Alben von Konstantin Wecker und Celo & Abdi:Kampf dem Establishment, Alter!

Alben von Konstantin Wecker und Celo & Abdi: Der musikalische Ansatz von Konstantin Wecker und Celo & Abdi? Sagen wir: konträr. Das Ziel aber ist das gleiche.

Der musikalische Ansatz von Konstantin Wecker und Celo & Abdi? Sagen wir: konträr. Das Ziel aber ist das gleiche.

(Foto: Collage Jessy Asmus/ SZ.de)

Ein Liedermacher und zwei Gangster-Rapper - wie geht das zusammen? Was gibt's auf den neuen Alben von Konstantin Wecker und Celo & Abdi zu hören? Und wer gewinnt das Battle? Fünf Fragen, fünf Antworten.

Von Julian Dörr

Zwei Gangster-Rapper und ein Liedermacher, was soll das bitte?

Es wird wohl keinem der drei Künstler passen, hier in einer gemeinsamen Kritik abgehandelt zu werden. Die Pazifismus-Bekenntnisse eines Konstantin Wecker und die Koks-und-Knarren-Lyrik des Frankfurter Rap-Duos Celo & Abdi - geht das zusammen? Sehr gut sogar. Zwar stehen der Münchner Liedermacher und die fiesen Jungs aus dem Dunstkreis von Ober-Babo Haftbefehl am jeweils anderen Ende des deutschen Pop-Spektrums. Sie haben jedoch ein gemeinsames Ziel: Kampf dem Establishment! Krieg den Palästen! Nieder mit den alten Götzen!

Wecker bleibt sich auf "Ohne Warum" treu. Er ist das nagende Gewissen der arrivierten Altlinken, ein großer Mahner und scharfer Kritiker der politischen Realität. Und der 67-Jährige hat viel zu meckern: Flüchtlingsdramen im Mittelmeer, Krieg in der Ukraine, Finanzkrise, Rechtsruck. Es läuft einiges schief im Land und in der Welt. Auch Celo & Abdi spüren den gesellschaftlichen Niedergang. "Bonchance", die dritte Platte der beiden Rapper, beginnt mit einem Zitat aus dem französischen Banlieu-Drama "La Haine": "Dies ist die Geschichte einer Gesellschaft, die fällt. Während sie fällt, sagt sie, um sich zu beruhigen, immer wieder: 'Bis hierher lief's noch ganz gut.'"

Und so wettert der Liedermacher in der Neuauflage seines Klassikers "Willy (2015)" gegen GroKo, Medien und Pegida: "Diese Pegidisten sollten lieber Angst haben vor einer Idiotisierung des Abendlandes." Während Celo & Abdi in "Tollwut" ihre Sorgen auf ganz eigene Weise - nun ja - bekunden: "Hau den Clip ins Magazin und schieß auf die AfD [...] Deutschland brennt, guck doch selbst, Pegida a.k.a. Walking Dead."

Was gibt's zu hören?

Unterschiedlicher geht es kaum. Konstantin Wecker tänzelt leichtfüßig von Pianoballade zu Pianoballade. Hier ein paar Flöten, da eine gezupfte Gitarre. Im Hintergrund gurgelt die Orgel. Selbst vor dem Einsatz eines Kinderchors schreckt Wecker nicht zurück: Dem Klassiker "Die Gedanken sind frei" verpasst er ein Update und trällert den Kleinen ein Lied von CIA, NSA und Googles Algorithmen. Lektionen in Bürgerpflicht für den Waldorfkindergarten. Dagegen ist das verbale Geballer von Celo & Abdi beinahe harmlos.

Die Frankfurter Jungs fahren eine tonnenschwere Produktion auf, glatt, aber mit ordentlich Wumms. Verantwortlich dafür ist Leib- und Magen-Produzent Hamid Chizari, besser bekannt als m3, der aus dem kleinen Gangster-Flick "Bonchance" einen Blockbuster zimmert. "Der Pate" in Frankfurt: Geschichten von der Straße, voller Geldscheine, Schnuff - diesem wunderbaren Slangwort für Kokain - und Paranoia. Subtil ist da gar nichts. Routinierter Flow vor brachialen Beats.

Sprechen die überhaupt dieselbe Sprache?

Nur bedingt. Wecker kennt seine Ahnen: Er bedient sich in der spätmittelalterlichen Lyrik, bei Goethe, Novalis und Hugo von Hofmannsthal. Und oszilliert zwischen bajuwarischer Melancholie, verquaster Mystik, politischen Pamphleten und der feinsten Schriftsprache eines pensionierten Oberstudienrates. Geschmacksprobe? "Das Possenspiel um Abschied, Zwist und Paarung. "

Bei Celo & Abdi klingt das eher so: "Original Stories de Trottoir (...) und die Crackbitch singt 'If I ruled the world'." Auf "Bonchance" betten sie ihre Straßengeschichten ein in eine große Zitatwelt, von Erik Zabel bis zu Matthew McConaughey in "The Wolf of Wall Street". Die beiden sind außerdem Sprachutopisten. Die Szene rund um Haftbefehl ist ein Versuchslabor der Kommunikation. An ihren Songs lässt sich die Weiterentwicklung der Sprache durch immer neue Einflüsse studieren.

Celo & Abdi vermischen ihre bosnischen und marokkanischen Wurzeln mit Begriffen und Redewendungen aus dem Französischen, Türkischen, Arabischen - und der Gaunersprache Rotwelsch: "Zwei Kanacken aus dem Maghreb und Balkan kommen mit Marifet." Einfallsreichtum, das bedeutet "Marifet" übersetzt, ist hier das Stichwort. Der "Hinterhofjargon", so hieß schon das Debütalbum der beiden Rapper, ist international. Er transzendiert Grenzen, sprengt Sprachbarrieren.

Die Welt muss sich verändern, fordert Wecker. Bei Celo & Abdi tut sie es. In ihrer Sprache steckt der Traum vom grenzenlosen Europa.

Der beste Moment?

Wenn Konstantin Wecker seine ganze Verachtung für Militarismus und Nationalismus in einen Song packt. "Die Mordnacht von Kundus" - man erinnere sich an den Bundeswehrskandal von 2009 - verkommt beim alten Revoluzzer Wecker zu einer scheppernden, komödiantischen Farce: "Man spielt wieder mit, man ist wieder wer." Weckers böse Antwort auf die Frage, ob die deutsche Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt wird.

Wer gewinnt denn jetzt das Battle?

Die große Überraschung nach Verköstigung beider Alben: In seiner grenzenlosen Ironiefreiheit rüttelt der alte Konstantin Wecker heftiger an den Zuhörern als Celo & Abdi. Die Texte des Liedermachers sind von einer Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit, die man als ironisch gebrochener Mensch der Gegenwart beinahe nicht mehr rezipieren kann. Und so schockt die Naivität eines unverbesserlichen Pazifisten am Ende mehr als die popkulturell angedickte Gangster-Posse vom ewigen Schnuff-Dealer.

Das neue Album von Celo & Abdi ("Bonchance") ist bereits seit vergangener Woche im Handel. "Ohne Warum" von Konstantin Wecker erscheint an diesem Freitag.

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