Architektur:Besuch bei den Architekten der Superreichen: Villa Godzilla

Giga-Mansion in Bel Air

Giga-Mansion in Bel Air.

(Foto: McClean Design)

Vier Schwimmbecken, Casino, Nachtclub, Bowlingbahn, Nagelstudio: Das aktuell teuerste Haus wird 500 Millionen Dollar kosten. Das ist aber nicht nur Reichtumsprotzerei, es kann auch die Baukultur bereichern.

Von Gerhard Matzig

Franck Ribéry, der aus dem offensiven linken Mittelfeld von Bayern München bisweilen ganz allein ein Oktoberfest macht, brauchte einen Architekten. Es ging, schon vor Jahren, um die Besichtigung einer Villa in Grünwald. Ribéry hatte es eilig. Frau und Kinder würden bald kommen. Ein für Fußballmillionäre standesgemäßes Habitat musste her.

Der Architekt erzählt: "Ribéry war begeistert von der Villa. Er hatte leuchtende Augen. Wie ein Kind." Vor allem hatte es ihm wohl das Schlafzimmer angetan, in dessen Mitte sich ein kreisrundes Bett befand. Bezogen mit rotem Satin. Von hier aus konnte man eine Remise im Garten illuminieren. Darin befanden sich Ferraris und Lambos. Bett. Lamborghini. Kinderaugen. Der Architekt nahm den Gott der linken Offensive in defensiver Absicht zur Seite und riet ihm beherzt ab.

Ribéry war zu jenem Zeitpunkt angeklagt worden, 2009 in einem Münchner Hotel Sex mit einer minderjährigen Prostituierten gehabt zu haben. Später wurde er freigesprochen. Die Ehe befand sich aber doch in einer, sagen wir, kritischen Phase. Also sprach der Architekt: "Non, Monsieur", kein Bett mit Ferrariblick. Stattdessen empfahl er ein eheerhaltendes Heim.

Palast trifft es nicht immer, wird aber von den Reichen und sehr Reichen gern so bestellt

Das gibt es also auch: ein Architekt, der "Nein" sagt zur eskapistischen Villa. Zu Hedonismus und Fiebertraum.

Das gibt es auch in Augsburg, in der Gegenwart. Man ist nun zu Besuch bei Titus Bernhard. Das ist ein Architekt, der von reichen und sehr reichen Bauherren immer häufiger um Pläne für das gebeten wird, was das Baurecht als Einfamilienhaus bezeichnet. Palast trifft es nicht immer, wird aber von den reichen und sehr reichen Bauherren trotzdem gern so bestellt.

"Villa" könnte der korrekte Begriff sein. Könnte. So einfach wie ein kreisrundes Bett ist die Sache ja nicht. Auch wenn so eines schon 1957 von Frank Lloyd Wright entworfen wurde. Nicht für den Ribéry - sondern für die Monroe.

In der Gegenwart befindet man sich im Augsburger Martinipark. Hier führt Titus Bernhard ein Architekturbüro in einem backsteinernen Fabrikgebäude. In Deutschland ist er einer der maßgeblichen Planer für zeitgenössische Villen. Die Fabrik im Park ist eine Traumfabrik.

Der goldene Schnitt ist hier keine Proportionallehre, sondern ein Geschäftsmodell

Und es ist ein Ort des Zweifels. Des Zweifels eines Baumeisters darüber, ob die Welt gerade verrückt wird. Titus Bernhard plant demnächst wieder mehr Sozialwohnungen als Villen, "sonst hält man das ja nicht aus als Architekt."

Auf der einen Seite des Büros stehen Modelle von Villen. Auf der anderen Seite lagern, umgeben jeweils von weich und weiß wallenden Vorhängen, streng geheime Grundriss-Pläne von dermaßen voluminösen Wohnzimmern, die den Verdacht nahelegen, es müsse sich bei den zukünftigen Bewohnern um Verwandte des mutierten Filmmonsters Godzilla handeln. Die Villa Godzilla ist das Haus der Stunde. Das ist jenes Stück Wolf-of-Wall-Street-Architektur, das die Welt interpretiert als einen Ort schierer Maßstabslosigkeit. Der goldene Schnitt ist hier keine Proportionallehre, sondern ein Geschäftsmodell.

Das mag sich jetzt übertrieben anhören. Irrational. Was allerdings auch kein Wunder ist. Man befindet sich schließlich in der XXL-Abteilung der Wohnarchitektur. Um aber kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Titus Bernhard ist kein delirierender Quadratmeterwahnsinniger, sondern ein feinnerviger Skulpteur, ein Plastiker und Raumkünstler von Rang. Was er baut, ist gewiss teuer (er sagt: "preiswert im Sinne von: den Preis wert"), aber meist sind seine mondänen, vom Bauhaus inspirierten und doch ganz gegenwärtigen Raumfindungen sehr gelungen. Und daher, andererseits nun: relevant für die Baukultur.

Oft sind sie anmutig und kultiviert. Bisweilen aber auch furchterregend dumm. Dazwischen liegen Welten.

Ohne die Wiener Villa von Ludwig Wittgenstein (entworfen von Wittgenstein und dem Loos-Schüler Paul Engelmann), ohne die Villa Tugendhat in Brünn oder ohne Farnsworth House (USA, beide von Mies van der Rohe entworfen), ohne die Villa Savoye in Poissy von Le Corbusier oder die Villa Malaparte auf Capri, ohne Rem Koolhaas' "Maison à Bordeaux" schließlich: Von den Palladio-Villen bis zur Gegenwart ist die Baugeschichte undenkbar ohne das Bauen für die finanzielle Elite, die im Idealfall, siehe Medici oder Fugger, auch eine kulturell inspirierende Elite ist. Leider ist es so, dass dort, wo früher Medici oder Fugger draufstand, heute Trump oder Kim Kardashian drin ist. Dennoch: Vieles, was später als Baugrammatik das allgemeine Wohnen bereichert, wird zunächst für singuläre Villen erfunden. Die Villenarchitektur ist ein Katalysator des Bauens und daher mehr als ein Sozialneid-Auslöser.

Das eine, das adipöse, fettleibige Einfamilienhaus, bezeichnet den irren Reichtum eines Individuums; das andere, die Villa im Sinne des führenden Architekturtheoretikers der Frührenaissance, Leon Battista Alberti, bezeichnet darüber hinaus auch den Reichtum einer Baukultur. Bautypologisch zählt die Villa, abgeleitet vom römischen Landsitz (lat.: Landhaus, Landgut), wie die Tempel der Antike oder die Arenen zu den Herzschrittmachern der Bauhistorie. Villen sind also keineswegs böse. Oft sind sie anmutig und kultiviert. Bisweilen aber auch furchterregend dumm. Dazwischen liegen Welten.

Es ist fast unheimlich - aber doch auch logisch: Über nichts wird in der Architektur derzeit so viel und so öffentlich diskutiert wie über billiges Wohnen und Flüchtlingsunterkünfte. Während zugleich der Markt immer größere und teurere Villen gebiert. Die große Ungleichzeitigkeit: Sie besteht auch aus Sichtbeton, Panik-Rooms und Walmdächern.

Das Bruttoinlandsprodukt eines kleinen Landes für ein einzelnes Haus

Alberti schreibt in seinem legendären Werk "Villa": Mit den Villen "ist es wie mit Kindern: eine ist zu wenig, zwei sind genug und drei sind zu viel". Er scheint unsere Zeit schon im 15. Jahrhundert vorweggenommen zu haben: Villen werden heute gesammelt wie, nein, leider nicht wie Kinder, sondern wie früher die Ferraris. Die Welt hat eindeutig an Nullen zugelegt.

Übrigens ist Titus Bernhard beispielsweise gegen den englischen Architekten John Pawson ein Meister des Low-Budget-Bauens. Pawson, ein begnadeter Selfmade-Architekt, hat einmal eine Villa für 80 Millionen Pfund gebaut. Das sind umgerechnet gut 92 Millionen Euro. Die dazugehörige Familie besteht aus wenigen Menschen.

Das ist trotzdem noch sozialer Wohnungsbau gegen das, was der amerikanische Designer Paul McClean aktuell in Los Angeles verwirklicht: das nach US-Medienberichten "teuerste Haus der Welt". Was liebevoll "Giga-Villa" genannt wird und in Bel Air aus 6900 Quadratmetern Wohnraum, vier Schwimmbecken, IMAX-Kino, Casino, Nachtclub, Bowlingbahn, Fitnessareal, Nagelstudio und zweistöckigem Wasserfall besteht, soll demnächst fertig werden und 500 Millionen Dollar kosten.

Da gibt einer das Bruttoinlandsprodukt eines kleinen Landes für ein einzelnes Haus aus und baut sich ein Nagelstudio wie hinterm Bahnhof hinein. Wie traurig. Der Eigentümer dieses Hauses muss allerdings nie wieder hinaus in die Welt. Er hat sich sein eigenes Universum und seine eigene Parallelgesellschaft geschaffen.

Und doch ist dieses unfassbare Objekt ein Schnäppchen gegen das, was in Europa als "teuerstes Haus der Welt" gilt. Zwischen Nizza und Monaco wurde vor einigen Monaten ein Anwesen auf eine Milliarde Dollar taxiert. Das ist doppelt so teuer wie das bewohnbare Nagelstudio. Im Reich der Superreichen gibt es bald jede Woche eine neue Meldung mit der Überschrift "Das teuerste Haus der Welt steht in ..."

"Eine Villa ist daran zu erkennen, dass man das Haus nicht sieht, wenn man das Grundstück betritt."

Das teuerste Haus Deutschlands steht auf Sylt. Jedenfalls im Verhältnis zur Größe betrachtet. Das 30 Quadratmeter große Haus wurde bereits für 6,3 Millionen Euro zum Kauf angeboten. Ansonsten stehen die teuersten Villen Deutschlands, meist verborgen hinter riesenhaften Anti-Mexiko-Mauern, in München, Hamburg und Berlin. Die Villa war früher reine Land-Architektur; heute, im urbanistischen Zeitalter, ist sie ein Kind der Ballungsgebiete.

Bizarr ist, dass es viele neue Bücher zum Thema "Minihäuser" gibt. Man überbietet sich darin, auf immer noch kleinerem Raum zu leben - während gleichzeitig megalomane Monsterbauten entstehen. Wobei "groß" noch kein Maßstab für die Frage ist, was eine Villa zur Villa macht. Paul Kahlfeldt sagt: "Nach englischen Maßstäben gibt es in Deutschland kaum Villen."

"Wieso das?"

"Weil eine Villa daran zu erkennen ist, dass man das Haus nicht sieht, wenn man das Grundstück betritt."

"Bitte?"

"Man kann die Villa nicht sehen, sie ist einfach noch viel zu weit entfernt."

Es gibt Aussegnungshallen, die wie Villen aussehen - und umgekehrt

Das Berliner Architekturbüro von Paul und Petra Kahlfeldt ist ebenfalls gefragt im Betongold-Boom jener Villen, den die weltweite Niedrigzinspolitik zumindest mitverursacht. Die Kahlfeldts befassen sich aber nicht mit der klassischen Moderne des Bauhauses - sondern in einem gewissen formalen und auch intellektuellen Sinn mit dem Gegenteil. Also mit der Moderne großbürgerlicher Jahrhundertwende-Architektur. Mit plastischem Dekor, Walmdach, Eingangshalle und Säulenvorbau. Mit traditioneller Raumfolge und eher mit größeren Musik- oder Ankleidezimmern - als mit größerem Schwitzgerätefuhrpark. Mit einem seiner Bauherren hat Paul Kahlfeldt einmal eine ganze Woche lang Palladio-Villen in Italien bereist. Das war eine Art Propädeutikum. Bezahlt vom künftigen Villenbesitzer als Eintrittsgeld in die Sphären der Baukunst.

Thomas Dibelius, ein renommierter Villen-Architekt aus Hamburg, der unter anderem für die Rekonstruktion der Thomas-Mann-Villa in München zuständig war, bestätigt: "Unsere Bauherren sind nicht allein an schierer Quantität interessiert, sondern an der Qualität von Räumen." Das herumvagabundierende Geld, das auch nach Ansicht von den auf Edelimmobilien spezialisierten Agenturen (von Poll etwa - oder Duken & v. Wangenheim) derzeit den Villen-Boom vor allem im süddeutschen Raum befeuert wie nie zuvor, begünstigt aber dennoch nicht immer Baukunst. Sondern manchmal auch die Groteske.

Die Aussegnungshalle, die der Architekt Andreas Meck vor einigen Jahren im Münchner Osten realisiert hat, geriet so schön, dass ein Automobilhersteller in einem Werbespot gierig darauf zugriff. Man zeigte die Aussegnungshalle im Clip als glamouröse und mondäne Partyvilla. Dabei ist es umgekehrt. Viele Villen sind heute zu groß geratene Aussegnungshallen.

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