Zeichnungen der Karikaturistin Ann Telnaes
Die Washington Post gehört zu den großen amerikanischen Traditionszeitungen, aber derzeit kommt sie selbst nicht mehr aus den Schlagzeilen heraus. Kürzlich stornierte man dort eine Anzeige, die Elon Musk kritisierte, nachdem sie zunächst angenommen war, etliche Journalisten haben die Zeitung in den vergangenen Monaten verlassen. Besonders viel Getöse machte der Abgang der Karikaturistin Ann Telnaes. Die Pulitzer-Preisträgerin hatte eine Zeichnung bei der Washington Post eingereicht, die eine Reihe von in den amerikanischen Medien maßgeblichen Leute zeigt, die vor einer Statue von Donald Trump knien, Meta-Chef Mark Zuckerberg, Sam Altman von Open AI, der Eigentümer der Los Angeles Times, der Disney-Konzern, vertreten durch eine Micky Maus, wirft sich vor Trump zu Füßen. Jeff Bezos ist auch dabei, und dem gehört nicht nur Amazon, sondern auch die Washington Post. Die Karikatur wurde abgelehnt, Telnaes hat gekündigt und aufgeschrieben, so was sei ihr noch nie passiert. Sie hat tatsächlich auch früher schon Karikaturen in der Washington Post veröffentlicht, die kontrovers waren. Aber da war die andere Seite der Kontroverse, nicht der Eigentümer des Verlags. Ann Telnaes hat früher schon Zeichnungen veröffentlicht, in denen sie Karikaturisten als „Kanarienvögel in der Kohlemine“ bezeichnet, das Frühwarnsystem, an dem man ablesen kann, ob es einer Medienlandschaft gut geht.Die abgelehnte Karikatur haben in der Folge wahrscheinlich mehr Menschen gesehen als irgendeine andere Zeichnung von Ann Telnaes. Was aber macht eine Karikaturistin, der die Zeitung abhandengekommen ist? Ann Telnaes ist umgezogen. Auf der Plattform Substack, auf der man Newsletter und Podcasts abonnieren kann, hat sie eine Seite, die „Open Windows“ heißt. Die hatte sie zwar schon früher, nun stellt sie dort aber neue Zeichnungen ein und hat schon etwa 80 000 Abonnenten, sie veröffentlicht dort eine Mischung aus frei zugänglichen und kostenpflichtigen Cartoons und Karikaturen.Es gibt in den wenigen Wochen noch nicht viele neue Zeichnungen, die zugegebenermaßen fast immer Donald Trump zum Thema haben. Man findet dort aber auch ältere Zeichnungen – manchmal sogar mit Erklärungen und Vorbereitungsskizzen, wie eine über Social-Media-Mobs, bei der in der ersten Fassung tatsächlich noch „Entschuldigung, Norman Rockwell“ drunter steht, weil die Skizze sehr an sein Gemälde „The Gossips“ von 1948 erinnert. Und irgendwo zwischen den Posts sieht man ein Foto von Telnaes’ erster Visitenkarte, auf der Micky Maus noch aufrecht steht – angefangen hat die Zeichnerin einst bei Disney. Susan Vahabzadeh