Süddeutsche Zeitung

Animationsfilm:Dem Rost fährt keiner davon

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Das dritte "Cars"-Abenteuer aus der Werkstatt von Pixar ist eine Studie über die Vergänglichkeit.

Von Anke Sterneborg

Der Ehrgeiz der Animatoren, wirklich jedem Objekt nicht nur Leben, sondern auch Gefühle und eine Seele einzuhauchen, trieb am Anfang des 21. Jahrhunderts immer bizarrere Blüten. Es war gewiss nicht die beste Idee der Kreativköpfe von Pixar, als sie im Jahr 2006 eine ganze Welt erdachten, die ausschließlich von Autos bevölkert ist, bezeichnenderweise in dem Jahr, in dem das Studio von der Disney-Konkurrenz übernommen wurde. Gut zwanzig Jahre nach Johns Carpenter "Christine" ließ John Lasseter die Autos in "Cars" nicht nur auf der Rennstrecke herumkurven, sondern auch auf den Tribünen jubeln. Mit der sprühenden Originalität, dem anarchischen Witz und der enormen Sinnlichkeit großer Pixar-Filme wie "Toy Story", "Ratatouille", "Wall-E" oder "Up" konnte "Cars" nicht mithalten. Auch der Versuch, die Idee zwei Jahre später in "Planes" noch mit Flugzeugen zu variieren, war nicht überzeugender. In "Cars 2" war die Idee dann zum dünnen Vorwand für eine alberne Agentenstory degeneriert. Da war das Franchise endgültig nur noch Türöffner für eine Merchandising-Industrie, die tonnenweise Spielzeuge und Bettwäsche in die Jungszimmer dieser Welt verfrachtete.

Das "Cars"-Franchise war schon immer Türöffner einer riesigen Merchandising-Industrie

Von "Cars 3" war danach kaum mehr zu erwarten als noch ein weiterer überlanger Merchandising-Werbeclip. Umso erfreulicher, dass Brian Fee ran durfte, der als Storyboard Artist und Animator schon an Pixar-Klassikern wie "Wall-E" und "Ratatouille" beteiligt war. Hier führt er erstmals Regie und belebt mit dem Vintage-Flair der Autos auch den verblassten Glanz der klassischen Pixar-Animationen neu. Und im Original erklingt sogar noch einmal die Stimme des 2008 verstorbenen Paul Newman. Als Doc Hudson, der raubeinigen Rennwagenveteran und Mentor des Helden, hat er hier noch einmal ein zweites Leben in Erinnerungen und Träumen bekommen.

Nachdem der rote Flitzer Lightning McQueen (im Original wieder von Owen Wilson gesprochen) im ersten "Cars"-Film noch einem alten Rennstar zum würdigen Karriereabschluss verhalf, muss er sich elf Jahre später selbst gegen aufstrebende Konkurrenten wie den polternden Angeber Jackson Storm (Armie Hammer) zur Wehr setzen. Dabei greifen die bewährten Muster des Realsportfilms. So wie Rocky Balboa will auch Lightning McQueen ein letztes Mal beweisen, dass er es noch draufhat, bevor er die Reste seines Rufs als Werbegesicht für Rostschutzmittel und Ersatzteile verhökert.

Ein Lebensabend in Würde - träumt davon nicht jeder große Champion der Vergangenheit?

Noch einmal zeigen, was man kann, das gilt nicht nur für die Rennfahrchampions im Film, sondern auch für die Pixar-Tüftler, die hier nicht nur visuell, sondern auch inhaltlich wieder auf höherem Niveau arbeiten. So nimmt der Film die Kurve zu der sehr erwachsenen Erkenntnis, dass man dem Lauf der Zeit letztlich nicht trotzen kann. Abseits des hochgetunten Rennbetriebs mit seinen hypermodernen Computersimulatoren findet Lightning McQueen guten Rat und wahre Werte unter den großen Champions der Vergangenheit, die in einem Provinznest in Würde ihren Lebensabend genießen.

Cars 3 - USA 2017 Regie: Brian Fee, Buch: Fee, Ben Queen, Eyal Podell, Jonathan E.Stewart, Kiel Murray, Bob Peterson, Mike Rich. Im Original mit den Stimmen von Owen Wilson, Cristela Alonzo, Chris Cooper, Armie Hammer, Tony Shaloub, Paul Newman. Verleih: Walt Disney,. 102 Minuten.

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SZ vom 28.09.2017
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