Architektur:Expansion auf Dänisch

Rendering des Turms von Brande

So sehen sie aus, die Pläne für das höchste Haus Westeuropas in Brande. Die Gemeinde in Jütland hat derzeit nur etwas mehr als 7000 Einwohner.

(Foto: Bestseller)

320 Meter in der Heide: Ein Dorf in Jütland soll das höchste Gebäude von Westeuropa bekommen. Die Gemeinderäte haben den Plänen des Bekleidungskonzerns Bestseller zugestimmt.

Von Kai Strittmatter

Türme sind Wahrzeichen und Attraktion. Kopenhagen hat auch einen. Er heißt Rundetårn, ist 42 Meter hoch und wird nun in vielen dänischen Zeitungen auf Grafiken neben den neuen Turm gestellt. Dort steht er klein und geduckt wie ein Salzstreuer neben einem Wolkenkratzer. Dänemark hat große Pläne. Ein Turm, der tatsächlich in den Himmel stößt. Das höchste Haus Westeuropas. 320 Meter. Höher als der Eiffelturm. Nicht in Kopenhagen, nicht in Aarhus, nein: in Brande. Brande, Jütland, etwas mehr als 7000 Einwohner. Das größte Hochhaus des europäischen Kontinents außerhalb Russlands soll mitten in die jütländische Heide.

Der Gemeinderat der Großgemeinde Ikast-Brande (immerhin mehr als 40 000 Einwohner) gab am Montag grünes Licht für das Projekt. 17 Monate nur nachdem der Konzern Bestseller mit den Plänen an die Öffentlichkeit gegangen war. Bestseller ist das größte dänische Bekleidungsunternehmen, es gehört der Familie des Milliardärs Anders Holch Povlsen. Povlsen ist unter anderem Großaktionär bei Zalando, laut dem Magazin Forbes ist er zudem der reichste aller Dänen. Die Firma hat ihren Sitz in Brande, dort eröffneten Povlsens Eltern einst ihren ersten Laden. Der Turm solle "eine Ikone für die neue Expansion" der Firma werden, teilte Projektmanager Anders Krogh nach der Gemeinderatsentscheidung mit, zudem "ein Wahrzeichen, das Brande auf die Landkarte setzt".

Krogh mahnte gleichzeitig zur Geduld: Die Zustimmung des Gemeinderats sei nur der erste Schritt, viele weitere müssten nun folgen und es könnten bis zum Baubeginn unter Umständen noch Jahre vergehen. Das hinderte manche Kommentatoren nicht daran, schon jetzt abzuheben. Ein Architekturprofessor sprach vom "Manhattan" in der Heide, der Bürgermeister von Ikast-Brande, Ib Lauritsen, sieht - etwas bescheidener - in seiner Heimatregion schon das neue Berlin: Heute flögen viele junge Leute zu Shopping und Entertainment nach Berlin, sagte er, in Zukunft aber "denke ich, dass manche das Flugzeug in die andere Richtung nehmen werden". Legoland ist schließlich auch bloß eine halbe Autostunde entfernt.

Im Ort gab es offenbar kaum Widerstand gegen das Projekt und auch in Kopenhagen hat es seine Bewunderer. "Radikal" sei das Projekt für Dänemark, sagte Peter Thule Kristensen, Dekan der Fakultät für Architektur und Kultur an der Kunsthochschule in Kopenhagen, der Zeitung Politiken. Es stehe für "gewagtes und innovatives Denken". Der Turm allein mute ein wenig an wie direkt dem "Herrn der Ringe" entstiegen, er sei aber eingebettet in ein Ensemble von kleineren Hochhäusern. Tatsächlich erlaubt die Gemeinde dem Konzern vier weitere Türme von 75 und 40 Metern Höhe. Entstehen sollen Büros, Wohnungen, ein Hotel, ein Einkaufszentrum, ein ganzer neuer Stadtteil auf 120 000 Quadratmetern - der zumindest im Entwurf den Namen des Konzerns trägt: "Bestseller Village & Tower".

Auch Kritiker meldeten sich zu Wort, die in dem Turmbau zu Brande einen "Gewaltakt" an Landschaft und Natur sehen. Das Hochhaus sei das Ego-Projekt eines Milliardärs, dessen Wünschen die Gemeinde willfährig folge, argumentiert etwa die Architektin Trine Kammer in Politiken. Sie findet, ein solcher Turm, der noch in 60 Kilometern Entfernung zu sehen sein wird, sei eine nationale Angelegenheit, die Entscheidung darüber dürfe nicht einfach der Gemeinde überlassen werden. Es handle sich um das Projekt eines Mannes, in dem keine städtebauliche Idee stecke: "Eine Stadt entwickelt sich auf diese Weise nicht gesund und vielfältig", sagte Kammer.

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