"Allmen und der Koi":Ein Fisch wird gestohlen

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Mit ausgesuchter Höflichkeit und gebügelten Hosen: Martin Suters Edel-Detektiv Johann Friedrich von Allmen begibt sich auf die Suche nach einem japanischen Zuchtkarpfen. So leicht und ironisch, wie es eben nur Suter kann.

Von Harald Eggebrecht

Leichtigkeit ist eine Zier, und wer sie literarisch mit einem untilgbaren Hauch von Ironie beherrscht, hat es selbst leicht. Das gilt für den Schweizer Autor Martin Suter und seinen Edeldetektiv Johann Friedrich von Allmen seit dessen erstem Fall. Dieses Mal muss der Mann der gehobenen Umgangsformen und des bis auf die Ausbügelung seiner Anzüge perfekten Umgangs mit den Reichen dieser Welt sich auf der Insel Ibiza auf die Suche nach einem Fisch machen, einem Brokatkarpfen, japanisch Nishikigoi oder kurz Koi. Seit 1870 pflegten und züchteten japanische Adelige diese Farbkarpfen als Zeichen ihres Ranges, Reichtums und Ansehens. Inzwischen sind Kois auch in Amerika oder Europa zu Sammelobjekten bei den Granden geworden oder solchen, die sich gern dafür halten. Die Tiere gibt es in etlichen Zuchtvarianten, und sie können, je nach Art und Perfektion der Farbverteilung sehr, sehr teuer sein.

So einen Koi, Boy genannt, ganz weiß mit einem roten Fleck auf dem Kopf, einen sogenannten Tancho, vermisst der superreiche ehemalige Musikproduzent, aber inzwischen ziemlich klapprige Mister Percival Garrett, der auf Ibiza lebt in einer ansehnlichen, um nicht zu sagen, prächtigen Finca mit seiner jungen Geliebten Anika, seinem Majordomus Jaime und den japanischen Koi-Pflegern Yuki und Yuma. Garrett füttert seine Karpfen mit getrockneten Seidenraupen, streichelt sie am Bauch und schwärmt: "Sie haben ja keine Ahnung, wie die Gesellschaft dieser Wesen entspannt. Früher, als ich noch fitter war, bin ich mit ihnen geschwommen. Mit Taucherbrille und Schnorchel. Dann war ich einer von ihnen. Ich war ein Koi!"

Suters Krimi lebt von seiner Luftigkeit, seiner gekonnten Unangestrengtheit

Allmen begibt sich mit seinem Diener und Partner Carlos nun ohne Hast und falschen Eifer auf die Spur des Fischraubs bei jenen Betuchten, die dem Luxus des Koi-Sammelns und -besitzens frönen können. Carlos hat nämlich empfohlen, nicht die Diebe des Koi ins Visier zu nehmen, weil sie im Falle des Erwischtwerdens gefährlich werden könnten. Sie sollten sich vielmehr auf die Suche nach dem Fisch konzentrieren.

Dass das bei Allmen und seinem Carlos unaufdringlich und stets mit ausgesuchter Höflichkeit vonstatten geht, versteht sich von selbst. Dass dabei auch feinste Cocktails gemixt und serviert werden, genießt Allmen, ohne deshalb sein Ziel aus den Augen zu verlieren. Er beobachtet die Begüterten, wie sie mit ihren Kois angeben und sich mit anziehenden Gespielinnen umgeben. Doch nie überhebt sich dieser wohlerzogene Detektiv über diese keineswegs sympathische Gesellschaft. Nun, Boy wird gefunden, noch deutlich unter Diebstahlschock stehend, seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben, und die Diebe werden gefasst und bestraft. Aber die Geschichte hat noch eine spezielle Pointe parat.

Suters Krimi lebt von seiner Luftigkeit, der durchaus gekonnten Unangestrengtheit und der Gewandtheit im Beschreiben luxuriöser Unerheblichkeiten. Die Geschichte, die sich auf einer längeren Zugfahrt locker lesen lässt, hat ihren Reiz in jener attraktiven Lässigkeit, über die alle Hochstapler von Rang verfügen. Dafür hat Suter einen nur im ersten Moment gefälligen Erzählton gefunden, in dem das Satirische unüberhörbar durchklingt.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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