Angelina Jolie auf der Berlinale:Von der dreckigen Realität des Lebens

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Sie hätte es sich mit ihrem Regiedebüt wahrlich leichter machen können: Angelina Jolie präsentiert auf der Berlinale ihr Balkankriegs-Drama "In the Land of Blood and Honey". Steckt sich hier ein Star das humanitäre Engagement an wie eine teure Brosche - oder hat Jolie einfach gelernt, den Ruhm für all das auszubeuten, was ihr wirklich wichtig ist?

Anke Sterneborg

Hier der Weltstar Angelina Jolie, der auf der Berlinale seit Tagen für Menschenaufläufe und Blitzlichtgewitter sorgt. Dort der Dreck, die Gewalt, der Schmerz und das Leid, dem sie sich als UN-Botschafterin an den Krisenherden der Welt aussetzt, von denen sie einen zum Thema ihres Films "In the Land of Blood of Honey" gemacht hat. Zwischen beiden Welten liegt eine Kluft. Allzu leicht regt sich da der Verdacht, dass sich ein Star das humanitäre Engagement ansteckt wie eine teure Brosche.

Doch das ist das Problem der anderen, Angelina Jolie selbst sieht das ganz klar: "Wenn ich morgens aufwache, bin ich eine Mutter, die ihre Kinder versorgt und eine Frau, die sich um ihren Mann kümmert. Ich will die Nachrichten lesen, und etwas über die Welt erfahren, in der ich lebe. Und manchmal habe ich die Chance, da raus zu gehen, wirklich ein Teil dieser Welt zu sein und etwas zu bewirken. Und dann wiederum habe ich diesen tollen Job, in dem ich ein paar Dinge tue, die Spaß machen, die aber mit der Welt, in der wir leben, wenig zu tun haben".

Wenn sie in einem vanilleweißen, kurzärmeligen Kleid auf sehr hohen Schuhen zu den wartenden Journalisten in den Raum tritt, mit diesen sehr großen, geheimnisvollen Augen, diesen sehr üppigen Lippen, und den langen goldbraunen Locken, dann ist sie der strahlende Star. Doch wenn sie dann beginnt, über ihren Film zu sprechen, über das Land, in dem er spielt, und den Konflikt, von dem er handelt, dann zählt nur noch die Integrität, mit der sie dafür einsteht. Irgendwo in Kambodscha, bei den Dreharbeiten zu "Tomb Raider", hat sie angefangen sich umzuschauen und sich zu engagieren. Seitdem hat sie gelernt, den Ruhm, der ihr zugefallen ist, für all das auszubeuten, was ihr wirklich wichtig ist.

Ihre Schauspieler, die Bosnier, die den Krieg am eigenen Leibe erfahren haben, vertrauen ihr bedingungslos, weil sie die Geschichte so feinfühlig erzählt hat. Dankbar sind sie, dass es in dieser Geschichte über die Unmöglichkeit einer Liebe in den Zeiten des Krieges gerade nicht um Schuldzuweisungen geht. Die Anschuldigungen, die zur Zeit in der serbischen Presse kursieren halten sie für hanebüchen absurd. Rade Serbedzija, der in Filmen wie "X-Men", "Harry Potter" oder Maria Schraders "Liebesleben" zu sehen war, aber alle Angebote in plakativen Filmen über den Bosnienkrieg mitzuspielen immer abgelehnt hat, sagt: "Niemand hat den Film in Serbien gesehen, aber dann schreiben ein paar Boulevardblätter, das sei ein ganz übler Film, der in Amerika schlechte Kritiken bekommen hat und dass Angelina Jolie die Auflösung der Republica Srpska fordere, und am nächsten Tag haben sie 100.000 Zeitungen mehr verkauft. Und wenn sie drei Tage später schreiben, Angelina Jolie sage Serben seien Bastarde und Killer, sind damit schon wieder 100.000 Zeitungen verkauft."

"Ich wollte eine menschliche Geschichte erzählen"

Im Grunde ging es Angelina Jolie nicht um ein politisches Statement: "Ich wollte eine menschliche Geschichte erzählen, und was mit der Gesellschaft passiert, wenn sie einem Krieg überlassen wird. Es geht um das Potential, das wegen fehlender Intervention und fehlender Unterstützung völlig verloren geht." Sie hätte es sich mit ihrem Regiedebüt wahrhaftig leichter machen können. Während ihr sonst die Menschen zu Füßen liegen, hatte sie es bei diesem Projekt vor allem mit Widerständen zu tun. Wirklich zugesetzt hat ihr der Verein der bosnischen Kriegsopfer, der aufgrund von Gerüchten, sie würde von der Liebe zwischen einem Vergewaltiger und seinem Opfer erzählen, fürchtete, dass der Film die Würde der Opfer beschädigen könnte: "Wenn man mit guten Intentionen und einer aufrichtigen Liebe zu dem Land und den Menschen, mit denen man arbeitet, an eine Sache geht, und sich wirklich bemüht, dann ist es sehr hart, wenn die Drehgenehmigung entzogen wird, weil man angeblich die Interessen der Frauen verletzt. Mein Gott, das wäre das Letzte was ich tun würde, ich habe Töchter! Diese Falschinformationen, nicht nur Gerüchte sondern wirklich freche und gefährliche Lügen, das ist etwas, dem ich vorher noch nie ausgesetzt war."

In den Frauen, von denen der Film handelt, kann man auch etwas von der inneren Stärke ihrer Regisseurin erkennen: "So sehe ich Frauen generell, und gerade in dieser Region sind sie sehr stark und widerstandsfähig. Die zentrale Heldin durfte kein kleines, verschrecktes Mädchen sein, sie ist eine erwachsene Frau, die die Entscheidungen über diese Beziehung mit Intelligenz und Stärke trifft!"

Nach zwei Jahren, in denen Angelina Jolie sich der dreckigen Realität des Lebens ausgesetzt hat, stellt sich die Frage, was ihr die Magie des Kinos noch bedeuten kann: "Gosh, na, ich werde bald einen Disney-Film machen, und hoffe, dabei diese Magie wieder entflammen zu können. Es ist wundervoll, mit meinen Kindern zusammenzusitzen, und zu sehen wie aufgeregt sie sind, weil sie etwas sehen, das ihnen magisch erscheint. Wenn sie daran glauben, dass etwas möglich ist - auch wenn ich weiß: Es ist es nicht."

© SZ vom 13.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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