Süddeutsche Zeitung

Architektur:Noch ein Bürohaus

Die City-Höfe nahe dem Hamburger Hauptbahnhof werden nicht erhalten, weil es günstiger erscheint, sie für Bürobauten abreißen zu lassen.

Von Till Briegleb

Volkwin Marg hat die wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte der Stadt Hamburg vorgedacht. Von dem Architekten aus dem Büro gmp (von Gerkan Marg und Partner) stammt die erste HafenCity-Planung ebenso wie die ersten städtebaulichen Entwürfe für die Olympia-Bewerbung. Aber jetzt ist Volkwin Marg richtig angefressen. Einen "ungeheuren Skandal, der ein böses Licht auf diese Stadt wirft" nennt der Architekt die Entscheidung der Hamburger Finanzbehörde, ein intaktes Hochhaus-Ensemble der Fünfzigerjahre am Hamburger Hauptbahnhof abreißen zu lassen, obwohl es unter Denkmalschutz steht. Die sogenannten City-Höfe, ein 1956 errichtetes Bürohauscentrum aus vier parallelen Scheibenhäusern, das zwischen dem berühmten roten Kontorhausviertel und der Hamburger Kunstmeile als stadträumliches Zeugnis der Nachkriegsmoderne steht, soll nach dem Willen der Stadt verschwinden, weil eine Neubebauung des Grundstücks mehr Geld erbringt.

Volkwin Marg, das muss dazugesagt werden, zürnt nicht ganz uneigennützig. Denn die Alternativplanung für die City-Höfe, die in dem Bieterwettbewerb aussortiert wurde, obwohl sie im Jury-Entscheid klar auf Platz eins lag, stammt aus seiner Feder. Aber fairerweise muss auch dazu gesagt werden, dass ihm alle wesentlich mit Baukultur befassten Verbände zur Seite stehen, von der Architektenkammer bis zum internationalen Denkmalschutzverband Icomos. Denn die Planung von gmp hat nachgewiesen, dass die Sanierung und Umwandlung des Denkmals in eine Anlage mit 300 neuen Innenstadtwohnungen der Abriss-und Neubaulösung in allen Belangen überlegen ist - außer beim Preis.

Aber offensichtlich hatten sich der Hamburger Senat und sein ausführendes Organ, die Liegenschaft, schon vor dem Beginn der Ausschreibung darauf verständigt, den Denkmalschutz zu ignorieren - und das auch durchgesetzt. Zunächst wurde ein Mindestpreis von 20 Millionen Euro festgelegt, weil man wohl davon ausging, dass jede Sanierungslösung an dieser Vorgabe scheitert. Als Margs Investor Matrix 32 Millionen Kaufpreis bot, erhob die Finanzbehörde nachträglich unzumutbare Forderungen. Matrix gab daraufhin zwar ein endgültiges Angebot ab, aber versehen mit dem Nachsatz, dass man die kurzfristig erhobenen Bedingungen gerne nachverhandeln würde. Damit flog der Entwurf aus dem Verfahren, und der Konkurrent August Prien, der auf dem Grundstück einen hochverdichteten Bürokomplex errichten möchte, bekam den Zuschlag.

Nun ist Hamburg eine rot-grün regierte Stadt, die sich gerne als nachhaltig darstellt (etwa bei ihrer Olympiabewerbung), ihre Politik angeblich der Transparenz verpflichtet sieht und zudem seit langer Zeit offiziell das Ziel der Innenstadtbelebung durch neues Wohnen verfolgt. Konkret wurde bei den City-Hochhäusern, die Marg in den hellen, eleganten Ursprungszustand zurückversetzen wollte, ein intransparentes Verfahren durchgeführt, das die ökologisch vernünftigste Baulösung der Bestandssanierung absichtlich scheitern ließ, um einen neuen unsinnigen Bürostandort in der City zu erhalten. Und dieses Verfahren verstößt schließlich gegen geltendes Hamburger Recht, nach dem ein denkmalgeschütztes Gebäude nur dann zerstört werden darf, wenn sein Erhalt wirtschaftlich unzumutbar ist.

Besonders bigott an der Hamburger Politik ist, dass die Stadt sich mit dem Kontorhausviertels neben den City-Höfen als Unesco-Weltkulturerbe bewirbt und transparente und nachhaltige Spiele in Hamburg verspricht. Eine Empfehlung der Glaubwürdigkeit ist dieser Denkmal-Skandal für beides nicht.

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SZ vom 19.11.2015
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