Analyse:"So etwas habe ich noch nie gesehen"

Kanye West dances during his Yeezy Season 3 Collection presentation and listening party during New York Fashion Week

Kanye West auf der New York Fashion Week im Februar 2016.

(Foto: REUTERS)

Werner Herzog kommentiert stoisch Kanye Wests Musikvideo "Famous". Ob das Filmchen Kunst ist? Oh ja, findet der Regisseur.

Von David Steinitz

In seinem Musikvideo "Famous" liegt der Rapper Kanye West mit nackten Wachspuppen von Prominenten im Bett, unter anderem Taylor Swift, George W. Bush, Rihanna, Kim Kardashian und Donald Trump. Der Clip geistert seit ein paar Wochen wie wild durchs Netz und wird von den einen als selbstreferenzielle Reflexion über Stars und Körperkult gefeiert, von den anderen als reine Fleischbeschau verdammt.

Nun hat das Video aber endlich zu seiner eigentlichen Bestimmung gefunden: einer genauen Analyse durch den Regisseur Werner Herzog, der in den USA weniger wegen seiner Filme, als wegen seiner schrägen Persönlichkeit und seines hypnotischen deutschen Akzents absoluter Kult ist. Eine Journalistin der Webseite The Daily Beast legte dem germanischen Philosophen und Autorenfilmer das Kanye-Video vor, das er dann ausführlich auf Englisch kommentiert, und zwar wie immer stoisch unironisch.

Herzog ist zwar kein dezidierter Fan des Internets, hat aber kürzlich trotzdem einen Dokumentarfilmessay über die Entstehung des Netzes und seiner Auswirkungen auf die Menschheit gedreht ("Lo and Behold"). Seitdem äußert er sich gerne zu digitalen Phänomenen wie Pokémon Go und hat sogar eine sechsstündige Online-Meisterklasse aufgenommen, in der er seinen Fans für 90 Dollar per Fernstudium das Regiehandwerk beibringen will. Da ist so eine kleine Kanye-Interpretation natürlich ein Klacks.

Handelt es sich bei diesem Filmchen um Kunst? Oh ja, findet Herzog, und zwar aus einem ganzen Haufen guter Gründe! "The Rap is very well done", resümiert er und lobt zunächst die lyrische und musikalische Qualität des Songs, in dem Kanye fordert, Tayler Swift könne ruhig mal mit ihm schlafen, schließlich habe er sie verdammt noch mal berühmt gemacht. Apropos Swift: Die Wachs-Protagonisten seien wirklich täuschend gut besetzt worden, findet Herzog, richtige "Doppelgänger".

Aber auch die Metaebene entgeht einem Bildexperten wie dieser Regielegende natürlich nicht. Herzog räuspert sich und fragt: "Was machen diese Menschen da, wie haben sie gefeiert?", während die nackten Wachsbrüste von Taylor Swift durchs Bild wandern. Das Fazit nach knapp zehn Minuten begeisterter künstlerischer Ferndiagnose: "So etwas habe ich noch nie gesehen!"

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