Anwärter auf den Literaturnobelpreis 2014:Gefeiert und verbannt

Die eine befasst sich mit der erotischen Selbstfindung arabischer Frauen, der andere mit der Sexualität männlicher Juden. Manche werden gefeiert, andere wurden in die Isolation gezwungen. Die Favoriten für den Literaturnobelpreis könnten unterschiedlicher kaum sein.

Ein Überblick.

10 Bilder

Peter Nadas

Quelle: dpa

1 / 10

Die eine befasst sich mit der erotischen Selbstfindung arabischer Frauen, der andere mit der Sexualität männlicher Juden. Manche werden seit Jahren gefeiert, wieder andere zwang ihr Werk in die Isolation. Die Favoriten für den Literaturnobelpreis im Überblick.

In die diesjährige Top Ten des wichtigsten Buchmachers der Welt, Ladbrokes in London, haben es Literaten aus vier Kontinenten geschafft, nur Australien fehlt ganz vorne. Der 9. Oktober wird zeigen, ob einer von ihnen das Rennen macht: Rang 10 bis 1 vor der Entscheidung (Veränderungen der Wetten in letzter Minute finden sich hier).

Rang 10 bei Ladbrokes: Péter Nádas

Geboren 1942 in Budapest, Ungarn

Péter Nádas wuchs in der ungarischen Hauptstadt auf, seine erste Erinnerung daran ist ein Bombenangriff, er erlebte den Aufbau des sozialistischen Staates und den Aufstand 1956. In den 1960er Jahren studierte er Chemie und schrieb und fotografierte für die Presse. Sein erster Band mit Erzählungen erschien 1967. Von 1969 an wurde Nádas aus der literarischen Öffentlichkeit ausgeschlossen. Sein Romandebüt "Ende eines Familienromans" fiel bis 1977 jahrelang der Zensur zum Opfer - Nádas galt dem System als unerwünscht.

Der Autor reagierte auf seine Weise. Seit vielen Jahren lebt er mit seiner Frau hauptsächlich im winzigen Dorf Gombosszeg, mehrere Stunden von Budapest entfernt, abgeschieden zunächst vom Regime, inzwischen aber auch von der Intellektuellenszene der Metropole. Die Besucher und Kameras, die er in den vergangenen Jahren in dieses Refugium gelassen hat, haben den Eindruck von fast unwirklicher Ruhe und Strenge beschrieben, die das Entstehen seiner Monumentalwerke "Buch der Erinnerung" (1986) und "Parallelgeschichten" (2005) wohl erst ermöglicht haben.

An den "Parallelgeschichten" - einer hochkompliziert verschachtelten Reise durch die Orte und Momente zweier Familiengeschichten - arbeitete der Autor 18 Jahre lang. Während dieser Zeit blieb einmal sein Herz minutenlang stehen - diese Erfahrung und wie sie ihn verändert hat, beschreibt Nádas in seinem Buch "Der eigene Tod". 2012 erschienen schließlich die 1728-seitigen "Parallelgeschichten" in deutscher Übersetzung. Sie gelten den einen als unlesbar und werden von anderen als krönender Abschluss der Romantradition des 20. Jahrhunderts gepriesen.

Péter Nádas im März 2012 bei der Leipziger Buchmesse.

-

Quelle: Imago Stock&People

2 / 10

Rang 9: Jon Fosse

Geboren 1959 in Haugesund, Norwegen

Für die FAZ ist er der "Minimalist unter den europäischen Dramatikern" - der Norweger Jon Fosse. Der Autor von Romanen wie "Rot, Schwarz" (über die Wirren eines Halbwüchsigen) oder "Melancholie I und II" (über den Maler Lars Hertevig, einen entfernten Verwandten Fosses) hat seine größten Erfolge mit Bühnenstücken gefeiert.

Die Handlungen kreisen dabei immer wieder um Sprachlosigkeit, Einsamkeit, Traurigkeit und Scheitern. Das Stück "Traum im Herbst" etwa wurde von der SZ als "Todesmeditation so wahr und fragwürdig wie jede Existenzphilosophie" beschrieben. In "Die Nacht singt ihre Lieder" weiß ein junges Paar sich nichts mehr zu sagen, das Stück "Der Name" hat ein ähnliches Thema.

Fosse, der tief von der norwegischen Fjordlandschaft geprägt zu sein scheint, seine Stücke aber nicht autobiografisch verstanden wissen will, wurde bereits als Beckett des 21. Jahrhunderts gefeiert. Doch nicht alle überzeugt Fosses Stil, in der FAZ hieß es auch schon einmal: "Fosse ist langweilig, dieser Kulturkaiser ist nackt".

Jon Fosse im September 2005 in Berlin.

FRANCE-ALGERIA-CULTURE

Quelle: AFP

3 / 10

Rang 8: Assia Djebar

Geboren 1936 als Fatima-Zohra Imalayène in Cherchell, Algerien

Ihr Künstlername stammt vom arabischen "djebbar" ("unversöhnlich"): Assia Djebar galt in jungen Jahren als algerische Françoise Sagan und wurde 2006 in der elitären Academie Française das erste Mitglied aus den ehemaligen nordafrikanischen Kolonien.

Ihr Werk umfasst Romane, Essays, Erzählungen, Filme, Bühnenstücke und Übersetzungen. Die Akademikerin, die einst wegen ihrer Teilnahme an Protesten gegen die französische Kolonialpolitik von der Universität von Sèvres geworfen wurde, kann heute auf eine lange Dozentenkarriere an Instituten auf der ganzen Welt zurückblicken, von Rabat, Algier und Paris bis Rotterdam, Cambridge und New York.

Angefangen mit ihrem Romandebüt "Durst" 1957 wagte sich Djebar immer wieder an das Thema der erotischen Selbstfindung arabischer Frauen und befasste sich mit Geschlechterrollen in islamischen Gesellschaften. Die Geschichte ihrer Heimat Algerien aus weiblicher Sicht inspirierte sie zu einem ganzen Romanzyklus. 2000 erhielt Djebar den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, laut Jury hatte sie "ein Zeichen der Hoffnung gesetzt für die demokratische Erneuerung Algeriens, für den inneren Frieden in ihrer Heimat und für die Verständigung der Kulturen".

Assia Djebar im Juni 2006 in Paris bei ihrer Aufnahme in die Academie Française.

Author Philip Roth poses in New York

Quelle: REUTERS

4 / 10

Anwärter auf den Literaturnobelpreis 2014:Anwärter auf den Literaturnobelpreis 2013

Rang 7: Philip Roth

Geboren 1933 in Newark, New Jersey, USA

Eines ist zum Running Gag des Literaturnobelpreises geworden: Dass Philip Roth ihn wohl nie mehr bekommen wird. Der US-Amerikaner steht seit so vielen Jahren auf den Listen der Anwärter, dass kaum jemand mehr damit rechnet, die Prophezeiung könnte noch in Erfüllung gehen. Ebenfalls seit langem favorisiert werden Starautoren wie der Tscheche Milan Kundera oder der Israeli Amos Oz. Doch Philip Roth hat es in diesem Jahr immerhin mal wieder unter die Top 10 gebracht.

Als Kind jüdischer Eltern studierte Roth Anglistik und wirkte danach als Dozent für englische Literatur an verschiedenen Hochschulen wie der Princeton University oder der University of Pennsylvania. Ab Ende der Fünfzigerjahre begann er im Nebenberuf mit dem Schreiben.

Als ungewöhnlich produktiver Autor legte er zahlreiche Romane, Erzählungen und Essays vor, die sich vor allem um das jüdische Leben in den USA und dessen spezifische Verwicklungen drehen, aber auch dem Leben der US-Gesellschaft auf der Spur sind, etwa der Ideologie der "political correctness".

Bereits für sein literarisches Debüt "Goodbye, Columbus" (1959) erhielt Roth den "National Book Award", eine der höchsten literarischen Auszeichnungen der USA. Internationale Bekanntheit erreichte er mit dem Bestseller "Portnoy's Complaint" (1969), in dem die erwachende Sexualität eines jungen Juden in den USA dargestellt wird. Zwischen den späten Siebzigerjahren und den frühen Nullerjahren des neuen Jahrtausends schrieb Roth ganze Roman-Zyklen (die "Zuckermann-Trilogie" sowie die "USA-Trilogie") sowie etliche autobiografische Fiktionen (wie "Deception" und "Patrimony"), wobei er immer wieder mit höchsten Preisen (Pulitzer-Preis für "American Pastoral", 1997) ausgezeichnet wurde. In seinem Spätwerk ab 2001 kreist Roth obsessiv um den Themenkomplex Alter und Tod. "Ich könnte nichts Lustiges mehr schreiben, selbst wenn ich es wollte", bekannte er in einem Interview, das der frühere Kulturstaatsminister Michael Naumann für die Zeit 2009 mit ihm führte.

Philip Roth 2010 in New York.

Arabischer Dichter Adonis

Quelle: dpa

5 / 10

Rang 6: Adonis

Geboren 1930 als Ali Ahmad Esber in Qassabin bei Lattakia, Nordsyrien

Als einziger Lyriker steht in diesem Jahr der syrisch-libanesische Intellektuelle Adonis in den Top Ten von Ladbrokes. Er gilt als größter arabischsprachiger Dichter des 20. Jahrhunderts und zählt schon seit Langem zu den Spitzenkandidaten für den Nobelpreis.

Der 84-Jährige heißt mit bürgerlichem Namen Ali Ahmad Said. Nach dem schönen Jüngling aus der griechischen Mythologie benannte er sich als Siebzehnjähriger - weil er hoffte, seine Liebesgedichte so besser verkaufen zu können. Doch der Adonis-Mythos vom wiederauferstandenen Jüngling steht auch für eine weltanschauliche Erneuerung, wie Ali Ahmad Said sie sich schon immer für die arabische Welt wünschte. Sein Gedichtzyklus "Die Gesänge Mihyars des Damaszeners" (1963) gilt als das arabische Pendant zu Nietzsches "Also sprach Zarathustra".

Was ihn als Nobelpreiskandidaten gerade jetzt so interessant macht, ist neben seiner sinnlichen Dichtung sein politisches Engagement für Laizismus und Demokratie in der arabischen Welt. Kritisch gegenüber der Religion und versiert im Rückgriff auf die oft tabulosen klassischen arabischen Dichter steht Adonis für die Sehnsucht nach einem weltoffenen, modernen Orient. Den Umbrüchen des "Arabischen Frühlings" stand er von Anfang an skeptisch gegenüber, was ihm viel Kritik von Aktivisten und anderen Intellektuellen einbrachte. Er lebt seit vielen Jahren im Exil in Paris.

Adonis im Jahr 2004

LITTERATURE-MODIANO

Quelle: AFP

6 / 10

Rang 5: Patrick Modiano

Geboren 1945 in Boulogne-Billancourt, Frankreich

Als Sohn jüdischer Eltern in einen Vorort von Paris hineingeboren, besuchte Patrick Modiano Internate in Biarritz, Chamonix und Barbizon und war in Paris auf dem Lycée Henri-IV. Er übte nie einen anderen Beruf als den des Schriftstellers aus.

Mit 22 Jahren begann er als freier Autor in Paris zu schreiben. Seine Leser und Kritiker schätzen den Charme, die Lakonie und philosophische Tiefe seiner Prosa. Modianos Erzählungen spielen zumeist in den 1940er und 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts, besonders die Besetzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland bestimmt häufig seine Bücher. Sein Werk ist von der Beziehung zu seinem jüdischen Vater bestimmt, der während der deutschen Besetzung unter falschem Namen in einem Versteck lebte und dubiosen Geschäften nachging.

Bekannt wurde Modiano bereits 1968 durch die Veröffentlichung seines Romans "La place de l'étoile", eine aufsehenerregende Parodie des Antisemitismus. 1972 erhielt er für seinen Roman "Les boulevards de ceinture" (deutscher Titel: "Außenbezirke") den "Grand Prix du Roman" der Académie Française und 1976 den "Prix des Libraires" für seinen Roman "Villa triste", der nach Kritikermeinung unverkennbar in der Nachfolge des Nouveau Roman stand.

Seither hat Modiano 23 Bücher vorgelegt, die von der Literaturkritik häufig als Meisterwerke gefeiert wurden. Zu den Preisen, die er gesammelt hat, zählen unter anderem der renommierte Prix Goncourt und der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur, den er 2012 erhielt. Die Literaturkritikerin Ina Hartwig würdigte Modiano damals als "grandiosen Erzähler", dessen Sprache "durch eine klassische Balance, Proportion, Komposition" besteche und dessen Faible für Namenslisten, Polizeiprotokolle, alte Zeitungen und Landkarten seinen Büchern "die Aura des Archivarischen" verleihe.

Patrick Modiano 2003 in Paris

Anmerkung: Modiano wurde von der Schwedischen Akademie zum Preisträger 2014 gekürt. Weitere Informationen finden Sie hier.

Ismail Kadare promotes new book

Quelle: dpa

7 / 10

Rang 4: Ismail Kadare

Geboren 1936 in Gjirokastra, Albanien

"Ich war Albaner, ich bin Albaner, und ich werde es bis zu meinem Tod sein. Ich habe zwar zwei Pässe und wohne gleichermaßen in Paris wie in Tirana. Das ändert aber nichts daran, dass ich nie etwas anderes als ein Albaner war", so Ismail Kadare 2011 im Interview mit der FAZ.

Seit Kadare 1964 mit dem seither mehrfach verfilmten "Der General der toten Armee" (über eine fragwürdige patriotische Mission nach Ende des Zweiten Weltkriegs) bekannt wurde, setzte sich der Autor literarisch mit seiner Heimat auseinander. Etwa in "Der zerrissene April" (über die Sitte der Blutrache), "Die Brücke mit den drei Bögen" (über die Zeit des türkischen Vormarsches nach Albanien im 14. Jahrhundert) oder "Spiritus" (eine Geschichte über eine neue Überwachungstechnik in der kommunistischen Ära).

Vor dem komplexen Hintergrund der Vielvölkerstaaten auf dem Balkan hat sich Kadare immer wieder auch als Theoretiker zu Wort gemeldet. 2006 veröffentlichte der - selbst konfessionslose - Schriftsteller einen Essay über die kulturelle Identität der Albaner und erntete teils scharfe Reaktionen auf seine These, wonach Albanien als eine auf christlichen Traditionen basierende westliche Nation zu verstehen sei.

Ismail Kadare am 4. Oktober 2012 in Barcelona.

Swetlana Alexijewitsch

Quelle: dpa

8 / 10

Rang 3: Swetlana Alexijewitsch

Geboren 1948 in Iwano-Frankiwsk, Ukraine (damals Stanislaw, Sowjetunion)

Sie sei wohl "eine Geisel" ihrer Zeit, hat Swetlana Alexijewitsch einmal gesagt: "Wer im Irrenhaus lebt, schreibt und redet nur darüber". Die ausgebildete Journalistin und ehemalige Lehrerin hat in ihrem Schaffen teils dokumentarisch, teils literarisch die Geschichte der Sowjetunion verarbeitet.

Sie sammelte Tausende Zeitzeugenberichte auf Tonband, befasste sich mit dem sowjetischen Krieg in Afghanistan ("Zinkjungen"), der Atomkatastrophe von Tschernobyl ("Chronik der Zukunft") und Suiziden in der postkommunistischen Gesellschaft ("Im Banne des Todes"). Die SZ lobte sie 1997 als "penible Chronistin menschlichen Leids", sie schreibe "Geschichte von unten".

Seit ihren schriftstellerischen Anfängen in den Siebzigern wurde Alexijewitsch immer wieder Opfer von Zensur. Wegen des Buchs "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" (1983/1985) über die Erfahrungen von Frauen während und nach dem Zweiten Weltkrieg verlor sie ihre damalige Stelle als Zeitungsredakteurin. Ein Jahrzehnt später verbannte der autoritär regierende Präsident Alexander Lukaschenko ihre Werke aus den Lehrplänen und verhinderte ihr weiteres Erscheinen. Alexijewitsch hat seither viel Zeit im Ausland verbracht, 2011 kehrte sie aber nach Minsk zurück. Ihr langjähriges Engagement brachte der vielfach geehrten Autorin zuletzt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2013 ein.

Swetlana Alexijewitsch im August 2013 in ihrer Wohnung in Minsk.

Haruki Murakami

Quelle: dpa

9 / 10

Rang 2: Haruki Murakami

Geboren 1949 in Kyoto, Japan

Auf Platz zwei der diesjährigen Wettliste von Ladbrokes steht der japanische Bestsellerautor schlechthin. Haruki Murakami, so heißt es, wurde an einem lauen Frühlingstag zu seinem ersten Roman inspiriert - während eines Baseballspiels. Der Mittzwanziger hatte zwar Theaterwissenschaft und Drehbuchschreiben studiert, dann aber in Tokio eine eigene Jazzbar aufgemacht. Obwohl Murakami selbst mit seinen ersten literarischen Versuchen später nichts mehr zu tun haben wollte: Seine Zukunft lag doch im Schreiben. "Kafka am Strand", "Naokos Lächeln" und der Erzählband "Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah" - nur drei Titel aus einer eindrucksvollen Reihe von Erfolgen. Anfang dieses Jahres erschien in Deutschland sein Roman "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki", der von der Kritik erneut gefeiert wurde.

Murakamis Stil - oft sehr surreal mit märchenhaften Elementen und zugleich vielen Bezügen zur internationalen Popkultur, besonders der Musik - hat weltweit Fans gefunden. Der Japaner, der zwischenzeitlich als Gastprofessor an US-Universitäten tätig war, hat sich außerdem mit zeitgeschichtlichen Momenten auseinandergesetzt. Etwa in dem Band "Untergrundkrieg", der Interviews mit Überlebenden und Opferangehörigen des Giftgasanschlags auf die Tokioter U-Bahn im Jahr 1995 enthält.

Im sich verschärfenden Konflikt zwischen China und Japan publizierte Murakami im vergangenen Jahr einen Appell in der japanischen Presse: Nationalismus sei "wie billiger Alkohol", er mache "betrunken und hysterisch" - man müsse vorsichtig sein mit Politikern und Polemikern, die "diesen billigen Alkohol einschenken und Randale schüren". Im Interview mit dem SZ-Magazin 2010 erklärte Murakami, letztendlich gehe es ihm darum, "jungen Menschen zu zeigen, was Idealismus bedeutet".

Im Bild: Haruki Murakami im März 2009

Ngugi wa Thiong'o

Quelle: picture alliance / dpa

10 / 10

Rang 1: Ngũgĩ wa Thiong'o

Geboren 1938 in Kamiriithu, Kenia

Sprache ist für Ngũgĩ wa Thiong'o nicht nur Ausdrucksmittel, sondern ein Thema für sich. Der Kenianer, der in diesem Jahr als erster Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis gilt, lebt und arbeitet im Spannungsfeld zwischen Englisch (dem Vermächtnis der einstigen britischen Kolonialherren) und Gikuyu - gesprochen von etwa acht Millionen Menschen, der größten ethnischen Gruppe Kenias.

Ngũgĩ wa Thiong'o ist tief geprägt vom Kampf um die Entkolonialisierung seiner Heimat in den 1950er und 60er Jahren, in den auch seine Familie verwickelt war. Weshalb er in den 1970ern beschloss, nicht mehr auf Englisch zu schreiben, denn: "Sprache war das Mittel der geistigen Unterjochung." Diese radikale Entscheidung und das Stück "Ich werde dich heiraten, wann ich will" (1977) brachte den Autor in Konflikt mit der damaligen Kenyatta-Regierung und zeitweilig ins Gefängnis. Im folgenden Exil lehrte der Literaturwissenschaftler unter anderem in Yale, New York und Kalifornien. Dem Dilemma der aufgezwungenen Weltsprache kann Thiong'o bis heute nicht ganz entfliehen, völligen Verzicht propagiert auch er nicht. Er übersetzt stattdessen seine Bücher persönlich ins Englische, um ein internationales Publikum erreichen zu können.

Seine Bücher wie "Decolonizing the Mind", das autobiografische "Träume in Zeiten des Krieges - eine Kindheit" oder der 1000-Seiten-Roman "Herr der Krähen" über einen größenwahnsinnigen fiktiven Despoten kreisen um Vergangenheit und Gegenwart Afrikas.

Ngũgĩ wa Thiong'o im Oktober 2010

Mit ihren "Top Ten" lagen die Buchmacher im vergangenen Jahr übrigens nicht so schlecht: Die Literaturnobelpreisträgerin 2013, Alice Munro, war im Ladbrokes-Ranking kurz vor der Entscheidung auf Platz zwei gehandelt worden, nach Haruki Murakami, der in diesem Jahr auf Rang zwei rangiert. Vielleicht ist das nicht das schlechteste Omen für den Japaner.

© Süddeutsche.de/ihe/pak/khil/cag
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: