"Army of Thieves" auf Netflix:Und es hat klick gemacht

´Army Of Thieves" mit Schweighöfer und Fee bei Netflix

Mit Laptop und Rubikwürfel: Matthias Schweighöfers (Mitte) in "Army of Thieves" bei der Arbeit.

(Foto: Stanislav Honzik/dpa)

Ein moderner Gaunerfilm alter Schule: Matthias Schweighöfer inszeniert sich selbst als genialen Safeknacker in "Army of Thieves".

Von Tobias Kniebe

Der Safeknacker ist ein seltsames Wesen. So kriminell seine Energie sein mag, so kontemplativ ist sein Handwerk. In einem Zustand großer Ruhe, der stark an Meditation erinnert, horcht er in eine mechanische Apparatur hinein. Er streichelt Knöpfe und Drehscheiben mehr als dass er sie bewegt, er lauert auf winzigste Impulse eines Widerstands oder eines verräterischen Klicks. Im Grunde ist er ein Großmeister in der neumodischen Disziplin der Achtsamkeit, die hier aber seelenlosen, tonnenschweren Tresoren gilt, aus unzerstörbarem Stahl, Bolzen und Zahnrädern.

Zum Actionhelden des Kinos hat es der Safeknacker nur selten gebracht, aber das soll sich jetzt ändern. Im Netflix-Film "Army of Thieves" spielt Matthias Schweighöfer ein Musterexemplar der Gattung, unter seiner eigenen Regie und unter der Mentorenschaft des Hollywood-Großfilmemachers Zack Snyder. Aus Snyders Werkstatt stammen die Storyidee und das Drehbuch, wer dessen Zombie-Apokalypsen-Spektakel "Army of the Dead" gesehen hat, kennt diesen deutschen Safeknacker schon. Dort musste er im von Untoten überrannten Las Vegas einen gewaltigen Tresor öffnen.

Der Schritt in die Kriminalität fällt leicht, wenn der Alltag so öde ist wie bei diesem Helden

"Army of Thieves" erzählt die Vorgeschichte dieses Mannes, der hier noch nicht seinen Künstlernamen Ludwig Dieter trägt, sondern Sebastian Schlencht-Wöhnert heißt und als einsamer Bankangestellter ein freudloses Leben fristet. Rückblenden zeigen, warum das so ist: Beim Fußball durfte das sensible blonde Kind nie mitmachen, Trost fand es hingegen beim mechanischen Basteln und frühen Training mit Schlössern, die er mit seinen Lockpicking-Werkzeugen zu öffnen lernte.

Wie jeder Nerd ist er sozial schwer vermittelbar und steht dem Leben eher furchtsam gegenüber, das ist erst mal keine Überraschung. Interessant wird der Mann durch seine tiefe Verehrung für den verstorbenen Meisterkonstrukteur Hans Wagner, den man sich als eine Art Michelangelo unter den Tresorbauern vorstellen muss. Er schuf vier "Hauptwerke", die er nach den vier Teilen von Richards Wagners Opernzyklus "Ring des Nibelungen" benannte, bevor er sich in seinem fünften Supersafe selbst einschloss und darin wie geplant verhungerte, weil niemand das Ding mehr öffnen konnte.

Army of Thieves

Bunte Einbrecherbande: Guz Khan, Stuart Martin, Nathalie Emmanuel und Ruby O. Fee (von links) planen ihren Raubzug.

(Foto: Stanislav Honzik/Netflix)

Diese nicht vollständig ernst gemeinte Mischung von Tragik und Meisterschaft, germanischer Mythologie und den Geheimnissen der Safe-Konstruktion ist nun nicht auf Schweighöfers Mist gewachsen. Sie speist sich aus der angelsächsischen Grusel-Faszination für Richard Wagner, der auch Zack Snyder offenbar verfallen ist, und Deutschlands Image als Land der großen Konstrukteure. Für den Film liefert sie den interessanten Ansatzpunkt, dass tonnenschwere Tresore aus Stahl, Bolzen und Zahnrädern nicht gänzlich seelenlos sein müssen, wenn sie eine dramatische Geschichte haben - und also die Achtsamkeit eines hochbegabten Safeknackers auch verdienen.

Als Sebastian eines Nachts ein selbst erstelltes Youtube-Video über die Tresore des Hans Wagner online stellt, interessiert dies genau einen einzigen Zuschauer - eine schwarze junge Britin namens Gwendolyne (Nathalie Emmanuel), die dann auch Kontakt mit ihm aufnimmt. Sie entpuppt sich als geniale Taschendiebin und als Mastermind einer Hightech-Einbrecherbande, von Interpol gesucht und von einer großen Vision getrieben. Mit Sebastians Hilfe will sie die drei bekannten Wagner-Safes nacheinander knacken und ausrauben (dass der vierte namens "Götterdämmerung" in Las Vegas steht, was in "Army of the Dead" dann wichtig wird, wissen die Protagonisten hier noch nicht).

Matthias Schweighöfer ist notorischer Frühaufsteher, Superchecker und Workaholic

Gesagt, getan. Der Schritt in die Kriminalität fällt Sebastian leicht, sein Leben ist einfach zu langweilig, die Versuchung, sich als Safeknacker mit Hans Wagner zu messen, ist einfach zu groß, und außerdem wird er sich natürlich in Gwendolyne verlieben. Der Rest des Films entspricht den aktuellen Standards des sogenannten Heist-Genres: Eine Codespezialistin (Schweighöfers Lebensgefährtin Ruby O. Fee) kann sich in alle Sicherheitssysteme hacken, ein Waffenexperte (Stuart Martin) ist für Gewalt und Psychoprobleme zuständig, ein Fluchtfahrer (Guz Khan) hat seine Marotten - und Schweighöfer selbst darf in jeder Gefahrensituation stammeln und schwitzen und herumhampeln.

Das Stammeln und Herumhampeln sind auf die Dauer leicht ermüdend, insgesamt ist der Film aber entwaffnend in seiner Direktheit - wie eine altertümlich nostalgische Gangsterkomödie zieht "Army of Thieves" einfach den Plan durch, der in der Exposition vereinbart wurde, von Paris über Prag bis nach Sankt Moritz. Speziell die Safeknacker-Szenen sind mit Liebe ausgeführt, sie schaffen im Auge des Sturms immer wieder Ruhe, gefilmte Zwiegespräche mit Stahl, Bolzen und Zahnrädern, die man beim Einrasten und Ausrasten beobachten darf. Denn während Sebastian in die Safe-Wunderwerke hineinhorcht, ist die Kamera längst innendrin. Dort drinnen sieht alles glänzend und fantastisch aus.

Matthias Schweighöfer ist einer der härtesten Arbeiter im deutschen Filmgeschäft, ein notorischer Frühaufsteher und Superchecker und Workaholic. Das gibt all seinen Figuren einen Hauch von Strebertum, den er nicht abschütteln kann. Zu dieser Rolle aber passt das Strebertum wie die richtige Kombination zu einem unknackbarem Safe. Zudem ist Schweighöfer mit Selbstironie ausgestattet, was einige komische Szenen ermöglicht und das ganze Unternehmen am Ende sympathisch macht. In einer Zeit, in dem weite Teile des Filmemachens vom Virus lachhafter Überambition befallen scheinen, will das Heist Movie "Army of Thieves" auf angenehme Weise nur das sein, was es ist.

Army of Thieves, USA/D 2021 - Regie: Matthias Schweighöfer. Buch: Shay Hatten, Zack Snyder. Kamera: Bernhard Jasper. Mit Matthias Schweighöfer, Nathalie Emmanuel, Guz Khan, Ruby O. Fee, Stuart Martin. Netflix, 127 Minuten. Starttermin: 29.10.2021.

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