"Allied - Vertraute Fremde" im Kino:Marion Cotillard und Brad Pitt dürfen kein Begehren zulassen

Marion Cotillard, Brad Pitt und die Sonne von Casablanca sind im Melodram "Allied" alle drei auf dem Höhepunkt ihrer Strahlkraft.

Marion Cotillard, Brad Pitt und die Sonne von Casablanca sind im Melodram "Allied" alle drei auf dem Höhepunkt ihrer Strahlkraft.

(Foto: Paramount Pictures)

"Allied" ist herrlich altmodisches Star-Kino vor Weltkriegs- und Wüstenkulisse. Nur Logik und historische Genauigkeit sollte man nicht erwarten.

Filmkritik von Tobias Kniebe

Manchmal verteilt er noch seine wundersamen Aufträge, der große alte Schicksalsgott des klassischen Hollywood. Dann schickt er zum Beispiel einen kanadischen Offizier, der im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler kämpft, per Fallschirmsprung ins besetzte Casablanca. Dort soll er eine Agentin der französischen Résistance treffen, deren Tarnung es sein wird, seine Ehefrau zu spielen. Und als er ihr dann zum ersten Mal gegenübersteht, ist es tatsächlich die schönste Frau, die er je gesehen hat.

So beginnt der Film "Allied - Vertraute Fremde" von Robert Zemeckis. Und man muss noch dazusagen, dass der Offizier von Brad Bitt gespielt wird, der mit 53 Jahren und im Wüsten-Khaki nun fast besser aussieht als je zuvor, während die Résistance-Kämpferin gern wunderbare Seidenkleider trägt und von Marion Cotillard verkörpert wird, die den Höhepunkt ihrer Strahlkraft auch gerade erst erreicht.

Respekt, Schicksalsgott, alter Knabe, denkt man in diesem Moment - schön, dass es dich noch gibt! Und dass du es immer noch gut mit den Zuschauern meinst, die sich gern an das große alte Starkino erinnern.

Auftragsgemäße Küsse vor den Nachbarn

Denn natürlich wissen alle, was sie nun zu tun haben. Casablanca muss von Nazis wimmeln und romantisch und gefährlich sein. Edle Leinenstoffe müssen einen Hauch von Knitter zeigen. Und die Sonne muss golden leuchten, wenn sie über der Wüste untergeht.

Die beiden Agenten im Feindesland aber, Max und Marianne sind ihre Namen, spielen auftragsgemäß ein Ehepaar, das sich vor der neugierigen Nachbarin schon mal küssen muss. Wenn sie allerdings allein sind, reden sie von den beiden Fehlern, die sie als Agenten im Feindesland keinesfalls machen dürfen, wenn sie überleben wollen. Erstens: Begehren zulassen. Zweitens: Gefühle entwickeln.

Dazu bilden sich aber feine Schweißperlen der Attraktion auf ihrer Haut, während Ventilatoren vergeblich surren und in den warmen Nächten von Casablanca der Muezzin ruft, und gerade will man stöhnen: oh Mann, Schicksalsgott! - da fallen sie während eines Sandsturms im Auto auch schon schicksalhaft übereinander her.

Das Prinzip der Großzügigkeit funktioniert bis heute

Sein Heiratsantrag kommt, als sie ihren Auftrag ausgeführt und den Nazi-Botschafter per Attentat getötet haben. Auf diesem Adrenalin-Level, mit den rauchenden Maschinenpistolen noch in Händen, fällt ein entschlossenes Jawort ganz leicht.

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Wie glaubwürdig ist so ein ruhiges Leben für eine Schönheit, die gerade noch mit der Maschinenpistole durch Casablanca hetzte?

(Foto: Paramount)

Nur bestimmte Dinge, die mit Logik und historischer Genauigkeit zu tun haben, sollte man den alten Hollywood-Schicksalsgott an dieser Stelle besser nicht fragen. Das ist der Deal in solchen Filmen, das war der Deal auch schon, als noch Humphrey Bogart und Ingrid Bergman durch Casablanca streiften.

Jedes wunderbare Kostüm, jedes perfekte Szenenbild dient auch dazu, sich gewisse Freiheiten des Erzählens zu erkaufen - und dieses Prinzip der Großzügigkeit funktioniert bis heute.

Zweifel am ruhigen Leben sind angebracht

Warum der Botschafter überhaupt sterben musste, ist zum Beispiel völlig irrelevant, das weiß auch Steven Knight, im Moment einer der besten britischen Drehbuchautoren.

Gegen jeden Zweifel, der aufkommen könnte, fällt ihm ein eleganter Dialogsatz ein, und der Regisseur Robert Zemeckis hat ja schon bei "Forrest Gump" unvergesslich bewiesen, wie sehr er bereit ist, an die wundersamen Schicksalswege Hollywoods zu glauben.

Weiter geht es, ziemlich genau neun Monate später, im Blitzkrieg-London. Da kommt, wirklich unter freiem Nachthimmel, vor einem zerbombten Hospital, mit sehr viel Blitz und Donner und deutschen Flugzeugen in der Luft, ein Töchterchen auf die Welt.

Max und Marianne sind die Eltern, sie wohnen nun in einem hübschen Häuschen in Hampstead Heath, und wenn Hitler nicht so ein hartnäckiger Bastard wäre, könnte ihr Leben perfekt sein. Noch aber muss Max helfen, den Krieg zu gewinnen, nun allerdings mit Geheimdienstarbeit vom Schreibtisch aus. Marianne dagegen beschränkt sich auf ihre neue Rolle als Hausfrau und Mutter.

Wie glaubwürdig ist so ein ruhiges Leben für eine Schönheit, die gerade noch mit der Maschinenpistole durch Casablanca hetzte? Da sind natürlich Zweifel angebracht, und Max' Geheimdienstkollegen sprechen ihre Bedenken auch offen aus.

Hier ist der Zuschauer auch vom Undenkbaren zu überzeugen

Besonders unangenehm sind dabei die Paranoiker der "Section V", deren Aufgabe es ist, Nazi-Informanten aufzuspüren, die sich nach England eingeschlichen haben. Sie erinnern Max an die sogenannte Intimate Betrayal-Regel, die speziell für Agenten-Ehepaare erlassen wurde: Sollte ein Partner heimlich im Dienst des Feindes stehen und des Hochverrats überführt werden, ist es die Aufgabe des anderen, ihn eigenhändig zu exekutieren.

Wer an dieser Stelle ungläubig grinst, unterschätzt die Macht einer großen, altmodischen Kinoerzählung. Natürlich ist es bei Licht besehen undenkbar, dass eine so nüchterne Organisation wie der britische Secret Service jemals eine derart melodramatische Exekutionsregel erlassen hätte.

Im Film aber, wenn das Ganze von Simon McBurney vorgetragen wird, der sich als "Rattenfänger" vorstellt und so ungefähr den unangenehmsten Bürokraten spielt, den man sich ausmalen kann, ist man von diesem grausamen Kodex der Geheimdienstwelt schlagartig überzeugt.

Im Krieg ist eben alles erlaubt

Und so steht dann einiges auf dem Spiel, als Marianne in den Verdacht gerät, eine Doppelagentin zu sein. Gibt sie Max' Bürogeheimnisse an eine Nazi-Zelle weiter, die alles nachts über den Ärmelkanal funkt? Max ist natürlich von ihrer Unschuld überzeugt, und auch wir Zuschauer sehen zwischen ihnen nichts, was nicht nach aufrichtiger Liebe aussähe - der "Rattenfänger" aber beharrt auf einem Test.

Damit steuert der Film dann auf sein wirklich bewegendes Ende zu, das man hier aber natürlich nicht verraten darf.

Es passiert auch sonst noch genug, und gerade für diese skizzenhaften Kleinigkeiten kann man "Allied" lieben. Max' Schwester zum Beispiel feiert im Luftschutzbunker die lesbische Liebe, im Krieg ist eben alles erlaubt, und generell herrscht unbekümmerte Fleischeslust.

Auf dem Höhepunkt des möglichen Verratsdramas etwa gibt es in Hampstead Heath eine Hausparty, wo die jungen Menschen in jeder Besenkammer vögeln, das Flakfeuer des Blitzkriegs klingt dazu wie Silvesterböller, und dann rauscht auch noch ein brennender deutscher Bomber über das Haus hinweg zur Bruchlandung im Park.

Bei aller Attraktion bleibt eine Distanz zwischen den Stars

Das Familienpicknick am nächsten Tag, mit den rauchenden Flugzeugtrümmern noch im Hintergrund, gehört zu den schönsten Bildideen des Films.

Die letzte Frage an den alten Hollywood-Schicksalgott aber muss sein, ob er - wie schon so oft im großen Starkino - am Ende auch ins Privatleben der Darsteller eingegriffen hat. Ob also Marion Cotillard, wie gemutmaßt wurde, der Grund für Brad Pitts Scheidung geworden ist, und für seinen Rosenkrieg mit Angelina Jolie.

Am Ende des Films glaubt man das nicht. Bei aller Attraktion bleibt hier eine Distanz zwischen den Stars, die für das alte Hollywood gerade typisch war - die Distanz zwischen Realität und Traum.

Allied, USA 2016 - Regie: Robert Zemeckis. Buch: Steven Knight. Kamera: Don Burgess. Mit Brad Pitt, Marion Cotillard, Jared Harris, Simon McBurney. Verleih: Paramount, 125 Minuten.

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