Archiv "FrauenMediaTurm" vor dem Aus:Harter Schlag für Schwarzer

Alice Schwarzer ist empört. Die rot-grüne NRW-Regierung will die Förderungen für ihr feministisches Archiv in Köln drastisch kürzen. Das würde das Ende für die gemeinnützige Stiftung bedeuten. Nun geht die "Emma"-Herausgeberin an die Öffentlichkeit, um das Schlimmste zu verhindern.

Martina Pock

Es läuft nicht gut für Alice Schwarzer. Die bekannteste deutsche Feministin sieht sich abserviert mit ihrem FrauenMediaTurm (FMT), einem Frauenforschungszentrum und Archiv der Frauenbewegung. Dem Lebenswerk Schwarzers, das im mittelalterlichen Bayenturm am Kölner Rheinufer residiert, droht sogar das Aus. Es sind ausgerechnet Frauen die ihr die finanzielle Unterstützung entziehen, durch die der FMT in den letzten Jahren erst zur größten modernen Spezialbibliothek zur Genderforschung im deutschsprachigen Raum werden konnte.

Alice Schwarzer protestiert gegen Kuerzung bei FrauenMediaTurm

Die Feministin Alice Schwarzer kämpft um ihr Lebenswerk, den Kölner FrauenMediaTurm.

(Foto: dapd)

Seit 2008 wurde das Archiv mit jährlich 210.000 Euro gefördert. Der damalige Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers (CDU), sichterte der Journalistin die Unterstützung bis 2017 zu. Von Frauen- Kutur- und Wissenschaftsministerium kam jeweils ein Drittel der Summe.

Nun soll damit Schluss sein. Das Geld wird für wichtigere Projekte gebraucht, begründet das unter Budgetzwängen leidende Frauenministerium.

Ein Argument, das für Schwarzer jedoch nicht zutrifft. Sie wisse, dass das für ihr Archiv vorgesehene Geld in das Frauenkulturbüro Krefeld verschoben wurde, schreibt Schwarzer in ihrem Blog. Dort vermutet sie hinter all den Kürzungen eine politische Racheaktion.

Politische Intrige

Denn als sie mitsamt ihrem Archiv 1994 in den Bayenturm übergesiedelt sei, habe es Neider gegeben, so Schwarzer. Damals hatten auch die Kölner Grünen Interesse am mittelaterlichen Wehrturm bekundet. Nun war es ausgerechnet die grüne Frauenenministerin Barbara Steffens aus Köln, die damit begann, die FMT-Förderung zusammenzustreichen. Sie kündigte bereits im November 2011 an, die aus ihrem Etat stammenden 70.000 Euro bereits für das laufende Jahr nicht mehr für den FrauenMediaTurm zu gewähren.

Kurz darauf zogen die beiden SPD-Ministerinnnen Ute Schäfer und Svenja Schulze nach. Sie kürzten ihren Anteil für 2012 jeweils um die Hälfte. Die nun verbleibenden 70.000 Euro würden gerade ausreichen, um die Betriebskosten für das Archiv im Bayenturm zu decken, so Schwarzer. Eigentlich brauche sie 250.000 Euro im Jahr, um den FMT zu betreiben

Außerdem "kann man beides nicht gegeneinander ausspielen. Vor der Frauenbewegung schließlich war die Gewalt gegen Frauen und Kinder nicht nur kein Thema, sie war ein Tabu." meint die Emma-Herausgeberin.

Von Regierung ignoriert

Bei allen vorherigen Ministerpräsidenten, egal welchen Geschlechts, so Schwarzer, sei sie immer auf ein offenes Ohr für ihre Anliegen gestoßen. Nicht so bei der jetzt amtierenden Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Bereits sechs Briefe gingen von Schwarzer an Kraft, doch sie blieben allesamt unbeantwortet.

Die Ministerpräsidentin dementiert dies: Es sei falsch, dass es auf Schwarzers Briefe hin angeblich keine oder unwahre Worte gegeben habe. Sie sei mehrfach schriftlich aus dem Ministerium und einmal persönlich von Kraft am Rande einer Veranstaltung über die notwendigen Haushaltsreduzierung informiert worden.

Kernpunkt der Kritik des Ministeriums am FrauenMedienTurm ist seine kurzen täglichen Öffnungszeiten. Zudem ist bei einem Besuch eine Gebühr von fünf Euro zu entrichten.

"Für Schülerinnen, Dissertantinnen und Journalistinnen bietet das Archiv in Köln eine Fülle von Materialien, wie nirgendwo sonst im deutschsprachigen Raum" heißt es auf der Homepage des Archivs. Aber die Türen des Archivs stehen Interessierten von Montag bis Freitag lediglich von 10 bis 17 Uhr offen, und das nur mit Voranmeldung. Am Wochenende ist die Nutzung zur Recherche völlig unmöglich.

Schwarzer rechtfertigt die spärlichen Öffnungszeiten damit, dass sie aufgrund von rückwirkenden Kürzungen, bereits eine Fachkraft entlassen musste.

Einzigartig in seiner Form

Gegründet wurde die Sammlung feministischer Medien bereits 1984. Zehn Jahre später übersiedelte das Archiv in den Bayenturm in Köln. Der FrauenMediaTurm umfasst 15.000 Bücher, 25.500 Zeitschriften und über 32.000 Aufsätze. Dazu kommen noch 600 Presseordner, sowie Fotos, Plakate, Filme, Tondokumente und eine Chronik der Neuen Frauenbewegung.

Seit 2008 kooperiert das Archiv mit dem Hochschulbibliothekszentrum in Köln. Auch diese wissenschaftliche Zusammenarbeit würde den finanziellen Kürzungen zum Opfer fallen, so Schwarzer.

"Eigentlich sei es ja Aufgabe des Staates, die Geschichte der Emanzipation zu dokumentieren" argumentiert Schwarzer auf der Homepage des FMT. In Österreich ist das femisnistische Archiv "Ariadne" längst Teil der Nationalbibliothek, in den Niederlanden wird die Frauenforschung sogar mit jährlich 2,3 Millionen Euro gefördert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: