Albertine Sarrazin:Außer Atem

Albertine Sarrazin führte ein wildes, kurzes, tragisches Leben. So liest sich auch ihre Prosa.

Von ALEX RÜHLE

Wenn man 26 ist und gerade erst aus dem Gefängnis kommt, denkt man nicht ans Sterben. Im Gegenteil, zum ersten Mal liegt die Zukunft vor Albe wie die Weiten der Cevennen, wild, duftend, ein spannendes Versprechen. Endlich kann es losgehen, endlich das Buch fertigschreiben, das während der langen Haft schon erste Form angenommen hat. Außerdem ist ihr Geliebter Lou, auf den sie fast 200 Seiten gewartet hat, mittlerweile auch freigekommen, sie haben ein eigenes Haus, selbst wenn es nur eine Abbruchhütte in der Wildnis ist, durch die der Mistral pfeift. Und so klingen die folgenden Zeilen beim ersten Lesen wie ein souveränes Einverstandensein mit den Mühen der Armut: "Vielleicht werden wir nie vom Pont du Gard ins Wasser springen, keine Weltreise machen und die Leute, denen wir in unseren nächtlichen Träumen auf dem Strohsack den Hals umdrehen wollten, erst viel später wiedersehen (...) Wir waren einmal am Fluss, einmal im Schwimmbad, einmal im Kino, einmal beim Stierkampf, alles ein Mal, und das reicht uns." Wenn man aber um Albertine Sarrazins Ende weiß, bekommen die zitierten Sätze etwas von einem unheimlichen Lebensresümee.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: