Animationsfilm:Ei auf Eis

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Revue, Romanze, Message-Movie - der Pinguin-Trickfilm "Happy Feet" ist alles zugleich. In den USA hat der Film sogar den neuen Bond ausgeknockt.

Susan Vahabzadeh

Es ist extrem selten, dass ein Film mit Einfällen randvoll ist, die für mehrere Filme gereicht hätten - meistens reicht das, was man sieht, nur für eine halbe Stunde weniger. Und noch viel seltener ist es, dass einer sich vorwagt in neue Welten - je mehr schon im Kino erschaffen wurden, desto schwerer wird es, noch wirklich neue zu finden.

Tanzende Pinguine im dokumentarischen BBC-Look: "Happy Feet". (Foto: Foto: AP)

"Happy Feet" hat tatsächlich so eine Neuentdeckung zu bieten, hat einen kleinen Dreh mehr in sich als ein sehr realistischer Tieranimationsfilm - eine neue Zeichentrickmischform, die die Computertechnik der vergangnen Jahre erst ermöglicht hat, die ja nur selten richtig kreativ genutzt wird.

George Millers Kaiser- und Adeliepinguine sind zwar Kunstfiguren, er bringt sie zum Tanzen und zum Singen, aber "Happy Feet" bringt sozusagen Entenhausen mit der Ästhetik einer BBC-Dokumentation zusammen.

Es geht um Mumble, der vom Außenseiter zum Helden wird - und einen auch in der deutschen Synchronfassung noch ein wenig an seinen Paten Elijah Wood erinnert. Die Geschichte beginnt noch vor Mumbles Geburt, mit der Begegnung seiner Eltern - denen im Original Nicole Kidman und Hugh Jackman ihre Stimmen geliehen haben, ihr Herzenslied bringt sie zusammen.

Eine kleine Geschichte der Pop-Musik

Die Kaiserpinguine haben eine flexible Rollenverteilung, Memphis muss das Ei ausbrüten, während Norma Jean mit den anderen Pinguindamen auf Fischfang geht. Doch in einer langen, eisigen Winternacht passiert ihm ein kleines Malheur - das Ei kullert in den Schnee, und sein Leben lang wird sich der grüblerische Memphis Vorwürfe machen: Der kleine Mumble trappelt, kaum ist er geschlüpft, mit den Füßen wie Fred Astaire und singt wie eine kranke Katze.

Eine Weile lang erzählt "Happy Feet" nun eine kleine Geschichte der Pop-Musik - das Gekrächze und das Gezappel gelten als unpinguinisch, und Mumble schafft seinen Schulabschluss - einziges Unterrichtsfach: Singen - nicht.

Was es ihm nicht leichter macht, ausgerechnet das Wunderkind Gloria für sich zu gewinnen. Dass er toll tanzen kann, fällt keinem auf - Kaiserpinguine tanzen nicht. Er hat kein Herzenslied, und es kann nur eine Art geben, auf die man seine Gefühle ausdrückt, befinden die Oberpinguine. Mumble wird verstoßen.

Dabei wäre gerade das Lied, mit dem Gloria die Abschlussfeier zum Kochen bringt, Queens "Somebody to Love", genau das richtige für sein Herz: "Everyday I try and I try and I try / But everybody wants to put me down / They say I'm goin' crazy / They say I got a lot of water in my brain."

Mumble landet, ganz verzweifelt, bei den benachbarten Adeliepinguinen - die sind die Latinos der Antarktis, sammeln Kiesel und finden das Gehopse supercool. Überhaupt haben sie den Hip-Hop im Blut - und sogar Gloria steht plötzlich sehr auf "Boogie Wonderland".

"Happy Feet" ist gemacht im Stil eines Revuefilms, mit wunderschön choreographierten Tanzeinlagen, die aussehen wie Spiralen oder geometrische Muster - der legendäre Revuefilmer Busby Berkeley hätte seine helle Freude gehabt an diesem Ballett.

Neues vom "Schweinchen Babe"-Erfinder

George Miller dürfte, über die Jahrzehnte zusammengerechnet, der erfolgreichste Regisseur Australiens sein - er hat Ende der Siebziger "Mad Max" geschrieben und inszeniert, jenen Film, der Mel Gibson berühmt machte. Nach zwei Fortsetzungen kamen die "Hexen von Eastwick", und in den Neunzigern sattelte er dann auf ein komplett neues Genre um - auf den halbanimierten Tierfilm.

Miller erfand das "Schweinchen Babe" - auch da gibt es schon schwere Momente, die Welt ist nicht rosarot, sondern von Fleischfressern bevölkert. Millers "Mad Max" wiederzuentdecken in "Happy Feet", geht vielleicht ein bisschen zu weit, aber die Welt bleibt, auch für Mumble, feindlich und gefährlich, auch wenn es für alles eine Lösung gibt - ein reiner Kinderfilm ist sie nicht, diese Pinguinsaga.

Am Ende, wenn wir den Spiegel vorgehalten bekommen, wird "Happy Feet" gar zum Message-Movie: Wer die Pinguine liebt, scheint Mumble zu rufen in Richtung seiner Leinwandkonkurrenten, die "March of the Penguins" und "Madagascar" gemacht haben, der soll nicht nur ihren Zauber fürs Filmemachen nutzen. Sondern gefälligst für ihren bedrohten Lebensraum kämpfen.

HAPPY FEET, USA 2006 - Regie: George Miller. Buch: George Miller, John Collee, Judy Morris, Warren Coleman. Musik: John Powell. Choreographie: Savion Glover, Kelley Abbey. Produktionsdesign: Mark Sexton. Im Original mit den Stimmen von: Elijah Wood, Robin Williams, Brittany Murphy, Hugh Jackman, Nicole Kidman, Anthony LaPaglia. Warner Brothers, 100 Minuten.

© SZ vom 30.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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