Favoriten der Woche:Unter die Haut

Favoriten der Woche: Der Mörder kam um Mitternacht. Der Taxler war der Zeuge.

Der Mörder kam um Mitternacht. Der Taxler war der Zeuge.

(Foto: Pidax)

Favoriten des Feuilletons vom spanischen Barock bis zum französischen film noir.

Taxi noir

Eine Frau wird aus einem Schnellzug gestoßen, ihr Liebhaber hat genug von ihr. Ihr Mann tötet den Liebhaber, ein Pariser Taxler sieht, wie er dessen Haus verlässt. Der Mörder, es ist Lino Ventura, heftet sich dem Zeugen (Franco Fabrizi) an die Fersen. Eine Nacht, ein Tag, eine weitere Nacht ... "Der Mörder kam um Mitternacht" heißt der Krimi noir von 1959, im Original "Un témoin dans la ville" (DVD bei Pidax). Regisseur Édouard Molinaro, der Truffaut und die Jungs von der Nouvelle Vague gut kannte, wurde später berühmt durch den "Käfig voller Narren". Am Ende jagen die Taxler den mörderischen Ehemann so unerbittlich wie die Berliner Ganoven in "M" Peter Lorre. Die Nacht ist voller Leben, Zuversicht, Traurigkeit, und ein amerikanischer GI singt "Red River Valley". Fritz Göttler

Francisco de Zurbarán, Christus der Barmherzigkeit, um 1640, Öl auf Leinwand, Museo de Bellas Artes Sevilla
(Foto: Pepe Moron Borrego)

Unter die Haut

Bei Francisco de Zurbarán ist die Haut immer besonders bleich, mit einem dezenten Stich ins Grünliche. Der Gekreuzigte, den er um 1640 in Sevilla malte, wirkt dadurch zugleich physisch tot und doch bereits jenseitig. Die stille Monumentalität dieses Gemäldes, seine visuelle Tiefe, erinnern nicht an die hyperrealistischen Sakralskulpturen, deren Produktion in Spanien zu Beginn des 17. Jahrhunderts in großer Blüte stand. Zurbarán beachtete bei der Schaffung solcher Andachtsbilder sogar den Lichteinfall am Hängungsort und ließ das Licht im Bild aus demselben Winkel in die Szene schimmern.

Der Zurbarán-Christus stammt aus dem Museo de Bellas Artes in Sevilla und ist derzeit im Kölner Wallraf-Richartz-Museum zu sehen. Köln ist berühmt für seine Verbindung mit den katholischen Niederlanden. Das reflektiert auch die Wallraf-Sammlung, deren Bestand an flämischer Barockmalerei ihresgleichen sucht. Doch in seiner Jahrespräsentation, die überwiegend aus dem Besitz bestückt wurde, wendet das Kölner Museum den Blick weiter nach Süden: "Unter die Haut" heißt die übersichtliche, aber exquisite Ausstellung mit Werken der spanischen Barockmeister Ribera, Murillo und eben Zurbarán. Sie wurde durch Leihgaben, unter anderem aus der Gemäldegalerie Berlin, der Sammlung Colomer in Madrid und aus Sevilla ergänzt.

Frisch restauriert präsentiert die Schau unter anderem Jusepe de Riberas "Paulus, der Eremit" (1647) aus der Wallraf-Sammlung. Die Säuberung legte Details wie die blutigen Striemen auf dem Torso des asketischen Greises frei, die sein geflochtenes Gewand ihm beigebracht hat. Dies ist der "ergreifende Naturalismus des spanischen Barock", von dem die Unterzeile des Ausstellungstitels kündet. Annähernd 30 Jahre später entstand Bartolomé Esteban Murillos "Büßende Maria Magdalena", eine angesichts der Sittenstrenge der spanischen Gegenreformation erstaunlich sinnliche und freizügige Figur, deren Verzücktheit an eines der beliebtesten Motive der Epoche erinnert, den Heiligen Franziskus in Ekstase.

All die, vor allem von britischen Kunsthistorikern kolportierten, Klischees von der vermeintlichen Grausamkeit und Distanziertheit des Menschenbildes im spanischen Barock widerlegt diese Schau eindrucksvoll. Ein kuratorischer Glücksgriff. Alexander Menden

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Juilliard String Quartet

Robert Mann, Gründer des weltberühmten New Yorker Juilliard String Quartet und jahrzehntelang der Primarius, hat erzählt, wie er und seine Kollegen - Robert Koff, 2. Violine; Raphael Hillyer, Viola; Arthur Winograd, Violoncello - 1949 Arnold Schönberg seine Musik vorgespielt hatten und nun gespannt auf die Reaktion warteten: "Er schwieg einen Moment, dann lächelte er und sagte: ,Ich muss gestehen, Sie haben das auf eine Weise gespielt, die ich mir niemals vorgestellt hätte.' Uns wurde bang ums Herz, denn wir dachten, wir hätten ganz furchtbar gespielt. Schließlich meinte Schönberg sehr vergnügt: ,Aber wissen Sie, mir gefällt so gut, wie Sie es spielen, dass ich kein Wort darüber verlieren werde, wie ich es mir vorgestellt habe, denn ich möchte, dass Sie es auch weiterhin genauso spielen.'"

Was hatte Schönberg so positiv überrascht? Vermutlich waren es der vitale Zugriff und die neugierige Unbefangenheit, mit der die vier jungen Musiker seine komplexen Stücke verwirklichten. Hört man die Aufnahmen der vier Schönberg-Quartette mit den Juilliards der ersten Stunde, dann verblüffen Frische, Kampfeslust und klangliche Präsenz dieser Ersteinspielungen. Ähnlich ergeht es einem bei den sechs Quartetten von Béla Bartók, die ebenfalls von den Juilliards erstmals eingespielt wurden. 1949 boten sie diese epochalen Werke als Erste öffentlich, im Publikum saß auch Dmitri Schostakowitsch als Mitglied einer sowjetischen Delegation, der mit seinen Streichquartetten selbst zu den Größten des Genres gehört. Bartóks Stücke verlangen höchste Konzentration, überragende Virtuosität und enorme Versenkungskraft. All das verwirklichten die Juilliards mit ihrer Mixtur aus spielerischem Feuer, Unmittelbarkeit der Empfindung und Leidenschaft der Gestaltung. All das überzeugt in den Aufnahmen, die das legendäre Ensemble zwischen 1949 und 1956 machte. Auch die anderen CDs der 16-teiligen Box (Sony) belegen Furchtlosigkeit vor und Freude an zeitgenössischer Musik, mit der die vier Musiker Werke etwa von William Schuman, Aaron Copland oder Alban Berg und Anton v. Webern anpackten. Dazwischen findet sich auch eine CD mit Mozart-Quartetten. Sie klingen bei den Juilliards nicht weniger aktuell als die ihrer Zeitgenossen. Harald Eggebrecht

Favoriten der Woche: Brunnen von Nicole Eisenman in Münster, die Gipsfiguren sollen im Oktober durch Aluminiumgüsse ersetzt werden.

Brunnen von Nicole Eisenman in Münster, die Gipsfiguren sollen im Oktober durch Aluminiumgüsse ersetzt werden.

(Foto: Henning Rogge)

Eisenman-Brunnen

Dass Bürger über Jahre für ein Kunstwerk im öffentlichen Raum kämpfen, ist selten. Aber der temporäre Brunnen, den die New Yorker Künstlerin Nicole Eisenman für das Skulpturen-Festival in Münster 2017 entworfen hatte, schuf einen magischen Ort für Einheimische und Gäste. Das Häufchen seltsamer Vagabunden, die rund um den Teich lagen, lud ein zum Herumlungern. Ein paar destruktive Seelen aber provozierte das Bild glücklicher Faulheit zur Gewalt. Da es von Eisenman in den Kontext jüdischer Verfolgung gestellt wurde, wurden auch Hakenkreuze gesprüht. Als Trotzreaktion sprudelten 1,2 Millionen Euro Spenden für die Wiederaufstellung, die jetzt beginnt. Die Eröffnung des Skulpturenbrunnens, diesmal nicht mehr aus Gips, sondern Aluminium, ist für Oktober geplant. Das war viel Fleiß für das Recht auf Faulheit. Till Briegleb

Aretha Franklin opens at Caesars Palace in Las Vegas

Aretha Franklin im Caesars Palace in Las Vegas.

(Foto: Handout/Reuters)

Aretha

Aretha Franklin ist schon zu Lebzeiten oft genug heiliggesprochen worden. Nun kommt demnächst ein großer Hollywoodfilm über ihr Leben in die Kinos und im Sommer mal wieder eine Box mit Musik aus ihrem Lebenswerk heraus. Im Gegensatz zu all den anderen Boxen konzentriert sich "Aretha" (Rhino) nicht nur auf ihre genialischen Jahre bei Atlantic Records, sondern umspannt auch ihre mäßig erfolgreiche Anfangszeit sowie ihre späten Diva-Jahre. Und wer noch einen Beweis dafür brauchte, dass sie wirklich mit allem, was auf ihrem Notenständer landete, herzerweichen konnte, kann sich die Vorabsingle "You Light Up My Life" anhören. Das war ursprünglich eine Filmschnulze, mit der Countryschlagersängerin Debbie Boone 1977 einen Hit landete. Franklin nahm das Stück auch auf, veröffentlichte es aber nie. Mit dem Abstand der Jahre aber sind die Crescendi, mit denen sie über großem Orchester die ganz großen Gefühle auspackt, allerfeinste monumentale Popkunst. Wäre nicht verwunderlich, wenn sich der Song bei Karaoke- und diversen Lipsynch-Gelegenheiten zum neuen Standard rehabilitiert. Andrian Kreye

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