Amerikanische Fernsehserien:Verspätet, versteckt, verheizt

Amerikanische TV-Serien haben im deutschen Fernsehen schlechte Einschaltquoten, weil die Zuschauer sie schon im Internet gesehen haben. Dass es strafbar ist, stört kaum jemanden.

Jürgen Schmieder

Die Serie funktioniert einfach nicht - zumindest nicht bei ProSieben. Als der Sender am vergangenen Montag die erste Folge der hochgelobten vierten Staffel von "Lost" ausstrahlte, sahen gerade einmal 1,3 Millionen Menschen zu. Das entspricht einem Marktanteil von 9,4 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe. Ein durchwachsenes Ergebnis, zumal "Lost" weltweit bestens rezipiert wird - nach "CSI" kann die Serie des Senders ABC die zweitmeisten Zuschauer vorweisen.

Amerikanische Fernsehserien

Erst ein Jahr später im deutschen Free-TV zu sehen: die Serie "Lost".

(Foto: Foto: ABC)

Ein Grund für die niedrigen Quoten freilich könnte der frappierende Zeitunterschied der Erstausstrahlungen sein. In den Vereinigten Staaten werden am heutigen Mittwoch die ersten beiden Episoden der fünften Staffel ausgestrahlt. ProSieben hinkt also ein Jahr hinterher - bei einer Serie, deren Suchtpotential aufgrund der Erzählstruktur gigantisch ist, eine lange Zeit. Pressesprecher Christoph Körfer jedoch glaubt nicht, dass die Verzögerung schuld ist: "Es ist kein Zusammenhang herzustellen. 'Lost' musste vielmehr gegen das 'Dschungelcamp' antreten und liegt deshalb im Rahmen der Erwartungen." Es gebe wenige Menschen in Deutschland, die sich die Episoden schon vorher besorgt hätten.

Es könnte sein, dass Körfer mit dieser Einschätzung irrt. Gewaltig irrt. Eine kürzlich erschienene Studie des Marktforschungsinstituts tfactory zeigt, dass mehr als 50 Prozent der Menschen zwischen 15 und 25 Jahren Serien nicht mehr im Fernsehen, sondern online verfolgen oder herunterladen. Die Downloadkapazität heutzutage macht es möglich, innerhalb weniger Minuten eine komplette Folge auf der Festplatte zu haben.

Es gibt gleich mehrere Möglichkeiten, sich Filme und Serien im Internet zu besorgen. Meist stehen die Folgen schon wenige Stunden nach der amerikanischen Erstausstrahlung zum illegalen Download im Internet bereit, oftmals sogar mit deutschen Untertiteln. Die letzte Folge der vierten Staffel stand eine Stunde nach der Ausstrahlung mit deutschen Untertiteln bereit, die Download-Zahlen waren enorm. Einige Seiten bieten Serien auch per Streaming an, ein Download ist nicht nötig.

Dabei ist selbst das illegal. "Beim Streaming generell ruft der Benutzer die gewünschte Videodatei ab, dabei startet die Wiedergabe sofort, ohne dass die Datei auf der Festplatte gespeichert werden muss", sagt der Hamburger Rechtsanwalt Andreas Roy. "Dennoch wird die Datei im Arbeitsspeicher zwischengespeichert, hierdurch kommt es zur Vervielfältigung, die strafbar ist."

"Lost" ist nicht die einzige amerikanische Serie, deren verzögerte Ausstrahlung für geringe Einschaltquoten im Free-TV sorgt. Bei vielen Serien zeichnet sich ein Schema ab, nach dem die Sender agieren - und Einschaltquoten einbüßen. Eine in den Vereinigten Staaten erfolgreiche Serie wird mit zeitlicher Verzögerung in Deutschland eingeführt. Nur wenn auch hierzulande die Quoten stimmen, darf sie weiter im Primetime laufen. Bei Erfolglosigkeit ("Prison Break", "Sopranos", "Seinfeld") wird sie ins Nachtprogramm abgeschoben oder abgesetzt, Zeit zur Entwicklung wird ihnen kaum gegeben. Erfreuliche Ausnahme: Vox entschied sich, trotz durchwachsener Quoten an der Serie "CSI" festzuhalten. Mittlerweile erreicht die Serie mehr als vier Millionen Zuschauer pro Folge.

Erfolgreiche Serien laufen weiter - mit zeitlicher Verzögerung, ein Teufelskreis beginnt: Die Zuschauer besorgen sich die künftigen Staffeln über das Internet. Die Einschaltquoten im Free-TV sinken, was die Sender veranlasst, die Serie abzusetzen oder ihr einen schlechteren Sendeplatz zu geben - oder sie mit noch größerer Verzögerung auszustrahlen, um die Lizenzgebühren zu senken.

Das Phänomen der Verspätung indes ist nicht nur durch das Internet zu begründen, das bekannteste Beispiel ist "Akte X". In der Chronologie der Serien dient der Kinofilm als Überleitung von der fünften zur sechsten Staffel. In Deutschland zeigte ProSieben allerdings nur vier Staffeln, bevor der Film hierzulande ins Kino kam. Das deutsche Publikum hatte deshalb Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen, der Film floppte in Deutschland.

"Ein Grund für die zeitliche Verzögerung ist die Lizensierung und natürlich braucht auch die Synchronisation seine Zeit", sagt Christoph Körfer. Allerdings starten heutzutage viele Kinofilme weltweit zeitgleich, auch der Start der siebten Staffel von "24" lief zeitgleich beim US-Sender Fox und dem deutschen Abonnementkanal Premiere. Nun allerdings wartet Premiere mit der Ausstrahlung der weiteren Folgen - und schon gibt es wieder zahlreiche Download-Angebote im Internet. ProSieben führte dagegen in der vergangenen Woche die in den USA überaus erfolgreiche Serie "Terminator: The Sarah Connor Chronicles" ein - mit exakt einem Jahr Verspätung. Im Internet gibt es die komplette erste Staffel bereits mit deutschen Untertiteln.

Die Sender könnten freilich gegen eine Vervielfältigung vorgehen. "Da es sich bei den unrechtmäßigen Downloads letztlich um unerlaubte Handlungen handelt, bleibt den Sendeanstalten als Rechteinhabern die Möglichkeit, nach dem Vorbild der Musikindustrie konsequent gegen die Rechteverletzter vorzugehen", sagt Rechtsanwalt Roy. "Hierfür ist aber ein nicht unerheblicher Kontrollapparat erforderlich. Auf diese Weise ist es jedoch möglich, gegen einen Teil der Anbieter Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche durchzusetzen."

Die Sender könnten aber auch versuchen, Serien zeitnah auszustrahlen wie etwa "Desperate Housewives". Beim US-Sender ABC startete die fünfte Staffel vor drei Monaten, am vergangenen Mittwoch bereits zeigte ProSieben die erste Folge. Das Ergebnis: 3,01 Millionen Fernsehzuschauer, 18,9 Prozent Marktanteil bei der werberelevanten Zielgruppe. Eine amerikanische Serie funktioniert also durchaus - wenn sie in Deutschland schnell genug ausgestrahlt wird.

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