Nur der Staubsaugertrupp fehlt noch. Der rote Teppich vor dem Eingang wirft Falten, auch ein paar Kieselsteine haben sich darauf verirrt. Ansonsten aber ist alles bereit für den großen Auftritt: Film ab für Bungalow Germania, den deutschen Beitrag auf der Architekturbiennale in Venedig, die am Samstag eröffnet wird. Und, so viel sei vorweg gesagt, einen der besten Länderpavillons, den es seit Jahren in den Giardini gab. Die Idee der beiden Kuratoren Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis klang einfach. Die beiden Architekten, die an der ETH Zürich unterrichten, wollten den Bonner Kanzlerbungalow auf den deutschen Pavillon in Venedig treffen lassen. Das passte perfekt zum Thema "Absorbing Modernity 1914-2014", das der diesjährige Biennale-Chef Rem Koolhaas allen Länderpavillons verordnet hat.
Als Ludwig Erhard anlässlich seines Amtsantritts 1963 den Kanzlerbungalow bei dem Architekten Sep Ruf in Auftrag gab, wollte er eine architektonische Visitenkarte, ein Gebäude, das seine Verdienste als Vater der sozialen Marktwirtschaft unterstrich und sein Motto "Wohlstand für alle". Gleichzeitig durfte der Bau aber auf keinen Fall triumphierend oder einschüchternd wirken - schließlich zimmerte sich hier eine Nation ein Denkmal, deren Allmachtsanspruch vor nicht allzu langer Zeit die Welt in die Katastrophe gestürzt hatte.
Wie Ruf die Aufgabe erfüllte, ist bekannt - die Nation sah den 1964 fertiggestellten Bau fast täglich im Fernsehen. Durch die raumhohen Glasfassaden der zwei sich überschneidenden Quader symbolisierte er die Ideale von Demokratie, Offenheit und Transparenz der jungen Bundesrepublik. Gleichzeitig verkörperte die Bungalow-Typologie für viele Deutsche die Sehnsuchtswohnform.
Böser Nazi, guter Demokrat?
Auch der deutsche Pavillon in Venedig hat mit nationaler Sehnsucht zu tun, nur war es in diesem Fall die nach Ehrfurcht gebietende Größe. Als Adolf Hitler 1934 den von Daniele Donghi 1909 entworfenen bayerischen Pavillon besuchte, der 1912 einen antikisierenden Fries und ein Giebelfeld verpasst bekam und fortan Padiglione della Germania hieß, empfand er ihn als viel zu klein für seine Nation. Der Architekt Ernst Haiger, der beim Bau des Hauses der Kunst in München mitgearbeitet hatte und sonst vor allem großbürgerliche Privatvillen entwarf, monumentalisierte den Pavillon daraufhin: mit massiven Pfeilern, einer theatralischen Apsis, der Verdoppelung der Grundfläche und einem Eingangsportal, über dem "das Hoheitszeichen des dritten Reichs auf den neuen Geist deutscher Kunst" vorbereite, wie Haiger 1938 schrieb.
Doch wer glaubt, das Aufeinandertreffen der beiden Bauten liefere ein simples Lehrstück, in dem die Rollen bereits verteilt sind - hier der böse Nazi, dort der gute Demokrat -, der irrt. So, wie der Name der beiden Bauten verschmolzen ist, sind es nun auch der Pavillon und der originalgetreue Nachbau des öffentlichen Teils des Kanzlerbungalows. Dessen weit auskragendes Flachdach stößt gleich zur Begrüßung keck durch das herrschaftliche Eingangsportal des Pavillons; vor dessen Apsis steht jetzt ein großer Kamin.
Dafür zerschneiden die Wände des Pavillons den größten Raum des Bungalows. Der Saal, in dem Udo Jürgens für Kurt Georg Kiesinger spielte, Leonid Breschnew, Willy Brandt und Walter Scheel über die Ost-West-Annäherung diskutierten und Michail Gorbatschow mit Helmut Kohl die Wiedervereinigung besprach, wird dreigeteilt. So geht das in einem fort: Ein Gebäude ringt mit dem anderen - als ebenbürtigem Gegner. Wäre es ein Kampf der Worte, würde jeder den anderen aussprechen lassen - um dann zu kontern.
Blick auf den Kanzlerbungalow aus dem vorgelagerten Park.
(Foto: © 2014, ProLitteris)