Angeben für Anfänger:Die Kraft und die Herrlichkeit

Deutschland bastelt sich gerade tatkräftig einen, die Amerikaner lassen ihren schon wieder fallen. Lernen Sie mitzureden über: Erlöser.

Ruth Schneeberger

1 / 11
(Foto: REUTERS)

Deutschland bastelt sich gerade tatkräftig einen, die Amerikaner lassen ihren schon wieder fallen. Lernen Sie mitzureden über: Erlöser. Was ist das? Die Weisheit der Massen, alias Wikipedia, lehrt uns: Der Begriff Erlösung stammt aus der Religion und wird auch im übertragenen Sinne gebraucht. Das ist sehr praktisch, weil die Sache mit der Religion heutzutage nicht mehr so einfach ist und in der Öffentlichkeit mitunter für Sprengstoff sorgt. Wir aber wollen ja hauptsächlich vorankommen und wünschen uns daher jemanden, der's richtet. Dies taträftig zu tun, hat schon vor exakt zwei Jahren ein gewisser Barack Obama in den USA versprochen, wo man jetzt aber irgendwie nicht mehr so zufrieden mit ihm ist. Zwar hat Obama nach Ansicht vieler, selbst amerikanischer, Experten in seiner Präsidentschaft bisher fast alles richtig gemacht. Gemessen aber an den Erwartungen, die US-Wähler an ihn hatten, konnte er nur scheitern. Man hatte sich eine Art Messias gewünscht, den Erlöser von allem Bösen. Leider lässt sich das Böse in seiner Gesamtheit nicht in zwei Jahren restlos entfernen. Da passt es gut, dass wir in Deutschland einen völlig neuen Erlösertypen gefunden haben, der prima in unsere Zeit passt: den adeligen Feldherrn.  Nach christlicher Lehre sind alle Menschen mit der Erbsünde verstrickt und durch ihre Sünden von Gott entfernt und deshalb auf die Erlösung angewiesen. Nach neutestamentlicher Schrift kann die Erlösung für jeden Einzelnen nur durch die Entscheidung für den Glauben an Christus oder Gott eingeleitet werden. Auch in Zeiten von Krisen und Desorientierung kann der Einzelne nun praktischerweise durch den Glauben an eine höhere Macht seine eigene Verantwortung für paradiesische Zustände auf Erden an einen Höheren deligieren: den Erlöser 2.0. Wir erkennen: Der Erlöser 2.0 (im weiteren abgekürzt als "Der Erlöser") kann alles, will auch alles, muss aber gar nichts. Er steht über den Dingen. Die wahre Erlöser-Figur zeigt Größe, gerne mal Erhabenheit. Ihm ist die Abgehobenheit von den irdischen Dingen in die Wiege gelegt worden. Text und Bildauswahl: Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de/bön

2 / 11
(Foto: Getty Images)

So machen Sie sich lächerlich:  Indem sie die Erlöserrolle ablehnen oder gar herunterspielen. Zum Beispiel wie Klaus Kinski auf seiner legendären Jesus-Christus-Erlöser-Tour 1971, als er von der Bühne wetterte: "Ich bin nicht der offizielle Kirchenjesus, der unter Polizisten, Bankiers, Richtern, Henkern, Offizieren, Kirchenbossen, Politikern und ähnlichen Vertretern der Macht geduldet wird. Ich bin nicht euer Superstar!" Selbstredend wurde Kinski daraufhin von den Anwesenden ausgebuht. Er konterte mit Publikumsbeschimpfung vom Feinsten, rief "Haltet die Schnauze", "Du dumme Sau!", und wurde aggressiv. Das 39 Jahre alte Video taugt inzwischen aber nur noch zur Youtube-Bespaßung. Die heutigen Zeiten sind andere: Falls Sie kein Schauspieler sind, sondern ein echter Weltenlenker werden wollen, tun Sie gut daran, sich mit Ihrer Erlöserrolle anzufreunden. Das Erlösertum kann gar nicht hoch genug gehalten werden. Das sollten Sie selbst mit Ihren Auftritten zu verstehen geben. Und wir können es nicht oft genug sagen: Das Äußere ist entscheidend. Falls Sie das nicht glauben, rufen Sie Joseph Martin (ehemals Joschka) Fischer an, der seine berühmten Turnschuhe inzwischen auch nur noch trägt, um sein Fett abzukriegen, niemals aber bei einem seiner hochdotierten Auftritte als Berater für Stromkonzerne. Zu einem angemessenen Erlöser-Auftritt passt kein Schmuddel-Look. Die Frisur sollte bombenfest sein, Ihr geschulter Augapfel vielleicht sogar durch kriegssicheres Panzer-Brillenglas geschützt (Kontaktlinsen sind für Weicheier), die Anzüge maßgeschneidert, aber nicht zu exaltiert. Sie wollen schließlich nicht unangenehm auffallen, sondern im schlechtesten Fall immer noch zum "Krawattenmann des Jahres" gewählt werden. Apropos Wahlen: Falls Sie in der misslichen Situation sind, dass Ihre Erhebung zum Erlöser von Wählerstimmen abhängt, lächeln Sie bitte möglichst viel. Das sollte dann reichen.

3 / 11
(Foto: dpa)

So schinden Sie Eindruck: Indem Sie Ihre Erlöserschaft in vollem Umfange annehmen. Sie könnten zum Beispiel auf dem New York Times Square Frank Sinatras "I Did it My Way" trällern, obwohl Sie eigentlich gerade Krisengespräche führen sollen - gerade in Zeiten wie diesen lechzt die Öffentlichkeit ja nach Ermunterung. Das Volk hat beim Universum nun mal einen Erlöser bestellt - wieso sollten ausgerechnet Sie das nicht sein? Die Frage ist doch nur noch, ob einer reicht. Vielleicht haben Sie ja noch einen geeigneten Vetter. Der sollte sich im Zweifel mit Politik, Volkswirtschaft, Krisenmanagement und Führungsqualitäten auskennen. Für die wichtigen Dinge wie gutes Aussehen, Repräsentation und Diplomatie sind Sie ja dann zuständig. Darauf sollten Sie sich auch konzentrieren. Sonst verzetteln Sie sich nur. Besser Vettern- als Zettelwirtschaft, das sollten Sie sich merken. Und alles Inhaltliche klären Sie dann unter vier Augen, damit müssen Sie die Öffentlichkeit nicht belasten.

4 / 11
(Foto: ddp)

Zitieren Sie:  Am besten einen anderen großen Erlöser, namentlich Arnold Schwarzenegger, einst Muskelpaket, dann TV-Weltenretter, inzwischen Gouverneur von Kalifornien:  "Geld ist nicht so wichtig. Darum ist es mir völlig egal, ob ich 70 oder 50 Millionen Dollar besitze." Das ist auch die wichtigste Botschaft, die Sie derzeit Ihrem Volk mitgeben können. Also, der erste Teil des Zitates. Den zweiten heben Sie sich für Familientreffen auf. Ansonsten zitieren Sie ...

5 / 11
(Foto: dpa)

... bei Ihren öffentlichen Auftritten gerne andere große Männer in anderen großen Zusammenhängen, ob nun Tom Cruise bei einer seiner zahlreichen unmöglichen Missionen, ...

6 / 11
(Foto: AP)

... Harrison Ford in Air Force One oder Bruce Willis in Armageddon, je nach Wunsch und Einsatzgebiet, ...

7 / 11
(Foto: ddp)

... oder Mahatma Gandhi als friedliebenden Freiheitskämpfer - Ihre Version ist, dass Sie lieber einen Sitz im Flugzeug frei lassen, um näher am Mann zu sein, damit Sie auch über den Wolken überzeugen können. Wichtig ist, ...

8 / 11
(Foto: AP)

... dass Sie auf allen Bildern unmissverständlich im Mittelpunkt stehen, am besten optisch erhellt, selbst inmitten größten Elends, ...

9 / 11
(Foto: dpa)

... denn Licht und sein richtiger Einsatz auf Fotos sind für eine Lichtgestalt wie Sie nun mal extrem wichtig. Und wenn Sie die Bildsprache dann perfekt beherrschen, können Sie sich sogar an ultimative Erlösermotive heranwagen, wir denken da etwa an Das letzte Abendmahl, oder ähnlich Bahnbrechendes und im kollektiven Bewusstsein Verankertes. Dann könnte es sogar sein, dass Sie nationale Grenzen wenn nicht sprengen, dann zumindest überschreiten, ...

10 / 11
(Foto: dpa)

... und zum mächtigsten Mann der Welt avancieren, drüben in den USA. Den aktuellen, den man dort gerade dabei ist, abzulegen, ...

11 / 11
(Foto: dpa)

... den können sie uns getrost nach Deutschland schicken. Wir bauen den schon wieder auf. So ein paar T-Shirts sind schnell gedruckt. Yes, wir können das auch. In diesem Sinne: Bis nächste Woche!

© sueddeutsche.de/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: