"Ambulance" im Kino:Spur der Verwüstung

Lesezeit: 3 min

Jake Gyllenhaal als fliehender Bankräuber im titelgebenden Gefährt in "Ambulance". (Foto: Andrew Cooper/Universal)

Mit dem Auto-Verfolgungsfilm "Ambulance" versucht Explosions- und Krawallspezialist Michael Bay, sich zu fokussieren. Ganz klappt es nicht.

Von Philipp Stadelmaier

Am Anfang spiegelt sich die aufgehende orangerote kalifornische Sonne in den Glasfassaden der Hochhäuser von L.A., in denen sie am Ende wieder versinkt. Dazwischen werden jede Menge Autobleche geschrottet, Magazine verballert, Leben gerettet und andere genommen. Ein ganz normaler Tag in einem Film von Hollywoods führendem Krawallspezialisten Michael Bay.

"Ambulance" heißt dessen neues Werk. Zunächst folgen wir darin Will (Yahya Abdul-Mateen II), einem Ex-Soldaten, der sich mit der Bitte um finanzielle Hilfe (seine Frau benötigt eine teure Operation) an seinen psychopathisch-kriminellen, von Jack Gyllenhaal verkörperten Adoptivbruder Danny wendet. Der überredet Will, ihm bei einem Banküberfall in der Innenstadt zu helfen - ein ganz einfaches Ding, nachdem alle reich sein werden.

Doch die Sache geht schief, die Cops erwarten die Bankräuber auf der Straße, und die Brüder kidnappen einen Krankenwagen, der zum Tatort gefahren ist, wobei sie eine Rettungssanitäterin (Eiza González) und einen lebensgefährlich angeschossenen Cop als Geiseln nehmen. Somit wird das Rettungs- zum Fluchtfahrzeug, das über zwei Stunden Filmlaufzeit hinweg von diversen Polizeiautos durch die Stadt gejagt wird. Und eine fürs Genre übliche Spur der Verwüstung hinterlässt, die dadurch potenziert wird, dass eben Michael Bay Regie führt.

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Dennoch ist gerade für den zerstörungswütigen Filmemacher, der auf der Leinwand schon so einiges in die Luft gesprengt hat (Beverly Hills, Pearl Harbor, einen Meteoriten, der die Welt zerstören soll), der Film erstaunlich explosionsarm geraten. Und nachdem es in Bays "Transformers"-Reihe auch schon um Autos ging, die sich in Form sprechender und permanent transformierender Roboter durch eine freidrehende, sinnbefreite Kinderfantasie prügelten, kehrt er mit "Ambulance" auf den Asphalt von L.A. und damit zumindest ansatzweise auf den Boden der Realität zurück.

Der Stresslevel des Films bleibt auf monoton hohem Niveau

Die Konzentration der Handlung auf das Innere eines Wagens, dem die ganze Welt auf den Fersen ist, verleiht dem Film jedenfalls Struktur und tut der Dramaturgie gut, da die Notwendigkeit, nicht anhalten zu dürfen, also die Unmöglichkeit, das Auto zu verlassen, zu ein paar interessanten und komischen Szenen führt. Die Sanitäterin muss während der Fahrt eine Operation am verwundeten Polizisten durchführen, während per Laptop einige Mediziner zugeschaltet sind.

Narkose gibt es keine, während sie auf der Suche nach einer Kugel mit der Hand im Magen des halbtoten Ordnungshüters herumwühlt. Dafür schlägt Will den Patienten einfach k.o., als der aufzuwachen droht, und zum Abklemmen einer Arterie verwendet die Sanitäterin ihre Haarspange. Es handelt sich um eine alte Lektion Hitchcocks: Man muss immer mit dem arbeiten, was man gerade parat hat.

Ansonsten prescht die Montage wie immer bei Bay von einer Actionszene zur nächsten, wird der Dialog konstant geschrien, verharrt das Stresslevel auf monoton hohem Niveau. Es ist faszinierend zu beobachten, dass Bay keinerlei Unterschied zu kennen scheint zwischen einem Bild und einem anderen. Ein Beispiel wäre der anfängliche Bankraub, der an Michael Manns legendären Gangsterfilmklassiker "Heat" von 1995 erinnert.

Auch hier wurde eine Bank überfallen, am helllichten Tag und mitten in L.A., wobei sich die Spannung langsam aufbaute und in einem der berühmtesten Feuergefechte der Filmgeschichte entlud. Aber Michael Bay ist nicht Michael Mann. In "Ambulance" gibt es keinen Unterschied zwischen dem Davor, dem Währenddessen und dem Danach, und damit keinen Suspense.

Während die Gangster sich dem Gebäude nähern, die Tiefgarage durchschreiten und mit dem Aufzug in die Bank fahren, ist das schon so hektisch und hyperaktiv inszeniert, als würde Bay bereits nervös mit dem Bein zappeln, weil er einfach nur endlich zur Sache kommen will. Als es dann so weit ist, dreht er fast durch vor Erregung, sodass man sich im Kugelhagel und den ersten Blechkarambolagen weder räumlich noch zeitlich orientieren kann. Und danach geht es einfach immer so weiter.

So ist "Ambulance" bei allen Ansätzen von Mäßigung dann doch wieder ein typischer Bay: das Werk eines tobsüchtigen Kindes, das schreiend mit Polizeiautos um sich schmeißt, von denen im Film ja auch einige gegen Wände und andere Hindernisse prallen. "We fucked up", wir haben es verschissen, dieser Satz am Ende des Films steht auch für die Einsicht, dass immer nur alles kaputt geht, egal, was man auch spielen mag.

Ambulance , USA 2022 - Regie: Michael Bay. Drehbuch: Chris Fedak. Kamera: Roberto de Angelis. Mit Jake Gyllenhaal, Eiza González, Yahya Abdul-Mateen II. Universal Pictures, 136 Min. Kinostart: 24.3.2022.

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