Süddeutsche Zeitung

Anzügliche Filmplakate aus den Fünfzigern:Und ewig lockt die Sünde

Das Bild der prüden Nachkriegszeit bekommt Risse: In der Ausstellung "Die erotischen 50er" zeigt das Filmhaus Wiesbaden Filmplakate und Filme, die den Massengeschmack trafen - auch wenn die damaligen Moralhüter sie als anstößig empfanden. Zur Not musste Brigitte Bardots Dekolleté verkleinert werden.

Johannes Schnös

Das Idyll der Wirtschaftswunderzeit der Fünfziger Jahre war weniger prüde als bisher angenommen. Filmemacher führten einen ständigen Kampf gegen die Moralaufseher der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK). In der Ausstellung "Die erotischen 50er" zeigt das Deutsche Filmhaus in Wiesbaden nun Filmplakate, die mit viel nackter Haut und eindeutigen Filmtiteln potentielle Kinobesucher anlocken sollten.

Das Kino der strengen Adenauer-Zeit reflektierte dabei auch den Zeitgeist und Zustand der damaligen Gesellschaft. "Das Kino zeigt Verborgenes, Verdrängtes", sagte Ernst Szebedits, Vorstand der Friedrich-Willhelm-Murnau-Stiftung am Dienstag zur Eröffnung der Ausstellung. Die Wiesbadener Filmstiftung verwahrt einen bedeutenden Teil des deutschen Filmerbes, insbesondere Filme aus dem Zeitraum 1920 bis 1960.

Parallel und passend zur Ausstellung im Deutschen Filmhaus zeigt die Murnau-Stiftung besonders skandalträchtige Kinofilme der Zeit (Programm: hier). Ganz vorne auf der Zensurliste der Moralhüter stand "Die Sünderin", ein Film, der Hildegard Knef zu Beginn der Fünfziger-Jahre berühmt machte.

Der Skandal um den Film beruhte nicht nur auf einer kurzen Nacktszene der Berliner Schauspielerin, sondern vor allem auf der Thematisierung der Tabuthemen Selbstmord und Prostitution. Damals wie heute gilt: Gerade der Aufschrei der Tugendwächter lockt das Publikum in die Kinosäle.

Besonders deutlich wurde dies bei "Lola Montez". Der Film aus dem Jahr 1955 von Max Ophüls erzählt das Leben der legendären englischen Tänzerin, der Affären mit Franz List und Ludwig I., König von Bayern nachgesagt wurden. Der mit sieben Millionen Mark bis dahin teuerste Film der Nachkriegsgeschichte gilt als Meisterwerk seiner Zeit und besticht vor allem durch seine Sinnlichkeit.

Durch Rückblenden und die Verwendung des Farbfilms war das Werk seiner Zeit weit voraus - zu weit: Ein "großer Wurf - aber ein großer Wurf daneben", hieß es damals, am 12. Januar 1955 in der Rezension von Friedrich Luft in der Süddeutsche Zeitung. Auch beim Kinopublikum fiel das Werk durch, zu groß waren die lüsternen Erwartungen der Kinogänger angesichts der Plakate, die mit dem tiefen Ausschnitt der Hauptdarstellerin Martine Carol warben. Doch statt eines "Bein- und Busenfilms" schuf Ophüls ein tiefgehendes, komplexes Werk.

Doppelmoral der Nachkriegszeit

Die Doppelmoral der deutschen Nachkriegsgesellschaft wird schließlich 1958 in "Das Mädchen Rosemarie" aufgegriffen. Regisseur Rolf Thiele hält der deutschen Gesellschaft der fünfziger Jahre einen Spiegel vor und inszeniert Darstellerin Nadja Tiller als junges Mädchen, die sich in einer Welt frivoler Partys und unmoralischer Angebote wiederfindet. Der Film entlarvt die moralischen Normen des Bürgertums als Fassade und bildet ein dunkles Gegenbild zu den heiteren Heimatfilmen der Zeit.

Die Ausstellung beweist, wie hartnäckig der Grabenkampf um Moral und Anstand zwischen offiziellen Stellen und Kunstschaffenden in den fünfziger Jahren geführt wurde. Oftmals blieb die FSK bei einem Verbot von zu anzüglichen Motiven. Selbst nach einer Retusche des Dokolletés von Brigitte Bardot durfte eine Werbefoto für den Film "Gier nach Liebe" von 1955 nicht gezeigt werden.

Ähnliches widerfuhr Curd Jürgens im Jahr 1961 als eine nackte Rückenansicht von ihm als anstößig empfunden wurde. Den Besitzern der Kinos wurde nachträglich auferlegt, den Rücken von Jürgens auf den Plakaten mit einem schwarzen Hemd zu bekleben. Der Titel des Films, und das gilt gleichsam für das Heute, spiegelt das Dilemma zwischen Moral und Mediengesellschaft wider: "Und ewig lockt die Sünde".

Ausstellung "Die erotischen Fünfziger" im Deutschen Filmhaus in Wiesbaden bis 31. Oktober 2011. Parallel dazu zeigt die Friedrich-Willhelm-Murnau-Stiftung die Filme zu den Plakatez in Sondervorstellungen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1148042
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dpa/js/pak
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.