell Geld machen konnte, um danach unter süßer Sonne in wohltuender Statik zu versinken. Der Grieche galt zu dieser Zeit als Gegenpol des vorgeblich ewig aggressiven "Nordländers": weltzugewandt, prosaisch, geschichtslos, gleichsam als der erste "letzte Mensch".

Lesen Sie auf Seite 2, was von der Schwarzenegger-Ära nachwirken wird.

Auch Schwarzeneggers Charisma entspricht nicht gerade dem, was etwa Max Weber darunter verstand, nämlich eine rational nicht erklärbare Qualität, die ihren Träger mit einer "Erneuerungsfunktion" versieht. Selbst die ökologische Wende, die man vielleicht einmal mit seinem Namen verbinden wird, ist seit der Progressiven Bewegung um 1900 ein alter Hut in Kalifornien. Schwarzenegger schrieb sie nur marktwirtschaftlich um.

Politik bedarf keiner Philosophenkönige

Das Ideal des endlosen Wachstums, dem er bereits als Bodybuilder huldigte, blieb unangetastet. Als vorgeblich eierlegende Wollmilchsau unterschied er sich von einem anderen großen Öko-Ritter der Gegenwart, Großbritanniens Prinz Charles. Der diagnostiziert nicht nur eine ökologische Krise, sondern eine diese erst bedingende Krise des Denkens, der er "uralte Weisheit" entgegen setzten will. In Schwarzeneggers Denken kriselt nichts.

Insofern war eigentlich klar, dass Schwarzenegger Kalifornien nicht revolutionieren würde. Statt dessen erbrachte den zum American Dream konformen Beweis, dass ein Quereinsteiger wie er möglich ist, ohne dass das politische System kollabiert. Der rustikale Selfmade-Herrscher zeigte, dass Politik keiner Philosophenkönige bedarf. Seinen Job machte er nicht besser oder schlechter als viele vor ihm.

Tatsächlich scheiterte Schwarzenegger reichlich bescheiden und widerlegte damit immerhin den Apokalyptiker Jean Baudrillard, der meinte, man könne nicht mehr zwischen Medien und Wirklichkeit unterscheiden. Keine Explosionen. Kein Showdown. Keine Wende zum Autoritarismus. Keine Rückkehr ins Neandertal. Schwarzeneggers Scheitern war also doch ein Sieg, nämlich der Sieg der profanen Wirklichkeit über Medien, Mythen, Projektionen und Simulationen.

Eines wird sicherlich nachwirken. In der Abenddämmerung des amerikanischen Zeitalters betrat in Schwarzeneggers Gestalt noch einmal ein fast museal wirkendes westliches Individuum die Bühne der Macht: ein Hyperamerikaner, Hyperkapitalist, Hyperpopist und Hyperoptimist, sich unablässig selbst feiernd und betonend, er habe sich selbst erfunden und geformt, demokratisch und zutiefst elitär, noch kaugummikauend und nackt Hanteln stemmend, offen für alles Mögliche, wenn es nur Geld und Ruhm bringt, durchlässig für Positionen zwischen rechts und links, da menschliche Größe für ihn im Erfolg, nicht in luftigen Ideen ihren Ausdruck findet. Er zeigte: Jeder kann es schaffen. Was jeder schafft, ist eine andere Sache.

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SZ vom 08.01.2011/kelm
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