Architektur in der Klimakrise:Archidrecktur

Architektur in der Klimakrise: Unschön: Gut vier Milliarden Tonnen Zement werden im Jahr hergestellt. Dabei entstehen rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen.

Unschön: Gut vier Milliarden Tonnen Zement werden im Jahr hergestellt. Dabei entstehen rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen.

(Foto: Susan Norwood/mauritius images / Alamy)
  • Obwohl viele Architekten sich zum Klimaschutz bekennen, bleibt Bauen in weiten Teilen extrem umweltschädlich.
  • Die "Architects for Future" wollen das ändern. Das Problem: Klimafreundlicher zu bauen, bedeutet oft nicht die schnelle, günstige Lösung zu wählen, sondern die teure, aufwendigere.

Von Laura Weißmüller

Unter den Künsten ist ziemlich schnell klar, wer den schwarzen Peter in puncto Weltzerstörung hat: die Architektur. Das Bauen und Unterhalten von Gebäuden verursacht 40 Prozent der globalen CO₂ -Emissionen. Die Klimabilanz von Beton ist fatal, der Bauboom sorgt für einen gewaltigen Flächenfraß - allein in Deutschland werden pro Tag über 60 Hektar Boden versiegelt - und die Gebäude selbst führen nach ihrem Abbruch zu gewaltigen Müllbergen, viel zu oft wird abgerissen statt saniert.

Bei einer derart schlechten Bilanz könnte man vermuten, dass die Architekturwelt nur noch ein Thema kennt: so zu bauen, dass sie dem Planeten nicht noch mehr schadet. Doch bei den Architekten verhält es sich wie beim Rest der Gesellschaft: "Die Mehrheit beschäftigt sich nicht ernsthaft mit ökologisch nachhaltigem Bauen, und gerade die ältere Generation hält es für utopisch", sagt Johanna Wörner. Die Berliner Architektin engagiert sich für Architects for Future, weil nichts weniger als "eine Revolution notwendig ist". Der freie Zusammenschluss aus Architekten und Bauingenieuren hat sich diesen Juni in Wuppertal gegründet und hat mittlerweile 16 deutsche Ortsgruppen sowie jeweils eine in der Schweiz und in England. Sie fordern die Baubranche auf, endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden, etwa indem nur noch gesunde und klimapositive Materialien verwendet werden, ein Abriss möglichst verhindern wird und falls er doch unumgänglich ist, die Rohstoffe zumindest wiederverwendet werden.

Obwohl das Interesse an dem Thema gestiegen sei, fehle es an der Umsetzung, so Wörner. Das habe auch mit der Ausbildung zu tun. "Für viele Studenten ist nachhaltige Planung noch ein Randthema, mit dem man sich nicht beschäftigen muss. Entsprechende Kurse sind an deutschen Universitäten nach wie vor rar und häufig nur Wahlfächer, dabei müsste ökologisches Bauen integrativer Teil jedes Kurses sein."

Wer ernsthaft nachhaltig bauen will, muss auch mal Aufträge ablehnen

Fehlende Kenntnisse sind das Eine, noch stärker dürfte aber der fehlende Wille zum Verzicht dafür sorgen, dass der Wandel in der Architektur bislang ausblieb. Denn klimafreundlicher zu bauen, bedeutet oft auch nicht die schnelle, günstige Lösung zu wählen, sondern die teure, aufwendigere. Bedeutet bürokratische Hürden zu nehmen und Sondergenehmigungen einzuholen, etwa wenn man mit dem ältesten, klimafreundlichsten Baustoff der Welt, dem Lehm, arbeiten will. Das kostet wiederum Zeit und Geld und braucht nicht zuletzt einen Bauherren, der dazu bereit ist.

Schließlich: ökologisch nachhaltig zu bauen - das kann eben auch bedeuten, gar nicht zu bauen und Aufträge abzulehnen. Dies fällt den meisten schwer. Das ist auch ein Grund, warum Architects for Future die Initiative "Architects Declare" recht kritisch sehen. Im Mai hatten britische Architekten den "Klima- und Biodiversitätsnotstand" ausgerufen und einen Paradigmenwechsel eingefordert. Hunderte von Büros haben unterschrieben, große Namen sind darunter, seit vergangener Woche gibt es auch einen deutschen Ableger. Die weltweite Diskussion, die das in Gang gesetzt habe, sei zwar wichtig, reiche aber nicht. "Wir haben nicht mehr die Zeit, vage Manifeste auszurufen", so Wörner. Noch dazu, wenn die teilnehmenden Architekten nicht unbedingt das tun, was sie selbst fordern. Zaha Hadid Architects und Foster + Partners, die die Deklaration unterschrieben haben, annoncierten jeweils erst kürzlich wieder riesige neue Flughafenprojekte. "Gerade solche bekannten Büros müssen nicht jeden Auftrag annehmen", sagt Wörner. Sie sollten als Vorbild vorangehen, denn: "Jedes Gebäude macht einen Unterschied."

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