US-Architektur:Säule und Partyfummel

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Die neue Verordnung für Regierungsbauten in den USA bricht mit den unter John F. Kennedy aufgestellten Prinzipien und beruft sich aufs Klassische. Blick auf das Kapitol in Washington, D.C. (Foto: J. Scott Applewhite/AP)
  • Donald Trump will per Dekret einen "klassischen" Stil für Regierungsbauten verordnen.
  • Im Vergleich zur Glitzermoderne seines Trump Towers könnte man die Nachricht sogar mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen.
  • In Architekturkreisen ist der Aufschrei über diesen Eingriff trotzdem groß. Und auch die Geschichte mahnt zur Vorsicht.

Von Gerhard Matzig

"Nicht hinter jeder dorischen Säule verbirgt sich ein blutbefleckter Diktator." Dass diese Sentenz des Bauhistorikers Winfried Nerdinger stimmt, zeigt der Umkehrschluss: Stünden Stahl und Glas als emblematische Materialien der Moderne und als Gegenspieler traditioneller Bauweise für Transparenz, so wäre jedes Hochhaus von Moskau bis Dubai ein Hort basisdemokratischer Gesinnung. Insofern müsste man den Entwurf für eine das öffentliche Bauen der USA betreffende Executive Order (etwa: Durchführungsverordnung) aus dem Weißen Haus, die der Zeitschrift Architectural Record zugespielt wurde, kaum fürchten. Obwohl sie die "Guiding Principles for Federal Architecture" der Kennedy-Ära zunichtemacht. Zu diesen Prinzipien gehörte es, die Entwicklung eines offiziellen Stils zu vermeiden, für die Gestaltung seien die Architekten verantwortlich, nicht die Regierung.

Abgesehen davon, dass Donald Trump spätestens seit der von ihm angeordneten Ermordung des iranischen Generals Soleimani ein blutbefleckter Republikaner ist, benötigt er keinen Klassizismus, um seine Gesinnung zu verstecken. Es ist eher so, dass man das, was die US-republikanische Politik heute auszeichnet, die Absenz der Ethik, bereits den von Trump ersonnenen Gebäuden ansehen konnte. Trump ist Trump, ob er sich mit Säulen umgibt oder nicht.

Klassischer Architekturstil statt Giltzermoderne? Eine Erleichterung

Schon vor der Wahl in das mächtigste Amt der Welt war klar, dass der gelernte Immobilienspekulant Anhänger einer peinigend banalen Schwundstufe der Glitzermoderne ist. Mit Glas außen und zum Fremdschämen angeberischem Marmor innen. Als Trump, der die Baukunst angeblich verehrt, sie aber mit Design verwechselt, Ende der Neunzigerjahre aus dem Gulf and Western Building den über den Central Park aufragenden "Trump International Hotel and Tower" machte, schrieb der amerikanische Architekturkritiker Herbert Muschamp vernichtend über die durch Trump aufgehübschte Fassade, nun habe ein respektabler Bau einen "Partyfummel" übergezogen. Vor diesem Hintergrund könnte man die Nachricht, wonach sich Trump nun per Präsidialdekret dem "klassischen Architekturstil" zuwendet, sogar mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen.

Die Aufregung in Architektenkreisen ist weltweit dennoch groß. Trump empört jetzt auch die sonst nur gemäßigt politische Bauwelt. Der Entwurf der Order, die in unserem Rechtsraum eine Rechtsverordnung wäre und demnächst realisiert werden dürfte, also keine heitere Nichtigkeit ist, trägt den Titel "Making Federal Buildings Beautiful Again". Demnach müssten die bundesstaatlichen Gebäude der USA, dazu zählen Parlamentsbauten oder Gerichte, ab einer bestimmten Größe in Zukunft in einem "klassischen" Stil neugebaut oder umgestaltet werden.

Die Idee des Präsidenten gleicht einer unfreiwilligen Liebeserklärung an Europa

Der Klassizismus ist ein auf die Antike Griechenlands und die italienische Frührenaissance rekurrierende Epoche, die dem Rokoko folgte. Sie umfasst etwa den Zeitraum zwischen 1770 und 1840. Die Stilvarianten Louis-seize, Biedermeier und Empire gehören dazu, woran man schon sieht, dass die neueste Idee von Trump eine unfreiwillige Liebeserklärung an Europa ist. In Deutschland sind München (Königsplatz) und Berlin (Brandenburger Tor) Hotspots der klassizistischen Baukunst, die sich gegen das bald überbordend barocke Formvokabular und die daraus abgeleitete Prunksucht im Rokoko wendete und sich im aufklärerischen Rückgriff auf antike Vorbilder für zwar eindrucksvolle, aber schlicht organisierte Grundformen der Geometrie begeisterte.

Um 1800 wurden die Repräsentanzbauten Europas klassizistisch entworfen. Zum gleichen Zeitpunkt wurde in Washington das Weiße Haus erbaut. Übrigens aus einem Sandstein namens "Aquia Creek" und in einem Stilmix, der zwischen amerikanischem Neoklassizismus ("Federal Style") und irischem Palladianismus changiert. Ständig umgeben von Balustraden, Giebeln, Zahnschnitt, Rustika und ionischer Säulenhalle muss Trump irgendwann auf die Idee "schönerer" Häuser für die Regierung verfallen sein. Schwer zu sagen, ob er ahnt, dass sein Amtssitz einerseits dem Château de Rastignac in Frankreich und andererseits dem Leinster House in Irland bewundernd, ja demütig nachempfunden ist.

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Nun wünscht sich ausgerechnet der Präsident mit dem Slogan "Make America Great Again" Würde, Kraft und Stabilität, nämlich "dignity, vigor and stability". Es sind sowohl die politischen als auch ästhetisch-architektonischen Werte der Gründervätergeneration. Dass ausgerecht der Mann, der sein Land schon um so viel Würde gebracht hat, die Dignität am Bau einfordert, ist eine Pointe der Weltgeschichte, in der sich Politik und Architektur, Macht und Machtbehältnisse schon oft grotesk umarmt haben.

In der Tradition von Hitlers Germanoklassizismus und Stalins Zuckerbäckerstil

Die Angst vor dem Dekret ist verständlich. Seit Hitler als architektonisch berauschter Laie ebenfalls per Anweisung aus dem Führerhauptquartier aus Deutschland eine Art Germanoklassizismus-Trutzburg mit der Mindesthaltbarkeit von tausend Jahren machen wollte, ist Vorsicht geboten. Auch Stalins Zuckerbäckerklassizismus wurde zum Staatsdogma. Andererseits gibt es den Streit zwischen den Architekturstilen, der immer auch eine Debatte über die vermutete politische Haltung dahinter befeuert, schon viel zu lang, um in Panik über die drohende Trump-Tempelarchitektur zu geraten. Die Schrift "In welchem Style sollen wir bauen" stammt aus dem Jahr 1828. Noch der Streit um die rekonstruierten Teile der Frankfurter Innenstadt, die mache bejubeln und andere faschistoid finden, ist ein Erbe einer im Grunde sinnentleerten Debatte.

Die Baukunst besteht seit Vitruv schon immer aus formaler, konstruktiver oder symbolischer Innovation - während sie gleichzeitig schon immer der Tradition als Weitergabe ästhetischen Wissens verpflichtet war und ist.

Diese Dualität ist manchmal schwer zu begreifen, aber ein Merksatz von Adolf Loos hilft dabei: "Eine Veränderung, die keine Verbesserung ist, ist eine Verschlechterung." Mit anderen Worten: Wenn das zu erwartende Dekret des Donald Trump zu besseren Staatsbauten führen sollte, in welchem Stil auch immer, ist das gut. Schlecht ist, dass das bisherige Bauen des Präsidenten kaum dazu angetan ist, ihm ein Wissen um baukulturelle Qualität zu unterstellen.

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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