Süddeutsche Zeitung

Arno-Breker-Ausstellung:Darf man Arno Breker zeigen?

Kalkulierter Tabubruch: Eine Bilanz der umstrittenen Arno-Breker-Ausstellung. Darf man "Nazi-Kunst" zeigen?

Frank-Rutger Hausmann

Am 22. Oktober 2006 ging im Schweriner Schleswig-Holstein-Haus die Ausstellung "Zur Diskussion gestellt. Der Bildhauer Arno Breker" zu Ende. Für die einen war sie ein Skandal, der unbedingt hätte vermieden werden müssen; für die anderen war sie nach 62 Jahren, in denen Breker im öffentlichen Raum nicht mehr gezeigt worden war, längst überfällig.

Etwa 35000 Menschen haben die Ausstellung besucht, vom gleichnamigen Katalog wurden 9000 Exemplare verkauft, etwa 370 Zeitschriftenartikel nahmen zustimmend, ablehnend oder abwägend Stellung. Rudolf Conrades, der Kurator der Ausstellung, die mit dem Ende seiner Tätigkeit als Leiter des Schleswig-Holstein-Hauses zusammenfiel, konnte mit dem Echo auf den von ihm einkalkulierten Tabubruch zufrieden sein.

Hitlers Lieblingskünstler

Ein dem Katalogband in Form und Design gleichender Dokumentationsband zieht nun die Bilanz der Ausstellung. Ihm ist eine DVD beigegeben, die es erlaubt, einen virtuellen Rundgang durch die Ausstellung zu machen und alle 71 Skulpturen (20 vor 1933, 28 aus der NS-Zeit, 23 nach 1945) in Ruhe zu betrachten, 400 Seiten Gästebuch durchzublättern, sich im Pressespiegel festzulesen oder die Informationstafeln zu studieren. Manch ein Besucher hätte sich zumindest die Abbildungen der Exponate auch im Ausstellungskatalog gewünscht, doch der verfolgte ein anderes Ziel: Conrades, unterstützt von dem Schweriner Kulturdezernenten Hermann Junghans, wollte Antwort auf die Frage geben: "Darf man Arno Breker zeigen?"

Angesichts von elf gut gefüllten Ausstellungssälen auf zwei Stockwerken eine höchst rhetorische Frage. Da Breker unbestreitbar Hitlers Lieblingskünstler war, konnte man die Besucher unmöglich mit seinen Skulpturen alleine lassen. Der Katalog sollte Hintergrundinformationen liefern und über Brekers Hauptauftraggeber, sein Umfeld im "Dritten Reich", sein Verhalten in dieser Zeit und seine Rezeption nach dem Krieg informieren. Gewährsleute wie Max Liebermann, Jean Cocteau, Henry Moore, Salvador Dalí oder Ernst Fuchs bürgten für seinen künstlerischen Rang.

"Spottgeburten und Monstren"

Rudolf Conrades bezeichnet die Ausstellung rückblickend als ein Projekt, das Denkanstöße vermittelt habe, aber keine Denkfertigprodukte. "In einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist es völlig normal, wenn die einen sich ein Herz fassen und einen Stein ins Wasser werfen, und andere die entstehenden Wellenringe zählen und auswerten". Grundsätzlich neue Erkenntnisse liefert die Dokumentation kaum. Befürworter und Gegner beharrten nach Besuch der Ausstellung auf ihren Positionen, mit der Problematik nicht vertraute Besucher fanden sie zumeist interessant. Dass sie den Anteil der NPD-Wähler bei den Landtagswahlen von Mecklenburg-Vorpommern am 17. September 2006 , der mit 7,3% hoch genug ausfiel, gesteigert hätte, hatte ohnehin niemand vermutet.

Das "Dritte Reich" ist mehr als sechzig Jahre nach seinem Untergang in den Medien mit Dokumentationen zu Verfolgung, Krieg und Vertreibung äußerst präsent. So spricht einiges dafür, sich auch mit der Kunst dieser Zeit zu beschäftigen. Wenn beispielsweise Person und Werk von Carl Schmitt, Martin Heidegger oder Ernst Jünger ausführlich untersucht werden, darf man sich auch mit dem nicht minder berühmten Breker beschäftigen. Er war der einzige NS-Künstler, der bereits vor 1933 international bekannt und anerkannt war und dies nach 1945 blieb. Selbst Stalin wollte ihn nach Moskau holen, was zuerst Hitler und später die Amerikaner verhinderten.

Die Dokumentation stellt Materialien zusammen. Die Gelegenheit, selbstkritisch zu Defiziten des "Arno-Breker-Projekts" Stellung zu nehmen, wird nicht genutzt. So fehlte etwa eine Gegenüberstellung mit Werken zeitgenössischer Bildhauer wie Fritz Klimsch, Fritz Koelle, Georg Kolbe, Richard Scheibe oder Josef Thorak, desgleichen mit Werken von den Nazis verfemter Künstler wie Christoph Voll, Eugen Hoffmann, Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Otto Freundlich, Richard Haizmann, Ernst Barlach und Karl Brendel, deren Plastiken im Katalog der Ausstellung "Entartete Kunst" vom Juli 1937 als "Spottgeburten und Monstren" diffamiert wurden, die "unheilbarem Irrsinn entsprungen" seien.

Von Unrechtsbewusstsein keine Spur

Es wurde nur ungenügend deutlich gemacht, dass Brekers französische Freunde, die sich für die Ausstellung seiner Werke in der Orangerie im Mai 1942 stark machten, zumeist Kollaborateure waren, die im besetzten Frankreich eine Minderheit bildeten und nach 1945 für ihre Zusammenarbeit mit dem deutschen Besatzer abgeurteilt wurden. Breker hatte nach 1945 kein Unrechtsbewusstsein.

Er verstieg sich in seiner Autobiographie von 1972 zu der These, dass die Unterdrückung der "entarteten" Kunst durch die Nazis nach 1945 ihr Pendant in der Einstufung der gegenständlichen Kunst als "faschistisch" gefunden habe. "Diese Meinung wurde so konsequent manipuliert", schrieb Breker, "daß es selbst heute noch auch den Freunden der gegenständlichen Kunst geraten erscheint, sie nicht öffentlich anzuerkennen, geschweige sie auszustellen, um nur ja nicht in den Verdacht der Nazianhänglichkeit zu geraten".

Aufklärung ist also weiterhin nötig. Wie rechtfertigte doch Hitler den Monumentalismus und Heroismus der von ihm geförderten Kunst? "Wir bekennen, daß dieses Dritte Reich Dokumente der Kunst und Kultur aufweisen muß, die Jahrtausende überdauern, Mittelpunkte, die mehr wert sind als Warenhäuser und Hotels, gemeinsam verbindende Mittelpunkte, die die Menschen brauchen, wenn sie nicht zerfallen sollen." Die Erforschung der Kunst des Nationalsozialismus wie der Kunst im Nationalsozialismus steckt noch in den Anfängen. Sie sollte gewiss tabulos erfolgen - aber sie sollte unter keinen Umständen hinter den inzwischen erlangten Kenntnisstand zurückgehen.

Das Schweriner Arno-Breker-Projekt. Dokumentation. Herausgegeben von Rudolf Conrades im Auftrag der Landeshauptstadt Schwerin, Schwerin 2007. 218 Seiten, mit DVD, 19 Euro.

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Quelle:
SZ vom 29.5.2007
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