Günter Grass hat nach der Atomkatastrophe Angst vor neuen "Notstandsgesetzen" - irgendwie kommt einem das bekannt vor. Lernen Sie mitzureden über: Öko-Diktatur. Die Aufschneider-Kolumne.
Was ist das?
Das sind Schriftsteller Günter Grass und ein Sack Kartoffeln - umrahmt vom ehemaligen Chefredakteur des Deutschlandfunks, Rainer Burchardt (links) Atomkraftgegner Ingo Werth (rechts) und Atomkraftwerk Krümmel (hinten). Im Zuge der Protestaktion "Lesen ohne Atomstrom" nahe Hamburg, wo Günter Grass auch gleich aus seinem neuen Buch las ("Grimms Wörter"), steckte er vorab dem Hamburger Abendblatt, er habe Angst vor der Zukunft: "Meine schlimmste Befürchtung ist, dass wir eine Öko-Diktatur bekommen. Wir müssten dann mit Notstandsverordnungen leben."
Grass, 83-jährig, begründete diese Angst mit der Fülle an Umweltproblemen, die abseits von Atomstrom-Problemen die Welt belasten. Die Gefahr sei, dass am Ende die Regierung die Menschen zu Sklaven der Ökologiefrage mache.
Bevor wir nun in Panik verfallen, erinnern wir uns, wo wir den Begriff "Öko-Diktatur" schon einmal gehört haben, nämlich aus einer ganz anderen Ecke:
Schon 1999 warnte das Magazin Novum davor, dass die damals rot-grüne Bundesregierung "unwissenschaftlich" vorgehe, indem sie die Atomlobby bei den Ausstiegsgesprächen aus der Atomkraft lieber außen vor lasse. Von einer neuen "Öko-Diktatur" war als Folge die Rede.
Vor genau drei Jahren war es der damalige EU-Kommissar Günter Verheugen, der die EU-Bürger vor einer "Öko-Diktatur" schützen wollte, indem er sich dagegen verwahrte, dicke deutsche Autos höher besteuern zu lassen als kleine französische.
Inzwischen gibt es neben "Wikipedia" auch das politisch unkorrekte "Stupidedia", wo wir unter dem Begriff "Öko-Diktatur" den hasserfüllten Eintrag finden: "Periode des grünen Öko-Faschismus der ewig Recht haben wollenden Körnerfresser". Sie paare "die Raffgier der Finanzminister der Volksparteien mit der Herrlichkeit der alles regulierenden Ökologiepolitik" und speise "ihr vagabundierendes Wählerpotential aus den Apologeten der deutschen Angst".
Wir lernen: Das Wort "Diktatur" sorgt naturgemäß für Empörung und Abwehrreaktion - in Kombination mit dem Begriff "Öko" ist es nun jahrelang so durch den Sprachwolf gedreht worden, dass es rechts wie links zur Panikmache taugt.
Um Ihnen, liebe Leser, den weltbesten Umgang mit der Modebegrifflichkeit zu erleichtern, hier ein paar Tipps:
Text und Bildauswahl: Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de/kar/bgr