Angeben für Anfänger:Verdammt lang leer

Wenn es nichts zu erzählen gibt, muss trotzdem gesprochen werden - schließlich gilt es, Sendezeiten und Zeitungsseiten zu befüllen. Lernen Sie mitzureden über: das Sommerloch.

Katharina Riehl

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SOMMERLOCH

Quelle: AP

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Wenn es nichts zu erzählen gibt, muss trotzdem gesprochen werden - schließlich gilt es, Sendezeiten und Zeitungsseiten zu befüllen. Lernen Sie mitzureden über: das Sommerloch.

Was ist das?

Das Sommerloch ist eine Jahreszeit, die sich durch eine dünne Nachrichtenlage auszeichnet. Wenn die Politiker in die Ferien fahren und im Reichstag nur Touristen spazieren gehen, wenn die WM vorbei und der Bundespräsident gewählt ist, wenn plötzlich Menschen auf den ersten Seiten einer Zeitung auftauchen, von denen bislang nicht einmal die Leserbriefe abgedruckt wurden - dann ist es da: das Sommerloch.

Die rheinland-pfälzische Gemeinde Sommerloch schafft es übrigens nur ganz selten in die Medien, höchstens mal in einer Kolumne wie dieser hier. Die will ja auch geschrieben sein, wenn nur wenig ... na ja, Sie wissen schon.

Texte und Bildauswahl: Katharina Riehl/sueddeutsche.de/rus/bgr

Bundestag: Vertrauensfrage

Quelle: ddp

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So machen Sie sich lächerlich:

Die größte Gefahr, in Sachen Sommerloch einen Reinfall zu landen, besteht, wenn Sie sich von einer Meldung in Panik versetzen lassen, die sich der Chef vom Dienst wenige Minuten vor Andruck - selbst in Panik - aus den Rippen geschnitten hat.

Rufen Sie also nicht gleich hektisch alle ihre fränkischen Verwandten an, nur weil plötzlich über den um 0,3 Zentimeter erhöhten Pegelstand der Pegnitz berichtet wird. Und rennen Sie nicht sofort zum Arzt, weil auf Seite vier Ihrer Regionalzeitung auf 150 Zeilen die 0,003 prozentige Wahrscheinlichkeit einer menschengefährlichen Gänsegrippe erläutert wird.

Zur Verdeutlichung soll an dieser Stelle an den ein oder anderen Sommerlochbefüller erinnert werden: Im Spätsommer 2007 schlug Gabriele Pauli vor, die Ehe auf Zeit einzuführen - man wisse ja nie, ob man sich nach ein paar Jahren noch ertragen kann; im Sommerloch 2008 wies die Kinderkommission des Deutschen Bundestags auf die großen Risiken hin, die von einem Überraschungsei ausgehen. Man erwog das Verbot des hochgefährlichen Produkts. 

Hat sich beides nicht durchgesetzt.

Das Bild zeigt den ehemaligen Bundesminister Joschka Fischer in einem ziemlich leeren Plenarsaal. Waren wohl schon alle in den Ferien. 

Titelblatt der BUNTEN: Rudolf Scharping und Kristina Pilati auf Mallorca im Pool

Quelle: dpa

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So schinden Sie Eindruck:

Bei einem gepflegten Medienparty-Plausch fallen Sie besonders dann positiv auf, wenn Sie den systematischen Ansatz der redaktionellen Sommerlochüberwindung erkennen.

So sollte man zum Beispiel wissen, dass die Urlaube von Bundesministern und vor allem die Verkehrsmittel, mit denen sie ihre Urlaubsziele erreichen, dem ausgehungerten Nachrichtenredakteur ein willkommenes Füllmaterial für das weiße Loch auf der Seite sind.

Die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zum Beispiel ließ sich im vergangenen Sommer in Spanien das Auto klauen, erntete dafür aber weniger Mitleid als große Aufregung, dass Auto und dazugehöriger Chauffeur überhaupt mit ihr in Spanien unterwegs waren.

Und noch ein Tipp: Ihr unbestechlicher Blick auf die Sommeraktivitäten der Medien sollte auch entlarven, wenn ein Politiker oder sonstiger Medieninhalt das Sommerloch selbst für eine kleine Inszenierung nutzt. Zum Beispiel der ehemalige Bundesverteidigungsminister und heutige Zweiradexperte Rudolf Scharping (auch er hatte übrigens mal einen kleinen Fortbewegungsskandal an der Backe), hielt es im Sommer 2001 für eine gute Idee, vor der Linse der Bunten in einem mallorquinischen Pool zu planschen. Ganz der jugendlich-dynamische Minster. War keine gute Idee.

Cover der Titanic: Endlich - das Sommerloch

Quelle: SZ

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Zitieren Sie:

Diesmal keinen Menschen, sondern eine Zeitschrift. Im vergangenen Juli, noch bevor Ulla Schmidt und ihr Dienstwagen auf die Titelseiten rollten, rutschte ein Teil der sachsen-anhaltinischen Gemeinde Nachterstedt in den künstlichen Concordiasee. Das war nicht lustig für die, deren Häuser da den Abhang hinunterstürzten - und für drei Menschen, die bei dem Umglück ums Leben kamen.

Doch die Titanic, das Satiremagazin, sprach aus, was viele Medienmacher dachten: "Gerade noch rechtzeitig! Das Sommerloch ist da!"

In diesem Sinne: bis nächsten Donnerstag!

© sueddeutsche.de/kar
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