Über die Schwierigkeiten, Marcel Proust dergestalt zu lesen, dass am Ende der Lektüre griffige und verhandelbare Details und Gegenstände im Gedächtnis bleiben, hat Martin Walser einmal einen schönen Aufsatz geschrieben. Es dränge sich, schreibt Walser, eine Fülle von Situationen in der Vorstellung des Lesers, in Form von Ereignissen (Spaziergänge, die berühmte Teegebäcks-Geschmackssensation), in Gestalt von Frauen (Gilberte, Odette, Albertine) und von Männern (Swann, Bloch, Norpois). Eine Welt zahlloser Details ploppt auf, voll mit Bezüglichkeiten und Mutmaßungen. Walser erkannte sein Elend bei der Lektüre der sieben Bände darin, "nicht intellektuell über sie verfügen" zu können.
Andreas Isenschmid: "Der Elefant im Raum. Proust und das Jüdische":Bedrohte Leben in der verlorenen Zeit
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Diese Szene wurde zum Symbol für den Antisemitismus der französischen Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert: Die Zeitschrift "Le Petit Journal" illustriert, wie der zu Unrecht verurteilte Hauptmann Alfred Dreyfus am 5. Januar 1895 öffentlich degradiert wurde.
(Foto: imago stock&people/Leemage)Vor 100 Jahren starb Marcel Proust. Über die Frage, wie er als Jude in einer Zeit anschwellenden Antisemitismus zu schreiben begann, legt Andreas Isenschmid einen eindrucksvollen Essay vor.
Von Hilmar Klute
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