Architekten gefunden:Steppe der Erinnerung

Ende der Querelen um die Berliner "Topographie des Terrors"? Ursula Wilms und Heinz W. Hallmann haben den neuen Wettbewerb gewonnen.

Jens Bisky

Im Jahr 2009 könnte die Stiftung "Topographie des Terrors" endlich ihr neues Dokumentationszentrum in Besitz nehmen. Wie es aussehen wird, ist seit gestern ungefähr bekannt. Aus 309 Entwürfen, die 2005 eingereicht wurden, hatte man 23 für die Endrunde des Wettbewerbs ausgewählt. Am Dienstagabend dieser Woche einigte sich die Jury, den ersten Preis an die Architektin Ursula Wilms aus dem Berliner Büro Heinle, Wischer und Partner und den Landschaftsarchitekten Heinz W. Hallmann zu verleihen.

Topographie des Terrors

Der Gewinnerentwurf: Architektin Ursula Wilms gestaltet das neue Dokumentationszentrum der NS-Verbrechen.

(Foto: Foto: SZ)

Ihr Entwurf ist vor allem durch Zurückhaltung gekennzeichnet, durch den Verzicht auf große Gesten, überwältigende Effekte. Der Neubau, so heißt es im Konzept, sei "ohne jegliche Interpretationsversuche der geschichtlichen Orte wie auch ohne jegliche ,Eigendarstellung' in der Architektursprache gestaltet".

Besonders diese programmatische Bereitschaft zur Zurücknahme mag die Preisrichter, unter ihnen die einstige Kulturstaatsministerin Christina Weiss, der Berliner Kultursenator Thomas Flierl, Architekten sowie der geschäftsführende Direktor der Stiftung, Andreas Nachama, überzeugt haben. Schließlich kann die Stiftung auf einen jahrelangen Kampf mit dem selbstbewussten, zu Kompromissen kaum aufgelegten Künstlerarchitekten Peter Zumthor zurückblicken, einen Kampf, unter dem der Ruf der "Topographie" gelitten hat und dem beinahe das gesamte Unternehmen zum Opfer gefallen wäre.

Demut vor dem Gelände

Zumthor hatte mit seinem Entwurf, einer kühnen, Neues erprobenden Stabkonstruktion 1993 den Wettbewerb gewonnen, 1997 begann man mit dem Bau, beteiligte Firmen gingen pleite, die Kosten explodierten, seit dem Jahr 2000 wurde auf dem Gelände überhaupt nicht mehr gebaut. Etwa 14 Millionen Euro hatte man ausgegeben, aber nur drei Treppentürme, 19 Meter hoch, waren errichtet worden. Während die Senatsbauverwaltung durch Missmanagement brillierte, Stfitung und Architekt sich stritten und die Öffentlichkeit mal wütend, mal spottend auf eine Entscheidung wartete, verfielen die Türme.

Als der wissenschaftliche Direktor der Stiftung, Reinhard Rürup, im Frühjahr 2004 seinen Rücktritt erklärte, sah sich die Kulturstaatsministerin zum Eingreifen veranlasst. Zumthor verlor den Auftrag, der Bund wurde Bauherr, die Türme wurden abgerissen, ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben. Alle forderten Demut vor dem Gelände, auf dem einst die Gestapo und das Reichssicherheitshauptamt residiert hatten. Es sei, hieß es immer wieder, das eigentliche Exponat.

Davon geht auch der Siegerentwurf aus, ohne die Bescheidenheit zu übertreiben. Man will dem Gelände bewusst eine erkennbare, "neue Schicht" hinzufügen. Diese aber soll vor allem "die früheren Zeugnisse zur Geltung bringen". Für das Dokumentationszentrum, das Ausstellungsräume, eine Bibliothek, eine Cafeteria und einen Veranstaltungssaal enthalten soll, ist ein Baukörper vorgesehen, der sich leicht vom Gelände absetzt und lediglich eingeschossig über dem Boden erhebt.

Der wissenschaftliche Bereich soll im Untergeschoss untergebracht werden. Aus dem Gebäude kann man vielfach auf das Gelände schauen, seine Transparenz ist "von innen nach außen gedacht". Der Kubus wird eine helle Metallgeflechtfassade erhalten. Dadurch, so glaubt Andreas Nachama, erhalte der "Lernort" die ihm angemessene Würde. Das gesamte Gelände soll einen "steppenartigen Charakter" erhalten, mit einer Bodenschicht aus einem Kies-Sand-Gemisch bedeckt werden, in dem niedrige Gräser und wenige Kräuter gedeihen. Papier-Birken werden die "Topographie" gegen die Wilhelmstraße abgrenzen.

Provisorische Ausstellung

Der Entwurf lässt der Stiftung, die aus einer Bürgerinitiative hervorgegangen ist, viel Freiheit, den Rundgang und die Ausstellung zu gestalten. Dass sie sich professionalisieren müsse, ist ihr im vergangenen Jahr häufig empfohlen worden. Nun hat sie Gelegenheit dazu. Ende 2006, Anfang 2007 könnte mit den Bauarbeiten begonnen werden. Der Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der die Entscheidung gestern begrüßte, könnte dann zwei Jahre später den Neubau eröffnen. Der Bund und das Land Berlin teilen sich die Kosten, insgesamt sollen nicht mehr als 38 Millionen Euro ausgegeben werden.

Wird, und es sieht so aus, als ob dies möglich wäre, dieser Entwurf realisiert, wird die "Topographie des Terrors" keine so einzigartige Architektur wie das Jüdische Museum oder das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas aufweisen. Dies ist gewiss kein Nachteil, geht es doch an dieser Stelle darum, über die Täter und die Organisation der Verbrechen zu informieren.

Die noch immer provisorische Ausstellung, deren Einrichtung 1987 gegen West-Berliner Kleingeist erstritten worden war, hatte im vergangenen Jahr 390 000 Besucher. Der zweite Preis ging an Ramsi Kusus und Frank Kiessling aus Berlin, es wurden auch zwei vierte Preise vergeben. Im März werden die eingereichten Entwürfe im benachbarten Martin-Gropius-Bau gezeigt.

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