Architektur und Macht:Des Teufels Architekt

Zwischen Macht und Moral: Monumentalarchitektur ist Ausdruck von Geltungsbewusstsein und entsteht oft unter fragwürdigen politischen Voraussetzungen. Ist es Aufgabe des Architekten, sich dem zu entziehen?

Gerhard Matzig

Das Kapitol in Washington, St. Peter in Rom, Schloss Versailles und der neue Pekinger Turm des Staatsfernsehens CCTV (China Central Television), der schon jetzt - vor der Olympiade - so umstritten ist wie kaum ein anderes Bauwerk, haben etwas gemeinsam: Es sind Bauwerke der Macht.

Architektur und Macht: Ragt weit in den Pekinger Himmel und soll zur Olympiade 2008 in Betrieb genommen werden: der neue Hauptsitz des staatlichen chinesischen Fernsehens.

Ragt weit in den Pekinger Himmel und soll zur Olympiade 2008 in Betrieb genommen werden: der neue Hauptsitz des staatlichen chinesischen Fernsehens.

(Foto: Screenshot: www.arcspace.com)

Wobei sie unterschiedliche Systeme repräsentieren: amerikanische Demokratie, katholische Kirche, französischen Absolutismus - und den Machtanspruch der chinesischen Autokratie für das 21. Jahrhundert. Typologisch und stilistisch unterscheiden sich diese vier Architekturen. Doch alle Beispiele eint der Wille zum Monument - auch wenn dieser Wille, wie im CCTV-Fall, ein Kleid aus Glas trägt.

Vorerst verbirgt sich der von Rem Koolhaas und Ole Scheeren entworfene Fernsehturm noch hinter haushohen Bauzäunen. Doch seine Fernwirkung ist jetzt schon beeindruckend. Und wenn er zur Olympiade erstmals genutzt wird und als Symbol zum Einsatz kommt, dann wird deutlich: Hier wohnt die Macht.

Denn die Büroburgen der postindustriellen Informationsgesellschaft sind die Erben der Parlamentsbauten, Schlösser und Kirchen. 10000 Mitarbeiter des Staatsfernsehens werden im CCTV-Turm auch nach Olympia darüber bestimmen, welche Bilder ein großer Teil der Menschheit zu sehen bekommt. Bescheiden ist dieser spektakulär geformte Bau folglich nicht.

Bescheidenheit ist ein Fremdwort in der Geschichte der Monumentalbauten. Vielleicht wird die Baugeschichte gerade deshalb in unseren Tagen wie selten zuvor angereichert.

Handlanger der Despoten

Fast täglich entsteht irgendwo auf der Welt eine Variante der ikonischen Architektur - meist im Auftrag der Unternehmen, aber auch befördert von Politik und Kultur. Die Corporate Architecture ist zu einem Baustein der Globalisierung geworden. Die Herstellung der Architektur-Signets ist ein verbreitetes und für einige (wenige) Architekten auch einträgliches Geschäft.

Norman Foster baut deshalb in Abu Dhabi ein Stadtgebilde. Zaha Hadid erträumt für Russland Hochhäuser. Deutsche Architekten sollen sogar ein Parlament für Libyen bauen (Léon Wohlhage Wernik), beziehungsweise eines für Vietnam (von Gerkan, Marg und Partner).

Um solches und ähnliches Bauen, das verallgemeinernd als "Bauen für Despoten" bezeichnet wird, ist heftiger Streit entbrannt. Seit Albert Speer Senior für Hitlers Terror-Staat plante und baute, stellt sich erstmals wieder in der Öffentlichkeit die Frage, ob Architektur, deutsche noch dazu, im Dienst auch eines nicht-demokratischen Regimes stehen darf. Es geht also nicht mehr nur um eine rein ästhetische Debatte.

Ästhetisch ist die Frage ohnehin nicht zu beantworten. Nicht hinter jeder dorischen Säule steht ein blutbefleckter Diktator - und nicht hinter jeder Glasfassade agieren freiheitlich denkende Unternehmen.

Die Formfrage führt nicht weiter. Bleiben die Inhalte: die Moral. Aufs Moralisieren versteht sich etwa Daniel Libeskind, der "keinesfalls für China" bauen will. Gleiches sagt der deutsche Architekt Christoph Ingenhoven. Ähnlich argumentiert auch Wolf Prix aus Wien.

Wie wenig tragfähig diese plakative Abstinenz tatsächlich ist, zeigt sich an Libeskind. Still und leise plant er entgegen seiner Ich-nicht!-Pose ein Bauwerk für Hongkong. Und auch scheinbar politisch korrekte Architekten haben sich längst mit nicht-demokratischen Bauherren zusammengesetzt.

Allerdings sind solche Verhandlungen oft gescheitert. Jedoch nicht nur der Ethik wegen - manchmal ging es auch ums Geld. Eine daraus resultierende Empörung, die sich moralisch gibt, ist nicht glaubwürdig. Muss man aber im Gegenzug die Frage nach dem Bauherrn so zynisch beantworten, wie das Philip Johnson einmal getan hat? Der sagte: "Ich baue auch für den Teufel."

So weit muss man nicht gehen, um neben der Demokratie auch nicht-demokratische Systeme als Bauherren anzuerkennen. Die Kirche, für die Brunelleschi die Kuppel auf den Florentiner Dom gesetzt hat, war alles andere als ein demokratisches Gemeinwesen.

Gleiches gilt für die Fürstentümer, denen wir ein herausragendes und vielschichtiges Baukulturerbe verdanken. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob - sondern vor allem was und wie gebaut wird.

Demokratie auf dem Bau

Zum "was": Für den Iran sollte man kein Atomkraftwerk, für Nordkorea keine Kaserne und für Robert Mugabe keine Villa und keinen Präsidentensitz entwerfen.

Zum "wie": Die Schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron, die in Peking soeben das Olympiastadion vollendet haben, müssen sich nicht fragen lassen, ob ihr Tun ein menschenverachtendes System verherrlicht - sondern sie müssen sich fragen, ob sie auch auf einer diktatorischen Baustelle für demokratischere Arbeitsbedingungen sorgen konnten. Ob dort also zum Beispiel auch Kinder oder drangsalierte Wanderarbeiter unter entwürdigenden Bedingungen zum Einsatz gekommen sind.

Und das Problem des Vorhabens namens "Lingang New City", für das Meinhard von Gerkan beschimpft wird, liegt nicht in seiner als absolutistisch empfundenen, kreisrunden Anlage um einen künstlichen See herum. Sondern im Umgang mit der Ressource Wasser - oder in einem fragwürdigen Wohnprogramm für die neuen Superreichen.

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