Sängerin Amber Mark:Poesie der Sterne

Lesezeit: 4 Min.

Mantra und Name ihrer Mutter als Tattoo: Amber Mark. (Foto: Nelson Huang)

Die Soulsängerin Amber Mark ist mit einer gehörigen Dosis Spiritualität aufgewachsen. Ihr neues Album ist allerdings von der Quantenphysik inspiriert.

Von Andrian Kreye

Für die Beatniks, Hippies und all die anderen Speerspitzen der Verweltlichung war die Frage schon immer schwierig, an was man noch glauben kann, wenn man vom Glauben abgefallen ist. Amber Mark, im Hauptberuf Soulsängerin, ist mit 28 natürlich sehr viel jünger als die Sinnsuchergenerationen. Aber als Tochter einer Künstlerin, die die Suche einst sehr ernst nahm, kennt sie die Frage nur zu gut, und hat einen erstaunlich eigenen Weg zur Antwort gefunden: die Quantenphysik.

Wenn sie beim Interview vor der Webcam gestikuliert, sieht man auf ihrer Hand allerdings erst einmal eine Tätowierung mit tibetanischen Schriftzeichen. "Das ist ein Mantra, das meine Mutter immer gebetet hat", sagt sie auf die Frage, was denn da steht. "Karmapa Khyenno." Bitte? "Das heißt ... nun, das ist eines der gebräuchlichsten Mantren im tibetanischen Buddhismus und soll einem den Weg ins Shambhala zeigen." In das mythische Himmelreich. Und nein, sie ist keine praktizierende Buddhistin. Sie meditiert nur ab und zu noch. Aber ihre Mutter, die war sehr ernsthaft dabei: Mia, eine Tänzerin und Malerin aus Kaiserslautern, mit der Mark ein ziemlich wildes Leben geführt hat.

Vor allem der Tod ihrer Mutter vor neun Jahren geht ihr immer noch nahe

Man wohnte eine Zeit lang in der Nähe von Darjeeling in Indien. Mia lernte da in einem Kloster Thangka-Malerei, und Amber hing immer mit den Mönchen herum. Das Klosterleben mit seinen Ritualen und Gebeten sei ein Alltag gewesen, an den sie sich gerne erinnere: die Heiterkeit, die Gelassenheit, mit der die Mönche ihrem Leben nachgingen.

Neun, zehn Jahre alt war Mark damals, und sie hatten schon in München und New York gelebt. Geboren wurde sie auf einer Farm in Tennessee, betrieben von spirituellen Hebammen. Als sie zwölf war, zogen sie dann nach Berlin, dann wieder in die USA. Irgendwann schenkte ihre Mutter ihr eine Gitarre. Da begann das mit der Musik, die sie seither nie mehr losgelassen hat.

Amber Mark: "Three Dimensions Deep" (Foto: EMI / PMR Records)

Musik übrigens, der man dieses Hippienomadenleben nicht anhört. Von ihrer ersten Single "Space" bis zu ihrem neuen Album "Three Dimensions Deep" zieht sich eine Gegenwart durchs Klangbild, die zwischen vollsatten R'n'B-Beats und den fein ziselierten Rhythmuskapriolen des Hip-Hop darüber hinwegtäuscht, dass es hier die Sorte hochemotionale Musik gibt, die die meisten in zartere Formen wie den Folk oder den Koloratur-Soul kanalisieren. Mark macht aus ihrer Verletzlichkeit hingegen kein Geheimnis. Auch nicht im Gespräch.

Vor allem der Tod ihrer Mutter vor neun Jahren geht ihr immer noch nahe. Auf ihrem ersten Album "3:33am" gibt es eine Ballade mit dem Titel "Monsoon", bei der sie auf der Bühne hin und wieder in Tränen ausbricht. Nicht nur, weil sie die Stimme ihrer Mutter da gesampelt hat. "Als wir in Indien lebten, hat mich meine Mutter über den Sommer immer zu Freunden nach New York geschickt", sagt sie. "Das war in Indien die Zeit des Monsuns und ich wusste immer, wenn der Regen in Darjeeling fällt, ist sie dort und ich bin hier. Mit dem Song tröste ich mich ein wenig, dass ich hier und sie an einem anderen Ort ist."

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Zum neuen Album hat sie ein dreiteiliges Video veröffentlicht, in dem sie erstaunlich offen über ihre Emotionen und Unsicherheiten spricht, die in ihre Musik einfließen. Sie wirkt da ziemlich nervenbündelig, was aber vor allem daran liegt, dass hier viele Höhen und Tiefen ihrer Gefühlswelt aus mehreren Monaten auf die Schnittfolgen der Onlinewelt komprimierte sind. Ihre Stimme ist auf dem Album viel fester. Da liegt eine Stärke in ihrem Rauchtimbre, das immer wieder mal an Sade in ihren besten Momenten erinnert. Das trägt, und deswegen schimmert auch nirgendwo das Silberflittern eines Korrekturprogramms durch, das bei anderen nicht nur Stimmschwächen ausgleicht, sondern auch Höhe der Moderne signalisieren soll.

Kurz nach der ersten Hälfte des Albums katapultiert sich Amber Mark dann mit den Kreiselakkorden der Ballade "Out of This World" in die neue Gefühls- und Gedankenwelt, die sie etwas kokett als "mein eigenes kleines Universum" bezeichnet. Während der Pandemie hat sie die entdeckt, als sie, wie so viele, in den Kaninchenbau von Youtube taumelte und dort eine neue Welt entdeckte.

Stephen Hawkings Spaghetti-Effekt, Ereignishorizonte, das Gottpartikel? Kennt sie alles

"In der Quantenphysik fand ich eine direkte Verbindung zwischen Wissenschaft und der Spiritualität meiner Kindheit." Es war ein ganz besonderer Reiz, sich in den Denktaumel dieser Wissenschaft fallen zu lassen - wobei sie nicht so tut, als ob sie das alles verstünde. "Ich habe halt sehr viele Videos angeschaut." Hakt man ein wenig nach, merkt man allerdings, dass das alles doch fundierter ist, als sie zunächst zugibt. Sie hat zum Beispiel Michio Kakus "Parallel Universes" gelesen, das Buch, in dem der Pionier der Stringtheorie die Idee der Multiversen erklärt. Sie hat sich mit dem theoretischen Physiker Brian Greene beschäftigt und mit dem Astrophysiker Neil deGrasse Tyson. Alle auch Meister der Populärwissenschaft.

"Die Paralleluniversen, das Gottpartikel oder was um Schwarze Löcher herum vor sich geht, das ist alles sehr poetisch", sagt sie. "Ich wollte das unbedingt in meine Musik integrieren." Konzepte wie die Quantenverschränkung oder der Tunneleffekt seien schließlich nicht nur Naturgesetze, sie würden auch Weltbilder aushebeln. Außerdem fand Mark Motive ihrer Kindheit wieder. "Wenn wir alle Reinkarnationen des Universums sind, wie es Carl Sagan formulierte, dann ergeben auch all die Bilder von Shiva einen Sinn, die in den Bildern des Hinduismus immer ihre Hände in den Sternen hatte."

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Es ist nun nicht so, dass sie wissenschaftliche Texte vorsingt. Da ist auch kein Funken Esoterik in der Musik. Im Gegenteil: Die schiebt zum Großteil so an, dass man Kopf und Beine kaum ruhig halten kann. So steigert sie sich über eine Songstrecke hinweg in eine Art quantenphysikalisches Shambhala - "Cosmic", "Dark Side", "Bliss". Schließlich kommt sie wieder bei ihrer Mutter an. "Ich wollte das alles in eine Poesie und in den Videos in Bilder betten", sagt sie.

"Event Horizon" ist der Titel des letzten Songs. "Ereignishorizonte sind die Lichtkränze rund um die Schwarzen Löcher", sagt sie. "Religiöse Menschen stellen sich ja immer vor, dass sie an der Himmelspforte von den Verstorbenen empfangen werden. Ich hatte diese Vision von diesem Lichtstrahl, auf dem meine Mutter auf mich wartet." Reine Poesie. Denn da wäre ja noch Stephen Hawkings Spaghetti-Effekt. Sie lacht. Der zerlegt jede nur erdenkliche Materie bis hin zum Licht im Schwarzen Loch in dünne Streifen. Sternen passiert das andauernd da draußen. Tief im Universum. Auch darin liegt ja eine lyrische Schönheit.

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