Amy Winehouse und Joss Stone:Die Sucht der Nachwuchs-Diven

Lesezeit: 4 min

Joss Stone und Amy Winehouse sind die neuen Soul-Prinzessinnen: Die eine sucht ihren eigenen Weg, die andere geht ihn einfach. Und beide machen daraus richtig gute Musik. Mit Videos und Bildergalerien.

Caroline Daamen

Während Deutschland die nächsten "Superstars" mal wieder per Castingshow sucht, schickt Großbritannien freundliche Grüße über den Kanal und zeigt, dass dort neben erfolgreichen Gitarrenbands auch wahrhaftiger, tiefer Soul zuhause ist.

Da besticht vor allem eins: Diese Stimme. So voller Soul, dass man gar nicht glauben kann, dass ein so junger Mensch dahinter steckt. Erdig, kehlig, faszinierend.

Das gilt für Amy Winehouse ebenso wie für Joss Stone: die eine 23, die andere bald 20 Jahre jung. Und dabei keine Unbekannten im Geschäft. Winehouse gab ihre erste Visitenkarte vor zwei Jahren ab - mit "Frank", einer Jazz-Hommage an Frank Sinatra und dazugehöriger Nominierung für die Brit Awards sowie den Mercury Music Prize. Der Nachfolger dieses Platin-Werkes heißt "Back to Black", erschien in ihrer Heimat bereits im Vorjahr und führte auf geradem Weg zum Brit Award 2007 als beste britische Solo-Künstlerin.

Bekanntes Terrain für Jocelyn Eve Stoker alias Joss Stone: Vor zwei Jahren gab es für die junge Dame aus Devon gleich zwei Brit Awards, gefolgt von vier Grammy Nominierungen. Erste Aufmerksamkeit verschaffte sie sich mit den Cover-Versionen auf "Soul Sessions" (2003) und dem ersten kompletten Album "Mind, Body&Soul" (2004).

7,5 Millionen verkaufte Alben, Auftritte bei Live8 und beim Super Bowl sowie einige Mode-Kampagnen für GAP später, präsentiert Stone nun "Introducing Joss Stone". Eine Einführung also. Weil Sie das Gefühl hat, erst jetzt wirklich die Musik zu machen, die ihr am Herz liegt. Während alle Welt das schon bei den vorherigen Platten mit ihren satten Motown-Anleihen dachte. Weit gefehlt. "Das ist das erste Album, auf dem ich ganz ich selbst sein kann. Das sind meine Texte, das bin ich als Künstlerin."

Um den Wandel auch nach außen deutlich zu machen, war Schluss mit der blonden Mähne. Schwarz und Rot geben nun den Ton an. So radikal ist der musikalische Wandel auf "Introducing..." allerdings nicht, denn Joss Stone bleibt "ihrem" Soul treu, mixt Motown Stomp ("Girl they won't believe it") mit weichen Sounds in "Arms of my Baby" und würzt den kirchlichen Südstaaten Soul von "Tell me what we're gonna do now" mit den HipHop-Einlagen von Common. Und wenn sie dann in "Music" begleitet von Lauryn Hill singt "I'm so in love with my music", dann glaubt man ihr das sofort.

Doch vor allem schnittige R&B-Songs wie die erste Auskopplung "Tell me 'bout it" oder "Put your hands on me Baby" passen ins Bild der "Soul-Granate" (Stefan Raab), die sich auf der Bühne nur barfuß richtig wohl fühlt: da strahlt jede Menge Lebensfreude aus den Arrangements und die Melodie setzt sich unweigerlich im Ohr fest.

Im 2. Teil: Amy will nicht in die Entzugsklinik...

Für sich genommen, ist "Introducing Joss Stone" durchaus ein schöner Fortschritt in der Entwicklung der jungen Britin mit der beeindruckenden "schwarzen" Soul-Stimme.

(Foto: Foto: Universal Promotion)

Wäre da nicht Amy Winehouse. Und deren zeitgleich auf dem deutschen Markt erscheinendes Album "Back to Black".

Wo Joss Stone auf Ihrem Cover mit farbenfroher Körperbemalung aufwartet, zeigt Winehouse waschechte Tatoos und zelebriert den Spagat zwischen fragiler Persönlichkeit und wilder Angriffslust. Wenn Joss Stone in "In the arms of my Baby" die Einsamkeit während des Tourlebens, nun ja, verarbeitet, reiht die junge Londonerin zehn außergewöhnliche Klagelieder aus einem feinen Netz von Jazz, Soul, Funk und einzelnen HipHop Beats auf "Back to Black" aneinander. Während Stone ihre Musik liebt und darüber singt, breitet Winehouse ihr Liebes- und Seelenleben aus.

Die stechende Single "Rehab" schickte nicht nur das Publikum der Brit Awards schnurstracks in die 60er Jahre zurück, sondern gibt auch auf dem Album klar die Richtung vor: "They tried to make me go to rehab I said no no no" (Sie wollten mich auf Entzug schicken aber ich sagte nein, nein, nein). Der Ruf als "trinkfreudige Soul-Göre" ( Focus), die ein Konzert auch schon mal betrunken nach nur einem Song beenden muss, eilt ihr längst voraus.

Doch Amy Winehouse schert sich nicht wirklich drum: "Ich weiß, wie sehr mir ein Song helfen kann, wenn es mir gerade schlecht geht. Ich muss einfach nur einen Song schreiben und vortragen, und schon verschwinden diese unschönen Gefühle wieder. Ich verstehe mich persönlich immer dann am besten, wenn ich gerade einen Song geschrieben habe." Die unschönen Momente müssen in den vergangenen zwei Jahren an der Tagesordnung gewesen sein. Und das kommt dem neuen Album durchaus zugute.

Ein Auszug aus der halbstündigen Therapiesitzung "Back to Black": "You know I'm no good", "Love is a losing game", "Tears dry on their own", "Some unholy war". Das hörbare Ergebnis: Üppiger Motown Swing, getragen von einer kraftvollen, sehnigen Stimme, die den Charme einer Jazz Club-Sängerin aus dem vergangenen Jahrhundert mit durch und durch modernen Texten virtuos verquickt. Es ist diese dunkle Melancholie, die den Reiz und die Klasse von Amy Winehouse ausmacht. Da perlt die Seele des Soul einfach aus jeder Zeile und man kann sich diesem intensiven Zauber kaum entziehen. Will man auch nicht.

Amy Winehouse, "Back to Black" (Island Records/Universal)

1. Rehab 2. You know I'm no good 3. Me & Mr Jones 4. Just friends 5. Back to Black 6. Love is a losing game 7. Tears dry on their own 8. Wake up alone 9. Some unholy war 10. He can only hold her

Joss Stone, "Introducing Joss Stone" (Virgin/EMI) 1. Vinnie Jones' Intro 2. Girls They Won't Believe It 3. Head Turner 4. Tell Me 'Bout It 5. Tell Me What We're Gonna Do Now 6. Put Your Hands On Me Baby 7. Music 8. In The Arms Of My Baby 9. I Wish (Interlude) 10. I Wish 11. Catch Me 12. Not Real Love 13. Baby Baby Baby 14. What Were We Thinking? 15. Music Outro

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: