Architektur:Im Dienst der Kunst

Architektur: Wie Wasser durchs Sieb, so fällt das Tageslicht in die Räume des 1995 fertig gestellten Kunstmuseums Bonn.

Wie Wasser durchs Sieb, so fällt das Tageslicht in die Räume des 1995 fertig gestellten Kunstmuseums Bonn.

(Foto: Torsten Krüger/mauritius images)

Axel Schultes hat mit dem Bonner Museum Vorbildliches geschaffen: ein Haus, das für sich steht, aber auch dem Gezeigten angemessenen Raum bietet.

Von Gerhard Matzig

Axel Schultes ist womöglich der unbekannteste bekannte Architekt Deutschlands. Einerseits kennt man in baukulturell informierten Kreisen den Mann, der am 17. November 75 Jahre alt wird, selbstverständlich gut: als einen bedeutungsvollen, innovativen und zugleich so behutsam wie souverän die Baugeschichte fortschreibenden Akteur der zeitgenössischen Baukunst. Auch dürfte seine bühnentaugliche Marotte, Hemden nach Art der biedermeierlich anmutenden "Vatermörder"-Mode mit Stehkragen-Attitüde zu tragen, nicht unbedingt zur eigenen Anonymisierung beigetragen haben. In Ausstellungen oder auf Symposien, auf der Baustelle, im Büro oder an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er bis 2012 "Baukunst" gelehrt hat, erkannte und erkennt man Schultes immer schon von ferne.

Dennoch gehört zu den Eigentümlichkeiten der Markenbildung auch die Vermutung, dass wohl nicht alle Menschen auf Anhieb wissen, wer das prominenteste deutsche Haus, das hierzulande sicher bekannteste und meistabgelichtete Stück Architektur entworfen und realisiert hat. Es ist Schultes, der Erbauer des Bundeskanzleramtes in Berlin. Ohne dessen zeichenhafte Fassade als Hintergrund zu irgendwelchen Verlautbarungen - bisweilen auch: medial aufgeblasenen Nichtigkeiten - sind Nachrichtensendungen eigentlich gar nicht mehr denkbar.

Übrigens gehört es zu den großen deutschen Erbärmlichkeiten, dass das dazugehörige "Band des Bundes" als bestechende Architektur- sowie Stadtraum-Idee, in der sich auch ein politisch-aristotelisches Verständnis vom politischen wie vom gesellschaftlichen Raum manifestiert hätte, nie wie ursprünglich von Schultes erdacht realisiert wurde. Die politische Macht hat sich ihren Raum genommen; dem Volk selbst wurde er verwehrt. Das ist denkwürdig.

Die Frage lautet: Darf ein Museumsbau den Kunstwerken Konkurrenz machen?

Aber obschon von Schultes wichtige Schrittmacher des Bauens stammen, darunter ein Krematorium, Schulen, Privathäuser oder Bürogebäude: Keines ist so illustrativ für das architektonische und auch stadtplanerische Denken von Axel Schultes wie das von 1985 bis 1993 entworfene und erbaute Kunstmuseum in Bonn. Zugleich gehört es in einer an Museumsarchitektur und Kulturstätten zum Glück nicht eben armen Ära zu den transformatorisch wirksamen Beispielen, die das Genre überstrahlen. Es gibt sogar weithin auch ihrerseits anerkannte Museen, man denke beispielsweise an die Pinakothek der Moderne in München, die knapp zehn Jahre nach dem Bonner Kunstmuseum eröffnet wurde, die ihre formale und rauminterpretatorische Verwandtschaft nicht verbergen (müssen).

Das Bonner Haus mit einer Bruttogeschossfläche von zehntausend Quadratmetern, umhüllt von einer Sichtbetonhaut, wie sie erst danach gewissermaßen breitenwirksam in Mode gekommen ist, darf auch als eine besonders einprägsam formulierte und entschlossene Antwort auf eine alte Frage gelten. Die Frage lautet: Darf ein Museum kraft seiner Baukunst den darin dargebotenen Kunstwerken Konkurrenz machen? Wie das etwa in Bilbao bei der von Frank Gehry ersonnenen Guggenheim-Dependance der Fall ist, wo die skulpturale, überschießend suggestive Architektur als Imageträger das Innenleben beinahe vollständig dominiert. Oder muss sich ein Kunstmuseum als dienende Einhausung im Sinne der White-Cube-Philosophie auch räumlich zurücknehmen, um jegliche Interaktion zwischen Bau- und Kunstwerk zu vermeiden? Wie das zahlreiche Containerbauten der Nachkriegsmoderne von heute anstreben, wobei man manchmal das Gefühl bekommt: Sie mögen vorgeblich der Kunst dienen - aber nicht immer auch dem Besucher und Betrachter der Kunst.

Tatsächlich beantwortet das Haus in Bonn eine bald müßig gewordene Frage, indem es so überzeugend wie entschlossen klarstellt, dass die Frage nach dem Entweder-oder schlicht falsch gestellt ist. Die Dichotomie aus Form und Inhalt, aus Volumen und Raum ist durchaus auflösbar: Es gibt Räume, die der Kunst und dem Betrachter in konsequenter Weise dienen, die aber dennoch auch ihrerseits Baukunst sind; die alles über den Bautypus "Museum" in seiner ganzen Kulturgeschichtlichkeit wissen, um die Tradition in die Gegenwart und weiter in die Zukunft zu führen. Das Kunstmuseum in Bonn mag in dieser Hinsicht nicht zu den bekanntesten Baukörpern zählen, wie etwa das Kanzleramt, es gehört aber zu den relevanten Beiträgen zur Frage nach dem Ideal eines Kunstmuseums.

Zu tun hat das mit dem, was eigentlich einmal ein Schildbürgerstreich war. Zur Erinnerung: Das Rathaus in Schilda wurde einst ohne Fenster erbaut, sodass die Schildbürger das Sonnenlicht mit Eimern ins Haus tragen mussten. Das will man mitunter auch in Museumsneubauten tun, die lichttechnisch eine Zumutung sind. Das gilt für manches Tageslichtmuseum wie auch für alle Dunkelboxen. Doch in das Bonner Kunstmuseum fällt das Licht, wie Schultes selbst es treffend beschreibt, "wie Wasser durchs Sieb". Tatsächlich ist das Haus so raffiniert als Spiel der Formen und der Räume unter der Sonne ersonnen, dass sich das Licht darin in den Dienst der Kunst wie auch der Kunstbetrachtung stellt. Ein größeres Kompliment lässt sich einem Kunstmuseum nicht machen.

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