Süddeutsche Zeitung

Kulturpolitik:Neue Antisemitismusbeauftragte

Claudia Roth hat im Kulturstaatsministerium umstrukuriert. Warum es darum Streit gibt.

Von Jörg Häntzschel

Seit dem 1. Februar arbeitet Julia Yael Alfandari, 38, als neue Antisemitismusbeauftragte im Haus von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM). Eingerichtet wurde das Amt, dessen offizieller Titel "Beauftragte für Extremismus- und Antisemitismusbekämpfung" lautet, von Monika Grütters. Und zwar, wie man hört, vor allem, um dort ihren früheren Pressesprecher Hagen Philipp Wolf unterzubringen.

An die Stelle eines Ministerialbeamten, für den eine Anschlussverwendung gebraucht wurde, tritt nun eine junge Frau, die sich seit Jahren mit dem Thema Antisemitismus beschäftigt. Alfandari ist außerdem Referentin für Strategie und Planung im Leitungsbereich des BKM. Sie ist hierarchisch also höhergestellt als Wolf es bisher war.

Alfandari gilt als ausgewiesene Expertin: Bislang war sie an der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt als pädagogische Leiterin tätig. Sie ist jüdisch-türkischer Herkunft und hat zuvor an der Universität der Künste Berlin, bei der Heinrich-Böll-Stiftung und bei UN Women gearbeitet. Zusammen mit ihrem bisherigen Chef, Meron Mendel, hat Alfandari im vergangenen Sommer an einem Infostand die Besucher der Documenta über Antisemitismus aufgeklärt und dabei bestürzende Erfahrungen gemacht, wie sie in einem Beitrag für die SZ schrieb. Der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte nun am Donnerstag, man habe Alfandari in den letzten Jahren "als eine kundige und eloquente Stimme wahrgenommen".

Nach der Ernennung gab es Kritik von jüdischen Verbänden

Vor diesem Statement gab es von jüdischer Seite jedoch vor allem Kritik. Der Verein Werteinitiative behauptete auf Twitter, Roth löse die Antisemitismusabteilung in ihrem Haus auf. Darauf aufmerksam gemacht, dass es diese Abteilung nie gab, kritisierte die Werteinitiative, dass der Antisemitismusbeauftragte künftig dem Referat "Kultur und Erinnerung in einer demokratischen Einwanderungsgesellschaft" unterstellt werde. "So wird Judenfeindlichkeit zu einem hauptsächlich historischen Thema und (werden) moderne Formen des Antisemitismus ignoriert."

Der Zentralrat der Juden wiederum kritisierte: "Es wäre angemessen gewesen, wenn die jüdische Gemeinschaft, wie in solchen Fällen üblich, in diese Überlegungen mit eingebunden worden wäre."

Roths Sprecher sagt dazu, man habe selbstverständlich vorgehabt, mit dem Zentralrat zu sprechen, dann aber sei der Umbau im BKM durchgestochen worden. Offenbar hat man sich mit diesem Gespräch etwas Zeit gelassen - und nach SZ-Informationen am Organigramm noch nachgebessert, nachdem ein kritischer Artikel in der Bild-Zeitung mit Zitaten des von der Umstrukturierung überraschten Zentralratspräsidenten Josef Schuster am Tag von Alfandaris Wechsel nach Berlin erschienen war.

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