Architektur als Schlankmacher:Wolkenkratzer der Kalorien

Ist es das Fastfood, sind es die Gene? Nein, die Bauart der Städte macht die Menschen immer dicker. In England sollen jetzt Architekten die allgemeine Fettsucht bekämpfen.

Gerhard Matzig

Stepper sind Fitnessgeräte, die wie Treppen aussehen. Heimtrainer äffen das Fahrrad nach. Und das Laufband behauptet schon mal, es sei der Weg von Marathon nach Athen. Stepper, Heimtrainer und Laufbänder verkaufen sich im Zuge der Fitnesswelle wie geschnitten Brot, das übrigens immer öfter wieder selbst geschnitten wird.

Stefan Minten schlank architektur

Energieintensive Nutzung der Stadtarchitektur: Treppenläufer Stefan Minten am Berliner Alexanderplatz.

(Foto: Foto: dpa)

Abseits der insofern leider aus der Mode gekommenen Brotschneidemaschinen gibt es also immer mehr Geräte, die ein gesund-bewegtes Leben einerseits imitieren - und andererseits erst ermöglichen. Ein Leben, das theoretisch aber auch aus Treppensteigen, Fahrradfahren oder Zufußgehen bestehen könnte.

Das tut es jedoch nicht. Die offenbar unabhängig vom Stepper-Boom sich geradezu epidemisch ausbreitende Fettsucht moderner Gesellschaften belegt dies auf gewichtige Weise. Und auch das Brotschneiden aus eigener Kraft lässt die Weltgesundheitsorganisation nicht daran zweifeln, dass es allein in Europa bis zum Jahr 2010 rund 150 Millionen Erwachsene und 15 Millionen Kinder oder Jugendliche geben wird, die an Adipositas leiden: an krankhafter Fettleibigkeit.

Vor allem Fastfood sei daran schuld, sagen nun die einen. Die Gene sind es, wissen allerdings andere. Und die Briten haben soeben nach einem Bericht des "Guardian" zwei weitere Verantwortliche im Reigen der Multikausalität entdeckt: Architektur und Städtebau. Die moderne Baukunst als geheimer Dickmacher?

So geheim ist sie nun auch wieder nicht. Seit Aufzüge, autogerechte Städte oder U-Bahnen erfunden wurden, seit Einkaufszentren, Flughäfen oder Büros als Orte "der kurzen Wege" erbaut werden, war absehbar, dass man sich in solchen Strukturen immer weniger selbst bewegt. Man wird bewegt.

Spar dir den Stepper!

Auch der globalistischste, mobilste und allerlei Meetings heimsuchende Manager sitzt sich auf dem Weg von A nach B und zurück über C im Grunde nur den Hintern platt. Vielfliegermeilen verdienen sich ehrlicherweise nur Flugzeuge. Und zuhause ist man dann umgeben von Kühlschränken, die sich per Internetanschluss und UPS selbst auffüllen. Oder von Fenstern, deren Molekularstruktur auf Knopfdruck so durchlässig gemacht werden kann, dass der Wind ins Zimmer weht, ohne dass man es öffnen müsste. Das ist die Zukunft des intelligenten Wohnens.

Dagegen fordern die Briten Häuser und Städte, die "gesundheitsfördernd", also "energieintensiv" sind. Gemeint sind damit einerseits mehr Parks, die dazu einladen, in ihnen spazieren zu gehen. Das ist vernünftig.

Aber andererseits wünscht man sich auch Büro- oder Kaufhäuser, die vor allem aus pompösen, architektonisch aufgewerteten Treppen bestehen sollen, in denen aus Gründen der Mobilisierung auch Musik aus dem Lautsprecher zu hören wäre. Das nun ist töricht. Liftmusik ist bisher eines von zwei Motiven, ins Treppenhaus zu wechseln. Das zweite besteht darin, sich den Stepper zu sparen.

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