SZ: Sie entschieden sich fürs Licht.
Keys: Ich war beides. Ich studierte Klavier, war aber trotzdem draußen auf der Straße unterwegs. Ich stöckelte mit meinen High Heels, schwang die Hüften zu "Biggie Smalls" oder dem "Wutang Clan" und hatte Tränengas in der Handtasche.
SZ: Wie verschafft man sich auf der Straße als hübsches Mädchen Respekt?
Keys: Mit einem fightboy. Das ist ein Junge, der dich verteidigt, von dem die Gangs wissen: wenn du dich mit Alicia anlegst, hast du den Kerl an der Backe. Ich brauchte meinen fightboy dringender als die anderen Mädchen, weil ich keinen Vater oder Bruder hatte, der mich beschützt.
SZ: Gehörten Sie zu keiner Clique?
Keys: Doch, doch. Ich war Teil einer Mädchengang, das war die Grundvoraussetzung für meine Unabhängigkeit. In New York City reist man nicht alleine. Solange ich mit "the girls" U-Bahn fuhr, war meine Mutter halbwegs beruhigt.
SZ: Ist Ihnen mal ernsthaft was passiert?
Keys: Oh, ich dachte, ich wäre unantastbar.
SZ: Was passierte dann?
Keys: Eines Abends kam ich mit einer Freundin vom Gesangsunterricht. Wir merkten, dass uns ein Typ verfolgt. Wir schüttelten ihn ab und gingen in ein Chinesisches Restaurant. Wir saßen in einer Nische, abseits vom Trubel. Plötzlich tauchte der Typ im Restaurant auf, spuckte in unsere Nudelsuppe und zog ein Messer. Er war verrückt, er wollte kein Geld, er wollte mit uns ausgehen. Wir redeten ihm die Sache dann aus. Irgendwann zog er ab.
SZ: Welche Lektion hat Sie das gelehrt?
Keys: Deine Haltung ist dein wichtigster Schutz. Du kannst damit Leute auf Distanz halten.
SZ: Wie genau geht das?
Keys: Es funktioniert nur, wenn du tatsächlich keine Angst hast. Ich bin von einer Amazone aufgezogen worden. Meine Mutter hat genau das: Haltung, also . . . einen starken Willen.
SZ: Was hat sie mit auf den Weg gegeben?
Keys: Zu kämpfen! Sie hat mich gelehrt, dass ich zu meinem Wort stehe. Vor anderen, aber auch vor mir selber. Dass ich mich selbst respektiere, aber mir auch bei anderen Respekt verschaffe.
SZ: Wie geht das?
Keys: Erstmal gilt: "Giving respect, earns you respect." Es liegt in deiner Hand, ob andere Menschen dich respektieren oder nicht. Zeig' ihnen Respekt. Und dann musst du Grenzen setzen. Gerade für Künstler ist das sehr wichtig, wenn du dir treu sein willst. Du allein lässt zu, wer dich verletzen darf und wer nicht.
SZ: Das leuchtet mir ein. Aber in Wahrheit ist es doch so, dass Bemerkungen einen verletzen - obwohl man sich vornimmt, man lässt sie abprallen.
Keys: Okay, Schwester, du hast es noch nicht verstanden. Diese Haltung ist: defensiv. Respekt verschafft man sich nur, wenn man sagt, bis hier hin und nicht weiter! Ich habe das als junges Mädchen kapiert und es hat mir sehr geholfen, zu der Künstlerin zu werden, die ich bin.
SZ: Inwiefern?
Keys: Ich musste kämpfen, bis mein erstes Album so auf den Markt kam, wie ich es wollte.
SZ: Sie waren gerade mal 16 Jahre alt, als Columbia Sie unter Vertrag nahm. Es dauerte dann aber knapp vier Jahre, bis Ihr Album "Songs in A Minor" erschien.
Keys: Das lag an meiner Sturheit. Mein Manager Jeff entdeckte mich in Harlem in der Gesangstruppe seines Bruders. Er war es, der mir einen Plattenvertrag besorgte. Ich bekam einen riesigen Vorschuss. So viel Geld, wie ich noch nie in meinem Leben hatte. Ich hörte mit der Schule auf, zog bei meiner Mutter aus und kaufte mir ein Haus in Harlem. Dann machte ich mich an die Arbeit. Ich traf all diese Leute und keiner kapierte, was für Musik ich machen wollte. Ein Jahr verstrich. Und noch eins. Die Plattenfirma saß mir im Nacken: Wo ist die Platte? Wie weit bist du? Wann kriegen wir was zu hören?
SZ: Was sagten Sie denen?
Keys: Ich hielt sie hin. Dann traf ich auf meinen Partner Krucial. Und plötzlich zündete der Funken, er verstand, wo ich hin wollte. Wir nahmen Songs auf und ich dachte, yeah, das ist es. Das hat Seele. Als ich die Songs dann bei Columbia präsentierte, sagten sie: Das ist keine gute Musik, das können wir nicht verkaufen, das kriegen wir nicht ins Radio.
SZ: Gab es Tränen?
Keys: Aber ja. Später. Zuerst knallten Türen. Ich wusste ja, es ist gute Musik. Ich war wütend, sehr, sehr wütend. Hinzu kam, dass diese Produzenten keine kreative Vorstellung für mich hatten. Sie wollten, dass ich wie jedes andere Mädchen aussehe und auch so klinge.
Auf der letzten Seite sieht Alicia Keys Frauen über den Boden kriechen.