Anouk Aimée wird 80:Lola o Lola!

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Das französische Kino der Nouvelle Vague konnte mit Anouk Aimée nichts anfangen, schon deshalb musste sie ein internationaler Star werden. Sie spielte für Fellini, wurde von Hollywood entdeckt. Manch einer ihrer Filme war belanglos, doch sie selbst war das vollendete Kinogeschöpf. Nun wird sie 80.

Willi Winkler

Jacques Prévert soll es gewesen sein, der ihr den schönen Namen schenkte, Aimée, die Geliebte. In ihrem ersten Film, "La maison sous la mer", spielte sie, kaum vierzehn, das Mädchen Anouk. Im nächsten, "La fleur de l'âge", trat dieses vollendete Kinogeschöpf bereits mit dem Kunstnamen Anouk Aimée auf. 1946 lag die Dreyfus-Affäre erst fünfzig Jahre zurück, war der Antisemitismus auch in Frankreich noch stark genug, dass auch die schönste Frau niemals ein Star hätte werden können, wenn sie als Françoise Judith Sonya Dreyfus zur Welt gekommen war.

Anouk Aimée im Film "Lola, das Mädchen aus dem Hafen" von 1961 - in dieser Rolle war sie eine Tänzerin, ein Opfer. (Foto: OBS)

Sie gehörte trotzdem nie dazu und blieb eine Fremde. Waren es die Augen, die hohen Brauenbögen, der wie ägyptische Blick? Oder doch der Mund, der alles versprach und nichts gab? In Jacques Demys "Lola, das Mädchen aus dem Hafen" (1961) ist sie nichts weiter als eine Tänzerin, ein Opfer. Die Männer dürfen sie anstarren, sie wehrt es ihnen auch nicht, wenn die Büffel sie mit Blicken ganz ausziehen, aber sie gehört nur dem einen, den sie so liebt wie keinen, und der vor Jahren verschwand und sie mit einem Kind sitzen ließ. Eine öffentliche Frau, aber autonom, eine Fremde selbst in diesem herb-poetischen Film.

Anouk Aimée hat in weit bekannteren Filmen mitgewirkt, zuerst in Fellinis "La Dolce Vita", später auch neben Marcello Mastroianni in "8½". In Italien wurde sie sogar mehr verehrt als zu Hause. Abgesehen von Demy konnte das französische Kino der Nouvelle Vague nichts mit ihr anfangen, schon deshalb musste sie ein internationaler Star werden. Sie wurde von Hollywood entdeckt und verknallte sich in John Wayne, den sie eigentlich als faschistischen Idioten entlarven wollte. Sie spielte bei Sidney Lumet und George Cukor in eher belanglosen Filmen, wirkte sogar an etlichen geblümten Altherrenphantasien mit, die vor vierzig Jahren als Erotica durchgingen.

Wär's ein Musical gewesen, sie hätte gesungen

Am bekanntesten ist sie dann doch durch Claude Lelouchs archetypisch "Ein Mann und eine Frau" (1966) betitelten Film geworden, wo sie zusammen mit dem ebenfalls auf den Tod betrübten Jean-Louis Trintignant um Leben, Liebe und alles leidet, dass auch der abgebrühteste Kinozuschauer dabei zerfließt. Es ist ein richtiger Schmarrn, also reinstes Kino, der Film, den Truffaut gern gemacht hätte, wenn er sich getraut hätte, aber nicht einmal der Gefühls-Profi Lelouch konnte ihr die irisierende Fremdheit nehmen.

In den letzten Jahren erschien Anouk Aimée in Nebenrollen, in Robert Altmans "Prêt-à-Porter" oder als Heldenmutter in der Fernsehserie "Napoléon", und jedes Mal war es wie ein Zitat, eine Erinnerung an die große Zeit des Starkinos. Aber immer ist sie die Fremde, die auftaucht wie eine Erscheinung, rätselhaft. Sie ist die große Lockung, das ewige Versprechen, das sie niemals einlösen wird. In "Lola" steht sie einmal mit dem Rücken zum Fenster, und auf ihren Haaren sammelt sich alles Licht der Sonne. Wär's ein Musical gewesen, hätte Anouk Aimée gesungen, hätte von der Liebe gesungen, und wie sie alle erlöst und alles zerstört. Die Geliebte Anouk Aimée wird an diesem Freitag achtzig Jahre.

© SZ vom 27.04.2012/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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