Alben der Woche:Man kriegt den Jungen aus dem humanistischen Gymnasium ...

... aber das humanistische Gymnasium eben nicht aus ihm. Prinz Pi veröffentlicht gleich zwei neue Alben. Die furchterregendste Musik kommt aber von Huey Lewis And The News.

Von den SZ-Popkritikern

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Nathaniel Rateliff - "And It's Still Alright" (Stax)

Nathaniel Rateliff Albumcover

Quelle: Stax

Der 1978 geborene amerikanische Sänger und Songwriter gehört zu den jüngeren Americana-Künstlern mit dessen lakonischem, an Van Morrison und The Band geschulten Retro-Folksoul-Rhythm'n'Blues sich das liberale Amerika gern an die unverfänglichen Seiten ihres Patriotismus erinnern lässt. Es dürfte keine große Late-Night-Show geben, in der er, allein oder mit seinen "Night Sweats", in den vergangenen Jahren keinen umjubelten Auftritt hatte. "And It's Still Alright" ist nun Rateliffs fünftes Soloalbum und voller hinreißend elegisch-zurückgelehntem Retro-Folksoul-Rhythm'n'Blues, dass es ihm völlig zu Recht eine weitere große Late-Night-Runde bringen dürfte, mindestens. Neu und aufregend ist daran natürlich nichts, aber wer braucht das Neue, wenn schon die gute alte Normalität zur Utopie geworden ist?

Jens-Christian Rabe

2 / 6

Carla Bley, Andy Sheppard, Steve Swallow: "Life Goes On" (ECM)

Carla Bley - Life Goes On Cover

Quelle: Universal Music

Carla Bleys jüngstes Album trägt einen programmatischen Titel: "Life Goes On". Etwas Schlimmes, Lebensbedrohliches scheint passiert zu sein. Und die Pianistin fängt, zusammen mit dem Bassisten Steve Swallow und dem Saxophonisten Andy Sheppard, noch einmal von vorn an: Mit einem Blues, so einfach, wie man ihn Jahrzehnte nicht mehr gehört zu haben meint, tastend, zart. Wie sich dann aus diesem Blues eine Hymne an das Leben, an die Musik und an die Fantasie entwickelt: Das ist schon sehr eindrucksvoll.

Thomas Steinfeld

3 / 6

Tame Impala - "The Slow Rush" (Caroline)

Tame Impala - 'The Slow Rush'

Quelle: dpa

Als es mit Tame Impala losging, vor gut zehn Jahren, wurde die australische Band gefeiert für ihren psychedelischen Rock, der an die wilden Eskapaden der späten Sechziger erinnerte. Dann sattelte Kevin Parker (der im Grund Tame Impala ist, plus ein paar Live-Musiker für die Konzerte) auf verwaschenen Synthie-Pop um, der mit den Jahren immer klarer und gefälliger wurde - es ist, als sähe man jemandem über Jahre dabei zu, wie er extrem langsam aufwacht und zu sich kommt. Jetzt erscheint das neue Album "Slow Rush", und Parker traut sich gradlinige Songs, die in ihrer Achtziger-Synthie-Plastikhaftigkeit fast an Kool & The Gang erinnern (wirklich!). Psychedelisch ist da nicht mehr viel. Dafür könnte die Single "Lost In Yesterday" ohne weiteres bei einer Champagner-Party im Yachthafen laufen.

Max Fellmann

4 / 6

Prinz Pi - "Wahre Legenden"/ Prinz Porno - "Mit Abstand" (Keine Liebe Records)

Prinz Porno - Mit Abstand Albumcover

Quelle: Sony Music

Nicht eins sondern gleich zwei Alben veröffentlicht Friedrich Kautz, einerseits bekannt als Prinz Pi, andererseits bekannt als Prinz Porno. Das ist super, denn so kann man sich aussuchen, worauf man Lust hat. Pathosgeschwängerte Themensongs auf Streicher- und Klavierbeats: "Wahre Legenden". Die totale Arroganz und ein aggressiver Sound inklusive Capital-Bra-Protegé Samra: "Mit Abstand". Im Ferrari sitzt der Berliner in beiden Alben - einmal schwermütig und gesellschaftskritisch, das andere Mal mit Ansage an den Rest der Rapwelt. Man kriegt den Jungen vielleicht aus dem humanistischen Gymnasium, aber das humanistische Gymnasium eben nicht aus ihm.

Benedikt Scherm

5 / 6

Huey Lewis And The News: "Weather" (Warner)

Huey Lewis And The News - 'Weather'

Quelle: dpa

Im 1991 erschienen Skandalroman "American Psycho" von Bret Easton Ellis erklärt die Hauptfigur, der Börsenhändler und psychopathische Serienmörder Patrick Bateman, "Huey Lewis And The News" in einem eigenen, zehnseitigen Kapitel zur besten amerikanischen "Band der Achtziger". Im Film zum Buch hielt 2000 Christian Bale als Patrick Bateman das elaborierte Huey-Lewis-Referat kurz bevor er ein nichtsahnendes Opfer mit einer Axt erschlägt. Man kann diesen auch auf dem neuen Album final weichgespült dahingeplätscherten Bluespop danach nie mehr mit den gleichen Ohren hören. Man muss unter glatten Oberflächen sofort die tiefsten Abgründe vermuten. Und die Oberfläche von "Weather" ist wirklich irre glatt. Mit Abstand das furcherregendste Album der Woche.

Jens-Christian Rabe

6 / 6

Prinz Pi

Quelle: Roberto Brundo

Nein, dieser Mann ist nicht Ihr neuer Herrenausstatter, sondern waschechter Rapper. Neu zu hören: seine Alben Nummer 15 und 16. Wer so fleißig ist, darf sich auch mal schick anziehen. Wer sich allerdings weitere Folgen der Alben der Woche wünscht, wird hier fündig.

© SZ.de/sikt
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