Alte Kunst:Stillleben mit Weltkulturerbe

Lesezeit: 4 min

"Es ist schwer geworden, schöne Dinge zu finden", klagt ein Bamberger Kunsthändler. Dabei ist nirgendwo so viel Schönes versammelt wie bei der Antiquitätenwochen in der oberfränkischen Stadt.

Von Dorothea Baumer

Das Antiquitätenviertel wird zunehmend zur Visitenkarte von Bamberg", sagt Walter Senger. Der Kunsthändler weiß um diese ausgeprägte Liebe zur Vergangenheit. Bamberg ist stolz auf seine Geschichte. Und es lebt davon.

Nicht unwesentlich haben dazu die Antiquitätenhändler beigetragen, die sich hier im engen Radius und in erstaunlicher Anzahl am Fuße des Dombergs angesiedelt haben. Sie alle residieren in historischen Gebäuden der malerischen Altstadt. Sie gehörten zu den ersten, die mit der gehörigen Sensibilität ihre spätgotischen Stadthäuser oder barocken Palais restaurieren ließen und so mit neuem Leben füllten. Bis heute verstehen sie sich als engagierte Vermittler einer großen künstlerischen Tradition, die im Unesco-Weltkulturerbetitel nur ihren sichtbarsten Niederschlag fand.

Mit Vorträgen und Konzerten lockt man die Festspielgäste aus dem nahen Bayreuth

Von ihrer besten Seite zeigen sich diese Händler jedes Jahr in ihren sommerlichen Kunst- und Antiquitätenwochen, in denen sie gemeinsam, parallel zu den Richard-Wagner-Festspielen im benachbarten Bayreuth, in ihre Galerien einladen. Mit großzügigen Öffnungszeiten rund um die Wochenenden, mit Vorträgen und Spezialführungen und aparten Konzerten im nahen Schönbornschen Schloss Weißenstein in Pommersfelden pflegt man die Festspielgäste zu locken.

Mit Erfolg. Die Händler verweisen auf ihre reichlichen Besucheranmeldungen, denn, anders als das auf großen Messen möglich wäre, sind in Bamberg der intime Rahmen, die persönliche Aufmerksamkeit und ein fachlicher Austausch das Pfund, mit dem man wuchert. Existentiell würde das niemand nennen, aber darin jedenfalls sind sich die Kollegen mit Christian Eduard Franke-Landwers einig: "Bayreuth spielt eine große Rolle."

Noch bevor sich auf dem Grünen Hügel der Vorhang hebt, hat der Händler, zusammen mit seinem Partner Christoph von Seckendorff, bereits letzte Vorkehrungen getroffen. 3000 Einladungen und ein formidabel ausgestatteter Katalog mit den Neuerwerbungen sind verschickt, das unvergleichlich opulente, auf zwei Etagen präsentierte Angebot zu teils neuen inspirierenden Ensembles arrangiert.

Was Franke-Landwers mit seinen Stammkunden teilt, nennt er ohne Scheu "eine Liebe zu den ganz wertvollen Möbeln". Was sie ausmacht, kann er in zwei Worte fassen: "Sie müssen gut sein und über Zweifel erhaben."

Ein Aufsatzsekretär aus der Werkstatt David Roentgens ist so ein Ausnahmestück: ein Möbel von geradezu vollkommener Schönheit, das in vielen Details eine außergewöhnliche Meisterschaft verrät, am auffallendsten wohl in seinen ebenso üppigen wie eleganten Intarsien. Die museale Qualität, der gute Erhaltungszustand und eine ebensolche Provenienz sind es dann, die einen Preis von 146 000 Euro rechtfertigen.

Porträt der Gräfin von Perusa von Johann Michael Kaufmann (um 1760). (Foto: Franke-Landwers)

Von solchen Highlights abgesehen, kann man bei Franke-Landwers auf ganz verschiedenen Preisniveaus fündig werden: bei feinen Silbergerätschaften und Fayencen, ausgesuchten Rokokogemälden, kleinen Renaissancebronzen, selbst unter seltenen Jagdtrophäen, wie sie etwa ein exotisches, annähernd lebensgroßes Antilopenpaar darstellt, ausgezeichnet mit 24 600 Euro.

An ausgemachten Raritäten fehlt es auch Mathias Wenzel nicht, der Bambergs ältestes, schon von seinem Vater vor über sechzig Jahren gegründetes Antiquitätengeschäft betreibt. Weithin bekannt sind seine offenbar unerschöpflichen Vorräte an spätgotischen Lüsterweibchen, eine reizvolle regionalen Spezialität, die ihre Liebhaber hat.

Doch im Zentrum des Angebots steht anderes. Die rundum gearbeitete süddeutsche Mondsichelmadonna etwa, die um 1500 entstanden ist, mit einer Größe von fast einem Meter, vor allem aber ihrer Qualität Vergleichbares überragt. Auch bei ihr schlägt sich das natürlich im Preis nieder: 95 000 Euro. Auch die barocke Feinmalerei einer Landschaft des Grazer Meisters Franz Christoph Janneck, zu haben für 35 000 Euro, lohnt einen näheren Blick, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen.

Dass die Qualität eines Angebots nicht von der Größe des Showrooms abhängt, beweist seit Jahren Julia Heiss. Ihr winziges Silber-Kontor, untergebracht in einem Fachwerkhaus von 1490, bietet modernes skandinavisches Silber erster Güte. Wer ihren Laden betritt, um ein Silberlöffelchen für 50 Euro zu kaufen, läuft durchaus Gefahr es mit einer Schale von Hans Hansen für 2800 wieder zu verlassen.

Skulpturen sind in Bamberg zweifellos einer der Schwerpunkte. Das hat mit der fränkischen Kunsttradition zu tun, aber auch mit einer Händlerpersönlichkeit wie Walter Senger. Als Spezialist zählt Senger zu den international erfahrensten Händlern. Er ist nicht nur in Bamberger Kollegenkreisen eine weithin respektierte Instanz. Der Sengersche Skulpturenkeller ist legendär, ein vor allem von Sammlern sakraler Plastik geschätzter Raum, um sich ungestört den spätgotischen und barocken Heiligenfiguren zu widmen, die er dort zeigt.

Von Veit Stoß stammt dieser um 1500 entstandene Leuchterengel. (Foto: Senger Kunsthandel)

Aber Senger ist Generalist, also in verschiedenen Sparten zu Hause. Seine jüngste Entdeckung, ein sehr attraktives, fast sonderbares und jedenfalls noch nicht identifiziertes Stillleben mit Blütenzweigen und Insekten, wohl um 1700 gemalt, lässt ihn dennoch seufzen: "Es ist sehr schwer geworden, schöne Dinge zu finden".

Aber nicht aussichtslos, möchte man ergänzen, ringsum umgeben von neuen Gemälden aus Hohenzollernbesitz und einem köstlichen Stück Bayreuther Rokoko in Gestalt eines Teetischchens mit Fayenceplatte aus der markgräflichen Zeit Wilhelmines, der Schwester Friedrichs des Großen (68 000 Euro).

Eine mit 3-D-Software erzeugte Gebirgslandschaft führt in die Gegenwart

Im neuen Sengerschen Galeriehaus dagegen versucht die junge Generation, Töchter und Schwiegersohn, an die Gegenwart anzuschließen. Mittelalterliche Skulptur, zeitgenössische Kunst und modernes Design sollen nach ihrem Crossover-Konzept zusammenspielen.

Doch das Ergebnis fällt zwiespältig aus. Zu besichtigen ist vorerst ein Ensemble für Unerschrockene, flankiert von Werken aus der Werkstatt eines der größten künstlerischen Meister um 1500, Veit Stoß: zwei achtzig Zentimeter hohe Leuchterengel, die einst die renommierte Berliner Sammlung von Benoit Oppenheim beherbergte, und die nun für 185 000 Euro angeboten werden.

Einen fälligen Schritt ins Zeitgenössische unternahm auch die Organisation der Kunst- und Antiquitätenwochen. Auf Anregung von Fiona von Colberg wurde als ein erstes Projekt eine Ausstellung realisiert. Gezeigt werden auf 3D-Software basierende Gemälde des Münchner Malers und Programmierers Marc Gumpinger, darunter eine riesige Gebirgslandschaft in hammerhartem Schwarz-Weiß, die in der Tat kompromisslos in die Gegenwart führt.

Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen. Bis 23. August.

© SZ vom 03.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: