Alben der Woche:"Rolex am Arm, aber fast keine Zeit"

Eine zähe Woche: Karate Andi betätigt sich an der Rap-Phrasen-Slotmachine, Jack Peñate imitiert Robert Smith und The Game lässt sich von seinen Feature-Gästen überstrahlen.

Von den SZ-Popkritikern

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Jack Peñate  - "After You" (XL Recordings)

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Quelle: SZ

Der britische Sänger und Songwriter Jack Peñate veröffentlicht nach zehn Jahren Pause sein drittes Album "After You" und am meisten freut sich Superstar Adele darüber. Sie gestand Peñate auf Instagram auch gleich ihre "wahre und unsterbliche Liebe". Sie habe ihren Plattenvertrag wegen dieses Mannes bekommen, schreibt sie. "Er hat mich mit auf Tour genommen, als sich noch keiner für mich interessiert hat." Wer sich aufgewärmt von so viel Vorschussliebe Peñates neues Album anhört, wird aber enttäuscht. Tausende Songs soll der Brite während seiner Auszeit geschrieben haben und das hört man "After You" leider an. Es ist ganz schönes Pop-Kuddelmuddel. Das wäre nun nicht weiter schlimm, wenn es einem nicht ein bisschen arg kalkuliert vorkäme. Der unterkühlte Opener "Prayer" borgt sich Erweckungsgefühle aus dem Gospel, in "Loaded Gun" werden schwachbrüstig die Beatles recycelt, "Round And Round" wischt zu Beginn mit arabesken Sound-Schlieren, versinkt dann in muffigen Trip-Hop-Beats, nur um zum textlich vergleichsweise schlichten Refrain ("Round and round and round we go") alles wieder zusammenzuschmeißen. Oh, die Einsamkeit, die Vergänglichkeit! Die Welt ist kalt, Peñates Themen sind düster, seine Stimme dringlich. Und trotzdem kommt man nicht über den Verdacht hinweg, dass hier einer nur imitiert. Und zwar Robert Smith von The Cure, circa "Disintegration".

Julian Dörr

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The Game - "Born 2 Rap" (Entertainment One/5th Amendment/Prolific Records)

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Quelle: SZ

Einer kommt zurück, ein anderer geht. "Born 2 Rap" ist angeblich das Abschiedsalbum des amerikanischen Rappers Jayceon Terrell Taylor, besser bekannt als The Game, und wie es sich für eine Farewell-Fete gehört, hat er sich einige illustre Gäste eingeladen. Die Platte beginnt mit Ed Sheerans Akustikgitarre, was dann folgt, ist ein Roadmovie durch den Rap der Westküste in Überlänge. Es wird den alten Vorbildern gehuldigt (Dr. Dre) und die Erbfolge klar gemacht: Chance The Rapper und Future sollen ins von Taylor geräumte Spotlight treten, Nicki Minaj und Cardi B dürfen nur für Telefonsex herhalten. Das rollt dann doch zu unreflektiert und selbstreferenziell über die altbekannten Straßen von L.A., um wirklich interessant zu sein. "What is Hip-Hop these days", fragt Taylor gleich zu Beginn. Die Antwort steckt in "Born 2 Rap" und wird ihm trotzdem nicht gefallen. Es sind die Feature-Gäste 21 Savage und Anderson Paak, die den nötigen Schwung in die Party bringen.

Julian Dörr

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Globus - "Day Music" (Staatsakt/Zebralution)

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Quelle: SZ

Wenn die Sache mit der Klimakrise böse ausgeht, und dafür spricht leider gerade einiges, wird man sich an "Day Music", das Debütalbum des Berliner Instrumentalprojekts Globus, als ein Artefakt aus einer Zeit kurz vor dem großen Weltenbrand erinnern. Ein herrliches kleines Album, das in acht Synthesizer-Miniaturen den Planeten umkreist und dabei ganz ohne Naturromantik auskommt. Eine höchst artifizielle Platte, die jedoch niemals künstlich, sondern immer organisch klingt. Irgendwo zwischen Tangerine Dream und der pulsregulierenden Relaxtheit von Brian Enos frühen Ambient-Werken. Vielleicht wird aber ja doch noch alles gut.

Julian Dörr

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Karate Andi - "Asap Kotti" (Selfmade Records)

Karate Andi

Quelle: Sony Music

Man stelle sich eine Art Text-Slot-Machine vor. So was wie die einarmigen Banditen im Casino, aber mit ein paar straßensiffigen Mutterschreckerwörtern und furchtbar altbackener Misogynie anstelle von Kirsche, Zitrone oder Lucky 7. Einmal am Hebel gezogen: "Fahr im Benz herum die ganze Nacht". Noch mal am Hebel gezogen: "Rolex am Arm, aber fast keine Zeit". Drittes Mal: "Ich hab eine Latte wie ein Schrebergartenhaus". Viertes Mal: "Seit acht Tagen drauf, setz' die Hasskappe auf und bring Waffengebrauch in die Rotlichtbezirke". Schnell abschreiben, mittelgute Trap-Beats drunter und zack: "Asap Kotti" von Karate Andi.

Jakob Biazza

© SZ.de/qli
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