Süddeutsche Zeitung

Anhörung und Konzert:Unfertiges als Konzept

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Das Musikprojekt "Anne" stellt sein erstes Album "Flamingo" vor

Von Jürgen Moises, München

Anne eine neue Münchner Band zu nennen, ist eigentlich nicht ganz richtig. Eher ist es ein schon länger schwelendes Projekt, das schon einmal seinen Anlauf hatte und erst jetzt zu seiner festen Form gefunden hat. Denn der Sänger, Gitarrist und Maler Johannes Lotz und die Schlagzeugerin Sandra Hilpold hatten bereits 2011 mit dem gemeinsamen Freund Thomas Ewald zusammengespielt. Nach vereinzelten Auftritten machten dann aber Lotz und Ewald als Duo unter dem Namen Erlen weiter, während sich Sandra Hilpold komplett auf ihr anderes Projekt, die Noise-Band Candelilla, konzentrierte. Zur Gründung von Anne kam es dann 2017, als Hilpold und Lotz zufällig wieder zusammentrafen. Bald darauf stieß der in Saarbrücken lebende Gitarrist und Synthesizer-Spieler Dr. Tosh als drittes Bandmitglied dazu. Und seit dem vergangenen Herbst gibt es mit Boris Saccone auch noch einen Bassisten.

Gemeinsam sind sie nun also Anne und stellen am Samstag im Import Export beim "Taxi Salon" gleich zweimal ihr Debütalbum "Flamingo" vor. Zuerst als "Anhörung", das heißt man kann um 22 Uhr "Flamingo" auf dem Plattenspieler hören und dann mit der Band darüber reden. Danach folgt um 24 Uhr ein Livekonzert. Also auch für den Zuhörer gibt es zwei Anläufe, die sich, das darf man schon mal sagen, auf jeden Fall lohnen, die aufgrund des ungewöhnlichen, gar nicht so leicht zu benennenden Sounds von Anne vielleicht aber auch ganz hilfreich sind. Als "Chansonkrautfolk" wurde diese Musik im vergangenen Jahr bei einem Konzert beschrieben. Was angesichts der Mischung aus Chanson, Garagenrock, Postpunk und Folk vermutlich gar nicht mal so falsch klingt.

Prägendes Element dabei ist der emphatische Gesang von Johannes Lotz, der auch die bildreichen, leicht düsteren, deutschen Texte schreibt und zudem die meisten Melodien beisteuert. Ausgearbeitet werden die Songs, erzählt Hilpold, dann aber gemeinsam. Ein Verfahren, das schon zu Beginn so gut geklappt hat, dass aus einem geplanten Demo gleich ein erstes Album wurde. Und aktuell arbeiten die vier Musiker von Anne bereits an ihrem zweiten Album. Das Unfertige, leicht Rohe so mancher Akkorde ist dabei durchaus Konzept. Und dass Vieles offener ist, mal "wackeln" kann, das fühlt sich, so die Schlagzeugerin, "sehr befreiend" an. Vor allem nach der sehr konzeptuellen Arbeitsweise ihrer anderen Band Candelilla, die am Ende so erschöpfend war, dass die Musikerinnen aktuell eine Kreativpause machen und jeweils eigene Projekte verfolgen. "Wann und wie es mit Candelilla weitergehen wird, kann ich im Moment nicht sagen", meint Hilpold.

Erschienen ist das Album "Flamingo" am 11. April in einer Auflage von 300 Vinyl-Platten bei Grzegorski Records, dem Label des Berliner Künstlers Gregor Hildebrandt, mit dem Johannes Lotz seit dem gemeinsamen Kunststudium befreundet ist. Bassist Boris Saccone wiederum ist Student bei Gregor Hildebrandt, der seit 2015 an der Münchner Kunstakademie unterrichtet und sein Label ansonsten vor allem für seine eigenen Projekte nutzt. Dieser bildkünstlerische Hintergrund mag vielleicht auch den unkonventionellen Ton von Anne erklären, der sich üblichen Pop-Standards verweigert. Auf den Live-Aufritt der Band, die gerade ihre erste Mini-Tour absolviert hat, macht dieser auf jeden Falls sehr neugierig. Und genauso auch auf das nächste Album von Anne.

Anne ; Anhörung und Konzert, Samstag, 20. April, 22 Uhr, Import Export, Schwere Reiter Str. 2, Eintritt frei, das Album "Flamingo" ist über anneband.bandcamp.com erhältlich

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Quelle:
SZ vom 20.04.2019
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