Süddeutsche Zeitung

"Alita: Battle Angel" im Kino:Alita, empfindsam und brutal

Robert Rodriguez und James Cameron haben sich des Manga-Klassikers "Alita: Battle Angel" angenommen - und den Charme der kämpferischen Hauptfigur bewahrt.

Von Juliane Liebert

In Tokio protestierte schon letzten Samstag ein seltsamer Männerclub gegen den Valentinstag: Kakuhido, das heißt wörtlich "Die revolutionäre Allianz von unbeliebten Männern". Diese Allianz sorgte schon 2015 für Schlagzeilen, weil sie öffentliches Knutschen als "Terrorismus" verdammte, und weil sie gegen Schokolade ist.

Endlich. Was fehlt dringlicher in dieser Zeit, als dass die Hässlichen, Ungefickten und Schwachen aufbegehren? Dafür ist Japan das Land, zumindest in seinen Comics. Während in Japan nämlich die jungen Leute laut Statistik immer weniger Sex haben und junge Männer sich zum Teil völlig zurückziehen, waren in Mangas schon oft die Kleinen stark, spätestens, wenn sie sich in große Kampfroboter setzen. Man denke nur an Serien wie "Neon Genesis Evangelion" oder "Sailor Moon", an die Kraft des Mondes, Kinder in Maschinen. Jetzt wurde "GUNNM" von Yukito Kishiro verfilmt, einer der Klassiker des Genres. Von Hollywood für die große Leinwand adaptiert, was man vorher durchaus mit Sorge betrachten konnte, kommt das Werk unter seinem westlichen Titel ins Kino: "Alita: Battle Angel".

Während Netflix erst 2017 die wunderbare Mangaserie "Death Note" in der Realfilmadaption schlechthin versaut hat, bestätigt "Alita: Battle Angel" - geschrieben von James Cameron und Laeta Kalogridis, inszeniert von Robert Rodriguez - solche Befürchtungen nicht. Der Plot folgt recht klar der Vorlage: Im Jahre 2563 findet der Cyborgwissenschaftler Dr. Dyson Ido (Christoph Waltz) auf einer Schrotthalde den Kopf eines weiblichen Cyborgs. Er nimmt ihn mit nach Hause, setzt ihn auf den Körper, den er für seine verstorbene Tochter gemacht hatte, und tauft das Geschöpf Alita. Alita eignet sich nur leider denkbar schlecht als Tochterersatz, wie sich bald herausstellen wird. Ist sie doch von Natur aus zum Konflikt hingezogen, eigensinnig, neugierig, und, nun ja, eine von Aliens geschaffene Superwaffe.

Alita ist eigensinnig, neugierig - und eine von Aliens geschaffene Superwaffe

Alita-Darstellerin Rosa Salazar hat mittels Computereffekten und Motion Capturing die typischen großen Manga-Augen verpasst bekommen, als einzige Figur des Films - was im Trailer noch befremdend aussah, im Film aber nach kürzester Zeit vollkommen logisch, sogar notwendig erscheint. Alle Emotionen wirken dadurch leicht übertrieben, aber genau das erzeugt den Eindruck und die Faszination, einem halbmenschlichen, fremdartigen Geschöpf zuzusehen. Einige der schönsten Szenen sind die, in denen die frisch bekörperte, erinnerungslose Alita zum ersten Mal die Stadt erkundet, vor Begeisterung und Neugierde vibrierend.

Salazar schafft es, dass man sich dabei selbst wie neu geschlüpft fühlt, und in was für einer Welt! Iron City ist lebendig, nicht so kalt wie viele andere Scifi-Metropolen, die Stadt ist bevölkert von Robotern und altmodischen Schokoladenverkäufern, Menschen und Maschinen, ein gewachsenes, farbenprächtiges Chaos - und der Traum eines jeden Brutalismusliebhabers. Über allem trohnt Salem, Himmelsstadt, eine Art Very Gated Community, von deren Bewohnern man nur mitbekommt, dass sie es da oben besser haben und ihren Abfall herunterwerfen. Abfall wie Alita.

Obwohl die Motive nicht neu sind und der Film ein Blockbuster bleibt, der die Schwächen der meisten Blockbuster hat - die Guten sind gut, die Bösen böse, die Gefühle groß und die Hirne klein - ist Alita ein erfreulicher Blockbuster. Das verdankt er seiner Hauptfigur. In der letzten Szene, bevor sie Sequel-vorbereitend ihr Schwert in den Himmel gen Salem streckt, vergießt Alita eine einzelne Träne - und spaltet sie mit ihrer Waffe in zwei Teile.

Alita als aufbegehrende Frau ist eine zeitgeistige Figur, aber der Film zeigt ihr Aufbegehren mit großer Leichtigkeit und innerer Logik. Ihr Charakter ist vielschichtig entworfen, was er der Mangavorlage verdankt. Alita ist unbedingt empfindsam und brutal. Mit ihrem wie Porzellan ausgeschmückten, eleganten Cyborgarm drückt sie Augen in Köpfe, wenn sie nicht gleich den Kopf ganz abrupft. So als Normalsterblicher beobachtet man ja zumeist eher leicht skeptisch, wenn sich Leute in unserer wirklichen Welt modifizieren lassen, sich Ohren auf den Arm transplantieren und Ähnliches, oder ihrem Kind einem Sensor einpflanzen.

Wenn man Alita zusieht, überdenkt man das nochmal. Ihr Körper ist schmal, dünn und aerodynamisch, und es bereitet schlicht Freude, zu sehen, wie sie sich mit Leichtigkeit und Grazie durch ihre Feinde schlachtet. An einer Stelle nimmt sie sich ihr Herz, einen Hochleistungsreaktor, aus der Brust und will es verschenken. Ihr Anblick dabei würde sogar die Allianz der unpopulären Männer zum Schmelzen bringen wie, ja, Schokolade. Wenn sie es nur annehmen würden

Alita: Battle Angel, USA 2019 - Regie: Robert Rodriguez. Buch: James Cameron, Yukito Kishiro, Laeta Kalogridis. Mit Rosa Salazar, Christoph Waltz, Keean Johnson. Verleih: Fox, 123 Minuten.

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SZ vom 14.02.2019/cag
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