ARD: Romy:"Sie ist die Projektion von uns allen"

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Regisseur Torsten C. Fischer spricht über sein Melodram "Romy" und den Lebenskampf einer Frau, die ihrer Zeit voraus und am Ende von allen verlassen war.

C. Keil

Die Entdeckung dieses Dramas ist nicht Jessica Schwarz, die schon bei Dominik Graf (Kalter Frühling, 2003) oder in Inszenierungen für den Theaterkanal (Lulu, 2006) aufgefallen ist als kraftvolle Darstellerin vielschichtiger Persönlichkeiten. Thomas Kretschmann ist die Entdeckung der filmischen Biografie Romy Schneiders. Kretschmann spielt Schneiders ersten Ehemann, den Dramatiker und Darsteller Harry Meyen. Meyen war Jude, er überlebte das KZ, an der Seite Romy Schneiders fühlte er sich klein. Sie, der Star, der häuslich werden wollte in West-Berlin, vermittelte ihm Engagments als Regisseur. Keines hatte Erfolg. Diese Zeit, der Versuch Romy Schneiders, sich mit den Deutschen zu versöhnen, bildet den Schwerpunkt des ARD-Fernsehspiels Romy.

Jessica Schwarz spielt Romy Schneider im ARD-Film "Romy" am Mittwoch, 11.11., um 20.15 Uhr in der ARD. (Foto: Foto: ap)

Regisseur Torsten C. Fischer, 46, versucht nicht, mit dem Original zu konkurrieren, aber das tut sein Film natürlich. Schneiders Leben hängt einem zu vertraut im Kopf: die rebellische Sissi, die enttäuschte Liebe zu Delon, ständig die falschen Männer, ständig Ängste, Alkohol, Tabletten, ihr Ende ein letzter Strich auf einem Blatt Papier. Gekonnt spielen Fischer und sein Kamermann Holly Fink mit bekannten Motiven und mit Materialien. Ihr Film ist gut, vor allem handwerklich. Aber reicht das an kreativem Input? Filmische Biografien sind Bilderbögen, man muss sie mögen. Sie beginnen meist in der Kindheit und enden meist mit dem Tod. Jedenfalls Kretschmann wirkt fabelhaft einsam, kalt und zerstört als Meyen. Die Trennung von seinem Sohn beschleunigt seinen Zerfall. 1979 erhängt sich Meyen, drei Jahre später stirbt Romy Schneider.

SZ: Herr Fischer, wie dreht man einen Film, der Juristen als Cutter hat, weil die Frage des Persönlichkeitsrechts genauso wichtig war wie die Frage nach der künstlerischen Umsetzung des Stoffes?

Torsten C. Fischer: Die Frage des Persönlichkeitsrechts spielte für mich sekundär eine Rolle - mir war es wichtig, Romy Schneider mit Würde, aber nicht unkritisch zu begegnen. Wenn man genau recherchiert, braucht man Juristen nicht zu fürchten. Der Drehbuchautor, Benedikt Röskau, hat lange geforscht und ist durch seine Erfahrungen mit Contergan für so eine Aufgabe sehr profiliert.

SZ: Der WDR-Zweiteiler Contergan konnte 2007 erst nach einem monatelangen Rechtsstreit mit dem Pharmakonzern Grünenthal ausgestrahlt werden. Das bleibt Ihnen erspart . . .

Fischer: . . . obwohl wir oft an juristische Grenzen gestoßen sind. Es war nicht immer einfach, Lösungen zu finden.

SZ: Romy Schneider ist 1982 gestorben, 27 Jahre lang hat sich niemand eine Inszenierung ihrer Biografie zugetraut. Warum war es plötzlich doch so einfach? Im vergangenen Jahr gab es kurzfristig drei, vier, fünf Romy-Schneider-Projekte fürs Fernsehen und das Kino.

Fischer: Der Anlass war sicher ihr bevorstehender 70. Geburtstag im September 2008. Gescheitert sind die meisten Projekte, weil versucht wurde, sich mit Romy Schneider früher nahestehenden Personen einzulassen. Das sind überwiegend Menschen, deren Leben sich ebenfalls durch eine gewisse Berühmtheit auszeichnet. Sie legen großen Wert darauf, in der Öffentlichkeit gut auszusehen.

SZ: Mit wem haben Sie gesprochen?

Fischer: Es gab Kontakte zu Daniel Biasini, Romy Schneiders zweitem Ehemann. Wir haben schnell gemerkt, wie das Bild von Romy Schneider verfälscht worden wäre, hätten wir uns auf seine Vorstellungen eingelassen. Es wäre wie eine Zensur gewesen.

SZ: Folglich haben Sie sich an veröffentlichtes Material gehalten. Wurden die Inhalte des Films auch mit Alain Delon geklärt?

Fischer: In Frankreich gilt ein anderes Persönlichkeitsrecht als in Deutschland. Es reicht, wenn einer sagt: Ich möchte nicht vorkommen. Man kann dann nur Material verwenden, das öffentlich dokumentiert ist. Privates, Dialoge in den eigenen vier Wänden, sind ja nicht verifizierbar und deshalb nicht darstellbar.

SZ: Das heißt, alles, was Delon betrifft, ist ebenfalls belegt? Fischer: Das heißt zunächst, eine französische Filmproduktion wird immer darauf angewiesen sein, mit Delon zu kooperieren. Der SWR hat Signale von Delon erhalten, dass er sich nicht gegen seine Darstellung in unserem Film wenden würde.

Magda Schneider, die Mutter, war das größte Problem

SZ: Probleme hatten Sie mit den Erben Magda Schneiders, Romy Schneiders Mutter.

Fischer: Eine Erbengemeinschaft sorgt sich um ihren Persönlichkeitsschutz. Tatsächlich war Magda Schneider die schwierigste Aufgabe, die wir lösen mussten.

SZ: Weil sie als Mitläuferin der Nazis gilt, was die Erbengemeinschaft ganz anders sieht, vermutlich?

Fischer: Wir haben versucht, ein ambivalentes Bild von ihr zu zeichnen, und wir sind gegen das Klischee angegangen, dass sie ihre Tochter nur unterdrückt und ausgebeutet habe. In Gesprächen mit einer Lebensfreundin Romy Schneiders, die ich glücklicherweise führen durfte, hat sich das Bild über Magda Schneider gewandelt.

Lesen Sie auf Seite 2, warum Torsten C. Fischer Romys Leben unbedingt verfilmen wollte.

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SZ: Romy Schneider hatte Lebensfreunde? Im Film ist sie eine von allen verlassene Frau. Fischer: Dies ist sie am Ende gewesen. Auch die Freunde hatten keine Eingriffsmöglichkeit mehr. Aber sie hatte Freunde, allerdings vielleicht nur zwei über einen längeren Zeitraum hinweg. Jedenfalls konnten ich von diesen Freunden erfahren, dass es eine Symbiose gab, in der Romy und Magda Schneider vor allem in den letzten Jahren gelebt haben.

Eine der letzten Notizen, die Romy Schneider hinterlassen hat, drückt die Verzweiflung nach dem Tod ihres Sohnes David aus: Sie trinke nur noch, und der einzige Mensch auf der Welt, der sie wirklich verstehe, sei die Mami. Es gab eine tiefe Vertrautheit zwischen Mutter und Tochter. Beide waren Schauspielerinnen, und Magda Schneider hat die Verluste, die ihre Tochter ins Unglück stürzten - der Vater, den sie praktisch nie hatte, Delon, der nicht bei ihr blieb -, sie hat das selbst erlebt mit Wolf Albach-Retty, der sie und sein Kind früh verließ. Das wollten wir zeigen: Mutter und Tochter standen bei allen Widersprüchen und Streits eng zusammen.

SZ: Magda Schneiders Nähe zu den Nazis ist dokumentiert.

Fischer: Allerdings, es gibt Filmaufnahmen, die zeigen, dass sie bei Hitler auf dem Obersalzberg gewesen ist. Das sprechen wir in unserem Film ja auch an. Wie oft sie dort oben war, ist nicht mehr zu bestimmen. Magda Schneider hat immer gesagt, dass sie Hitlers Einladungen mehrfach abgelehnt habe. Man könnte ihr auch glauben, weil sie nicht wie andere an den Propagandafilmen in Berlin teilnehmen musste. Sie war bauernschlau, konnte sich entziehen und wohnte bis Kriegsende in Berchtesgaden.

SZ: Kann man ein Leben, so ein Leben wie das von Romy Schneider, überhaupt in knapp 100 Minuten für das deutsche Fernsehen verfilmen?

Fischer: Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn es ein Dreiteiler geworden wäre. Man kann ihr vibrierendes Leben mit einem Film natürlich nur in Teilen erfassen. Ich habe lange, nachdem ich das Angebot bekam, gedacht: geht nicht. Wie will man dem gerecht werden. Wie will man eine fiktionale Wahrhaftigkeit erzielen? Jeder hat doch Aufnahmen, Filme, Biografisches von ihr im Kopf.

SZ: Warum haben Sie es gemacht?

Fischer: Weil ihre Lebenskämpfe und Sehnsüchte, Siege wie Niederlagen so erzählenswert sind. Weil wir nicht unser Wissen über sie als Filmemacher oder Medienprofis voraussetzen dürfen. Junge Leute wissen allenfalls, dass sie ihren Sohn auf tragische Weise verlor und dass da mal etwas mit einem Monsieur Delon war, den die Jüngeren schon gar nicht mehr kennen. Delon hat sich ja kein Alterswerk erarbeitet.

SZ: Man weiß aber doch, wie dieses tragische Leben endet, bei aller Sympathie für Romy Schneider: Warum soll man sich das anschauen? Fischer: Weil es nicht um das tragische Ende geht, sondern darum, wie es dazu kommen konnte. Das Schicksal, die Radikalität ihres Lebensweges sind einzigartig. Sie bricht mit dem 50er-Jahre-Mief der eigenen Familie, verlässt ihre Heimat, verzichtet später für das Sorgerecht ihres Kindes auf ihr halbes Vermögen, überhaupt steht sie mit allem für Aufbruch und Modernität in der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Sie hat diesen Kampf für sich noch vor der Studentenbewegung geführt. Es gehörte doch ungeheuerer Mut dazu, sich auf der Titelseite eines Magazins zur Abtreibung zu bekennen und als kaum Erwachsene auf eine Millionengage zu verzichten mit der Weigerung, Sissi IV zu spielen. Ich habe einmal mit Götz George gesprochen, der in Romy Schneiders erstem Film auch seine erste Filmrolle hatte. Und George betonte, wie unglaublich und einzigartig es sei, dass sie im Ausland in einer ihr völlig fremden Sprache Theater spielte, dann Filme drehte und so erfolgreich wurde.

SZ: Sie haben den Liebeswunsch mit Jessica Schwarz verfilmt, einen Roman von Dieter Wellershoff. Ihr Kamera-Mann Holly Fink war bei Mogadischu dabei, Produktionen für Millionen Zuschauer hießen Dresden, (Hamburger) Sturmflut, Tunnel. Demnächst wird Dutschke gezeigt. Warum sucht das fiktionale deutsche Fernsehen weiter rastlos seine Höhepunkte in der deutschen Vergangenheit, in der Geschichte?

Fischer: Ich würde Romy da nicht einreihen. Romy bot die Gelegenheit zu filmischen Reflexionen über das eigene Berufsfeld. Das Genre des Biopics schätze ich wenig. Meistens verkrampft es unter der Last der zu erzählenden Lebensstationen. Es ist ein Chamäleon-Genre, da es selbst keiner eigenen Stilrichtung folgt und somit keinen distinktiven Look hat. Wir haben uns sehr um einen eigenen Look bemüht, allein die Materialvielfalt, mit der wir gearbeitet haben, sollte die Tatsache, dass es sich bei Romy Schneider eben vor allem um unser aller Projektionen auf sie handelt, reflektieren. Ich hoffe, unser Film steht dem Genre des Melodrams näher als dem Biopic.

Romy, ARD, 20.15 Uhr.

© SZ vom 11.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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