Angeben für Anfänger:Späßle gmacht

Wochenlang haben wir uns wegen der Weltlage zurückgehalten - andere hielten das anders. Lernen Sie deshalb hier und jetzt in der Aufschneider-Kolumne mitzureden über: Satire.

Ruth Schneeberger

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Demonstration gegen Atomenergie in Muenchen

Quelle: dapd

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Wochenlang haben wir uns wegen der Weltlage zurückgehalten - andere hielten das anders. Lernen Sie deshalb hier und jetzt in der Aufschneider-Kolumne mitzureden über: Satire.

Was ist das?

Als "Satire" wird eine Spottdichtung bezeichnet, die mangelhafte Tugend oder gesellschaftliche Misstände anprangert. Spottschrift, Stachelschrift, Schmähschrift oder Pasquill (gegen Personen gerichtet) sind historische Bezeichnungen.

Satire kann unterschiedlichste mediale Formen annehmen, ob literarischer oder journalistischer Natur, in Gedicht, Essay, Roman, Zeichnung, im Film, Hörfunk - oder sie wird auf die Bühne gebracht, als Kabarettprogramm.

Im Rahmen eines solchen machte sich Urban Priol auf der Anti-Atom-Demo vergangene Woche in München unter anderem über Wolfgang Bosbach (CDU) lustig, den Vorsitzenden des Innenausschusses im Bundestag, der nach einer anderen Demo vor einem "Rückfall in die Terrorspirale der 70er Jahre" gewarnt habe. Kabarettist Priol witzelte, der Vergleich mit der RAF sei wohl eine Nummer zu groß - denn für die jetzigen "Nasen" würde niemand mehr Lösegeld zahlen wollen, und "einen wie den Brüderle" würden heutige Terroristen aus ihrem Kofferraum wieder freiwilllig entlassen, bevor er sie zulabere.

Irgendwie kam der Witz nicht bei allen so gut an. Und den Kritikern wurde wiederum Humorlosigkeit vorgeworfen. Priol selbst wollte sich zu der Sache nicht äußern, man darf gespannt sein auf die nächste Sendung "Neues aus der Anstalt" - und darauf, ob er diesen Part seines Kabarettprogramms nun noch aktualisiert.

Was lernen wir daraus? Bei Holocaust- und RAF-Witzen hört für viele der Spaß immer noch auf. Vor allem aber dann, wenn sie den Rest des Kabarett-Programms auch nicht so lustig finden. Wir lernen außerdem:

Tucholsky hatte recht: Satire darf alles. Sie darf aber auch kritisiert werden. Dass das  Lachen dem Zuschauer im Halse stecken bleiben soll, ist Teil der Definition des politischen Kabaretts - zugleich aber ist auch das Kabarett selbst nicht unangreifbar und muss diskutabel bleiben.

Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, angesichts der Tatsache, dass Vorgänge, die bereits bei nüchterner Betrachtung satirisch wirken, als "Realsatire" bezeichnet werden können, selbst zum öffentlichen Satiriker zu werden, hier ein paar geldwerte Tipps:

Text und Bildauswahl: Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de/kar/bgr

Harald Schmidt spielt Volpone

Quelle: dpa

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So machen Sie sich lächerlich: 

In dem Sie Satire allzu ernst nehmen. Harald Schmidt spielt nicht nur auf diesem Bild den alternden, zynischen Geschäftsmann Volpone am Stuttgarter Staatstheater - er spielt ihn auch regelmäßig nachts in der ARD und bald wieder auf Sat 1. Schmidt hat verstanden, was Satire in Deutschland darf - und was nicht. Auf ihn können sich immer noch und immer wieder alle einigen - es sei denn, er verkleidet sich als Hitler. Erheben Sie Harald Schmidt zum einzigen wahren Satiriker Deutschlands - und verziehen Sie angewidert das Gesicht, sobald jemand unterhalb seines intellektuellen Niveaus oder oberhalb seines wohltemperierten Bisses die Bühne betritt.

Leute-News: Dieter Hildebrandt

Quelle: ddp

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So schinden Sie Eindruck: 

Werden Sie Dieter Hildebrandt. Er gilt vielen Kritikern immer noch als unangefochtener Vater des politischen Kabaretts, nach ihm könne keiner mehr kommen, denken viele. Nun ist der Mann leider schon über 80. Er selbst hat darüber ein Buch geschrieben: "Nie wieder Achtzig". Nehmen Sie den Mann beim Wort und bleiben Sie für immer 40 - um einerseits den Biss der Jugend noch nicht ganz verloren zu haben, andererseits aber die Weisheit des Alters zur steten Verfügung zu haben. Benennen Sie sich dann um in Dieter Schmidt - und das Kabarett gehört ganz alleine Ihnen. Viel Spaß damit!

Auch in Schweden wird an den 75. Todestag des Schriftstellers Kurt Tucholsky erinnert

Quelle: dapd

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Zitieren Sie: 

Noch einmal den Journalisten und Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890 bis 1935):

"Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel."

Über die Qualität des Witzemachens unterhalten wir uns dann beim nächsten Mal mit Mario Barth - in diesem Sinne: Bis nächste Woche!

© sueddeutsche.de/rus
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