Alternative Fernsehpreise:Beste Verkörperung des Nichts

An diesem Samstag wurde in Köln der deutsche Fernsehpreis verliehen. Weil das deutsche Fernsehen so gut ist, gibt es 26 Preisträger. Ein paar sind trotzdem vergessen worden. Wir reichen sie nach.

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An diesem Samstag wurde in Köln der deutsche Fernsehpreis verliehen. Weil das deutsche Fernsehen so gut ist, gibt es 26 Preisträger. Ein paar sind trotzdem vergessen worden. Wir reichen sie hier nach.

Putzigste Nachrichtensprecherin: Kay-Sölve Richter

Das hat es seit Lewis Carrolls "Alice im Wunderland" nicht mehr gegeben: ein Lächeln, das bleibt, selbst dann, wenn das Gesicht längst wieder verschwunden ist. Terroranschläge, Erdbeben, Waldbrandkatastrophen - das muss einen nicht mehr erschüttern, denn die Antwort auf das tägliche Armageddon ist die gute Laune von Kay-Sölve Richter, die im ZDF-"Morgenmagazin" die Nachrichten aufsagt. Ihr Optimismus dient als Gegengewicht zu den investigativen Fragen unangepasster Aufklärer wie Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner oder Jörg Pilawa.

Foto: ZDF/Rico Rossival

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Überzeugendster "Tagesthemen"-Kommentator: Sigmund Gottlieb

Der BR-Chefredakteur ist nicht nur ausgesprochen fleißig - was ihn in den vergangenen Jahren in den Tagesthemen immer wieder zum Kommentator mit den häufigsten Auftritten machte. Er ist auch das größte rhetorische Talent seit Caesar Strabo Vopiscus. Seine Rede beginnt meist mit einer direkten Ansprache (prooemium, etwa: "Was haben Sie sich dabei gedacht, Herr Beck?") - da ist jeder gleich gefesselt. Es folgt die Erzählung (narratio, etwa: "Die SPD spinnt"), eine eindeutige Beweisführung (argumentatio, etwa: "Eigentlich hat die SPD ja schon immer gesponnen") und die Widerlegung aller gegnerischen Argumente (confutatio, etwa: "Hätte die SPD auf die CSU gehört, so stünde Deutschland besser da"). Die Conclusio laute bisher: "Stoiber". In Zukunft: "Beckstein".

Foto: BR

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Bestes Recycling-Konzept: Die Retro-Shows

"Getretener Quark wird breit, nicht stark", glaubte Goethe. Stimmt natürlich nicht. Wie schön ist es doch beim Familienkaffee am Sonntag immer wieder, den alten Schoten der Verwandtschaft zu lauschen. Nach dem gleichen Erfolgsrezept funktionieren auch die herrlichen Retro-Shows, wie sie nicht nur im Privatfernsehen seit Jahren erfolgreich laufen. Mensch, könnt ihr euch noch dran erinnern, wie wir damals bei Tegtmeiers Reisen gelacht haben? So etwas Lustiges gibt' s ja heute gar nicht mehr. Und bei Uschi Obermaier muss man gleich an seine erste Liebe denken. Schön. Quark lebt!

Foto:dpa

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Originellstes Sakko: Florian Silbereisen

Rosa Anzug mit Leopardenfellimitat am Revers! Kanarienvogelgelbes Sakko zu weinroter Samthose und goldenen Stiefeletten! Weißer Frack mit silbernem Blumenmuster! Nein, hier geht es nicht um die Frühjahrskollektion von Gucci, sondern um den Jungstar des Volksmusikfernsehens, Florian Silbereisen. Der lustige Bunte-Abend-Onkel der ARD traut sich in Klamotten auf die Bühne, die jeder Drag Queen zu schrill wären. Funky Flori macht das "Fest der Volksmusik" zum Fest für die Augen. Hut ab.

Foto: dpa

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Beste Dankesrede: Veronica Ferres

Böse Menschen behaupten, das schauspielerische Talent der Veronica Ferres werde grob überschätzt. Diese Menschen haben Veronica Ferres noch nie eine Dankesrede halten hören. Wie ihre Augen plötzlich feuchteln. Und die Stimme brüchig wird. Und der Atem stockend. Wie diese brüchige, stockende Stimme sagt, dass sie, die große Ferres, doch eigentlich ein kleines Mädchen geblieben sei, das fest an den lieben Gott glaube und jetzt einfach nur dankbar sei. Veronica Ferres werden die Bambis, Romys und Grimme-Preise als beste Darstellerin seit Jahren hinterher geworfen. Aber erst, wenn man sie in der Rolle der Dankesrednerin gesehen hat, versteht man, dass sie ihre Preise wirklich wert ist. Für den Fernsehpreis ist sie natürlich wieder nominiert. Sie wird bereit sein, alles zu geben.

Foto: AP

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Höchster Nutzwert pro Quadratzentimeter Bildschirm: Viva

Seit Ottfried Fischer zum Bullen von Tölz mutierte, hat nicht mehr so viel Materie auf einem Bildschirm Platz gefunden wie beim Simultansender Viva. Rechts oben glimmt das Logo, links oben flackern die Charts, rechts unten flimmert die Telefonnummer, unter der man 50-Cent-Stücke in Klingeltöne eintauschen kann, und über den unteren Bildschirmrand kriecht Jules SMS-Nachricht an die Söhne von Uwe Ochsenknecht: "Jimi & Wilson ihr seit so geil eure Jule." Irgendwo dahinter ringt ein Musikvideo um Aufmerksamkeit. Fazit: Keine Macht den Drogen. Schwindelgefühle, Schüttelkrämpfe und bewusstseinserweiternde Trips durch die Pastelltonpalette gibt es auch legal. Viva statt LSD!

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Stylishstes Talksofa: "Anne Will"

Kürzlich durch die Kanäle gezappt und bei "Wetten dass...?" hängengeblieben. Typisch, alle Hollywoodstars und Paris Hilton mal wieder früher weg, auf dem Talksofa nur noch eine Person, dem Aussehen nach in der "Lindenstraße" beschäftigt. Also alles wie immer. Mit der Ausnahme, dass Gottschalk fehlte. War ja dann auch gar nicht Gottschalk. Sondern "Anne Will". Eigentlicher Talk ganz woanders, Sofa eher Satellitenmöbel mit Stimme des Volkes drauf. Alias Kerstin W., fünf Euro die Stunde. Aber das Sofa todschick: cremeweißes Modell, bauhausmäßig um die Ecke designt, semibequem, kein Schnickschnack, Rotweinflecken garantiert abwaschbar. Hat bestimmt viel Geld gekostet. Unterm Strich: Bestes Pro-Mindestlohn-Argument des Abends.

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Herausragende Darstellung eines Nichts: Oliver Pocher

Wenn es jemanden gibt, dessen öffentliche Erscheinung auf geniale Weise gänzlich rückstandsfrei verpufft, dann ist das Oliver Pocher. Wie es dieser alerte Magier des Nichts schafft, völlige Witzfreiheit und kreative Unzulänglichkeit in einer Person darzustellen, verdient mindestens jene Beachtung, die ihm bei seiner bisher größten schauspielerischen Leistung, der Werbung für einen Elektronikmarkt, zuteil wurde. Schön, dass sich so einer nicht zu schade ist, demnächst für den in kabarettistischer Hinsicht öffentlich dahinsiechenden Harald Schmidt den televisionären Sterbebegleiter zu geben.

Pocher in "Aus dem Leben eines B-Promis"; 1. und 8.10., 20.15 Uhr, ProSieben

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Zukunftsweisendster Sender: Astro TV

Führende Fernsehmacher rätseln, wie sie im Markt der Zukunft gegen das Internet bestehen können. Astro TV hat das nicht nötig. Der Sender rätselt zwar auch dauernd und wirkt auf den ersten Blick wie von gestern. Astro TV ist aber seiner Zeit weit voraus. Orakelnde Moderatorinnen, Tarotkarten, Sterne - das Programm weist konsequent in die Zukunft.

Foto: Astro TV

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Beste Doku-Soap: "Die Auswanderer" (RTL)

Den besten Beweis, dass das deutsche Bildungsfernsehen lebt, liefern all jene schönen Doku-Soaps, die Auswanderer in ein fernes Land begleiten und ihnen dort beim Versagen zuschauen. Endlich wird mal deutlich, dass es in Neuseeland von Vorteil ist, wenn man ein bisschen Englisch spricht, und dass man in Norwegen bessere Chancen hat, wenn man zwei, drei Worte der dort handelsüblichen Sprache beherrscht. Auch die Erkenntnis, dass man in einem fremden Land schneller einen Job bekommt, wenn man schon vor dem Mittagessen aus dem Bett klettert, steht als echter Gewinn in der Bilanz. Danke, Fernsehen.

(Texte: Titus Arnu, Hans Hoff, Tanja Rest, Martin Zips Foto: ddp)

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