"Another Day of Life" im Kino:Die Suche nach der Wahrheit

Ein Dokudramatrikspielfilm über den Journalisten Ryszard Kapuściński, der in den Siebzigerjahren aus dem Bürgerkrieg in Angola berichtete.

Von Nicolas Freund

Derzeit wird wieder viel über den Umgang mit Fakten in Fiktionen diskutiert. Für den Reporter ist es zugleich ein Problem und eine Chance, dass die Dinge, wie sie sich zugetragen haben und wie über sie berichtet wird, kaum deckungsgleich sein können. Aber wo verläuft die Grenze zwischen Berichterstattung und Aktivismus oder Parteinahme? Wie weit darf und muss ein Reporter gehen, um der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen? Wann wird es zu gefährlich? Wann wird der Bericht, der immer verkürzen, einordnen und manchmal auch bewerten muss, zu ideologisch?

Another Day of Life

Eine der Trickfilmsequenzen aus "Another Day of Life".

(Foto: Pandora)

1976 berichtete der polnische Journalist Ryszard Kapuściński aus dem Bürgerkrieg in Angola, der nach dem Abzug der portugiesischen Kolonialmacht mehr und mehr zu einem heißen Schauplatz des Kalten Krieges wurde. Die sozialistische MPLA lieferte sich in dem Machtvakuum blutige Gefechte mit der konkurrierenden Befreiungsbewegung FNLA; die einen wurden von Kuba und der Sowjetunion unterstützt, die anderen von den USA und Südafrika. Mit Truppen der MPLA reist Kapuściński an die Front, er wird Zeuge von Massakern, wird mehrmals fast erschossen und freundet sich mit Soldaten an, darunter die junge Carlotta, eine Ikone der sozialistischen Bewegung Angolas. Wie ist so noch eine neutrale Berichterstattung möglich? Kapuściński sagt: "Hier gibt es keine Fakten." Der reale Kapuściński arbeitete in seinen späteren Texten und Büchern, auch über die Zeit in Angola, viel mit literarischen Mitteln, was ihm teilweise zum Vorwurf gemacht wurde.

Die Regisseure Raúl de la Fuente und Damian Nenow haben versucht, das Dilemma des Reporters in ihrem Film aufzugreifen. Sie haben das Buch, das Kapuściński über seine Erlebnisse im angolanischen Bürgerkrieg geschrieben hat, als eine Mischung aus Interviews, historischem Filmmaterial und animierten Szenen verfilmt. Teilweise werden Schauplätze und Personen in ihrer real gefilmten und in ihrer gezeichneten Version direkt gegenübergestellt. Der Film wirft damit formal die Frage nach dem Verhältnis von Wirklichkeit und Fiktion, Spielfilm und Dokumentation auf. Dieses zentrale Thema wird dann aber nur zaghaft weiterverfolgt, unbeteiligt und ohne Erkenntnisgewinn stehen die Trickpassagen und die real gefilmten Szenen nebeneinander. "Another Day of Life" ist vor allem eine dramatische und schicke Inszenierung der Abenteuer des gezeichneten Ryszard Kapuściński.

Another Day of Life, Polen, Spanien, Deutschland, Belgien, Ungarn 2018 - Regie: Raúl de la Fuente und Damian Nenow. Buch: Raúl de la Fuente, David Weber und Amaia Remírez. Pandora, 85 Minuten.

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