Wolkenkratzer waren in der Architektur bislang fest in Männerhand. Die dann gerne damit prahlten. Superlative machen sich gut, bei Bauherren wie in Titelgeschichten. Dorte Mandrup macht das anders. Die dänische Architektin listet das "ziemlich große Projekt in Brande" einfach nur zwischen all ihren anderen auf. Wenn man nicht nachgefragt hätte, wäre sie darüber hinweggegangen. Aber handelt es sich nicht um ein 320 Meter hohen Wolkenkratzer? "Ja, es wird der größte in der Europäischen Union sein", gibt sie zu und muss dann selbst schmunzeln. "Und es macht Spaß, ihn zu bauen."
Dorte Mandrup, 57, will nicht viel Aufhebens darum machen. Genauso wie sie nichts von einer Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Architekten hält. "I am not a female architect. I am an architect" hieß ihr Essay und brachte der vielfach preisgekrönten Baumeisterin im vergangenen Jahr einen veritablen Shitstorm ein. Sie verrate damit die Ziele des Feminismus, warfen die Kritiker ihr vor. Ein Missverständnis, sagt sie ein Jahr später in Kopenhagen. Sie habe nur keine Lust, in die Ecke der Architektinnen geschoben zu werden - "female architect" klingt tatsächlich wie eine zu vernachlässigende Unterkategorie - und dadurch vom Wettbewerb mit den Männern abgehalten zu werden. "Es gibt keinen Unterschied, wie Frauen und Männer Architektur machen", ist Mandrup überzeugt.
Das Eisfjord-Informationszentrum an der Küste Grönlands soll bis 2020 fertig sein. Bereits gebaut ist das Wattenmeer- Zentrum in Ribe mit einem Dach aus Stroh und einem weißen Inneren.
(Foto: MIR)Das stimmt natürlich und dann auch wieder nicht. Denn auch im Jahr 2018 ist die Architekturwelt - immer noch - männlich. Obwohl seit Jahren genau so viele Frauen wie Männer Architektur studieren, verschwinden die Frauen zügig von der Bildfläche, wenn es darum geht, ein großes Museum oder ein spektakuläres Konzertgebäude zu entwerfen. Oder im Zentrum einer Einzelausstellung zu stehen. Der Pritzker-Preis, so etwas wie der Nobelpreis in der Architektur, ging seit 1979 zwei Mal an Frauen. Das sagt eigentlich schon alles.
"Es gibt viele gute Architektinnen, und wir können es leicht mit den Männern aufnehmen", sagt Mandrup im verglasten Besprechungsraum ihres Büros, einer ehemaligen Fabriketage mitten in Kopenhagen. Noch so eine Ausnahme. Die Dänin leitet seit fast 20 Jahren ihr eigenes Büro. Es gibt kaum Architektinnen, die das tun. Und wenn, dann haben sie einen Mann an ihrer Seite - dessen Namen dann auch gerne an erster Stelle im Büronamen prangt. Sauerbruch Hutton, Kühn Malvezzi, Heide & von Beckerath, um nur einige deutsche Beispiele zu nennen. Der Geniekult ist männlich, das hat auch Mandrup immer wieder erfahren. Als sie vor knapp 25 Jahren mit einem Mann zusammenarbeitete, hielten die Leute automatisch ihn für den kreativen Kopf und sie nur für seine Assistentin. "Deswegen musste ich ja mein eigenes Büro eröffnen", sagt die Dänin.
Dorte Mandrup macht lieber etwas, als lang darüber zu theoretisieren. Der Erfolg gibt ihr recht. Immer mehr Bauherren wollen ein Gebäude von ihr. Gerade hat die Architektin deswegen den Vertrag für ihr neues Büro in einer historischen Kaserne unterschrieben, die alten Räume - viel Glas, viel Licht, ansonsten sparsame Einrichtung, außer einer chromglänzenden Kaffeemaschine - sind zu eng geworden. Die 65 Mitarbeiter sitzen dicht an dicht. Das Regal ächzt unter den vielen alten Modellen bereits realisierter Projekte. Neue entstehen mitten in der Etage. Denn bei Mandrup steht die Werkbank nicht versteckt im Hinterzimmer, sondern sie ist das Herz ihres Büros - das fortlaufend pumpt. Trotzdem ist die Stimmung gut, geradezu entspannt. Ein Angestellter kommt barfuß den Gang entlang, zwei Tischreihen weiter gönnen sich einige ein Eis. Für alle ist Mandrup ausschließlich Dorte. Die könnte mit ihren offenen Haaren, dem Kaugummi im Mund und einer überraschend rauchigen Stimme auch als Rockstar beim Roskilde-Festival durchgehen.