Balbina - "Punkt." (Bmg Rights Management/ Warner)
Wenigstens Balbina hat Hoffnungen. Am Ende des Auftaktsong zu ihrem neuen Album "Punkt." (Geschrieben mit Punkt, nicht ohne.) trompetet sie exaltiert: "HOFFNUNG! UND LIEBE!" Hoffnungen können jedem passieren, sie gehen Gott sei Dank meist schnell wieder weg. Hier bereits im zweitem Song, "Weit Weg." featuring Ebow. In dem fragt Balbina sich, wo sie Fehler macht. Um die Ecke, in der Welt der vergessenen Dinge mutmaßlich. Arme Balbina. Aber abgefahrenes Timbre hat sie schon. Im dritten Song packt sie die Wanderlust, was zeigt, dass Balbina weiß, was die deutsche Seele bewegt. Sie spricht das Wort allerdings "Wandäärluuuust" aus, mit einem Akzent, der an "zu Asche, zu Staub" aus "Babylon Berlin" erinnert. Balbinas Texte nähern sich auf dem neuen Album stellenweise dem Emopop an, der hierzulande die Charts zumüllt. Dabei konnte sie doch mal das Absurde? Da waren die skurril verkopften Texte ihr Alleinstellungsmerkmal und ergaben kombiniert mit mainstreamkompatiblen German Gefühligkeitssound ziemlich erhellende Kontraste. Schade. Sie droht im Song "Augenblick" jedenfalls, für immer zu bleiben. Er ist gerahmt von bizarrer Kirmesmusik mit rhythmischem Gefurze. Das ist ziemlich lustig. Außerdem hat sie Rammstein gecovert. Und zwar "Sonne.". Auch mit Punkt.
The Big Moon - "Walking Like We Do" (Fiction Records)
The Big Moon, nicht zu verwechseln mit Soft Moon, veröffentlichen am Freitag "Walking Like We Do" (Fiction Records). Man hört, dass sie eine Menge Spaß hatten - manchmal lassen sie sich zu sehr vom eigenen Vergnügen hinreißen, dann gerät das Album etwas überladen, außerdem muss man Gitarren UND Bläser mögen. Wenn man das tut, ist ihr Indie ein Licht in düsteren Zeiten. Als ob Freunde leicht angeheitert im Wohnzimmer musizieren, und am Ende hat's wer professionell produziert.
Mint Mind - "Thoughtsicles" (The Upper Room / Broken Silence)
Das Cover von "Thoughtsicles" von Mint Mind stürzt einen unterdessen in die Angst, man wäre bei irgendwas Verbotenem erwischt worden. Es ist Pink mit einer von der Seite reinlugenden Statue mit giftgrünen Augen. Gabriel García Márquez hat einmal gesagt, dass jeder drei Leben besitzt: ein öffentlichen Leben, ein privates Leben und ein geheimes Leben. Die Lady hier sieht sie alle drei, und sie ist nicht gnädig in ihrem Urteil. Hinter Mint Mind steht Rick McPhail, Gitarrist und Keyboarder von Tocotronic. Das Album ist sowohl in Sound als auch Lyrics sehr direkt. In "Brother, You're Not My Brother" geht es um Bekanntschaften, die so tun, als seien sie sofort die besten Kumpel und einem auf die Nerven gehen. Mit diesem Song kann man solche Leute auf jeden Fall vertreiben!
Moneybagg Yo - "Time Served"
Wie sehr Rap kann ein Name sein? Nun, Demario DeWayne White Jr. dürfte mit seinem Alter-Ego Moneybagg Yo so ziemlich alles ausgereizt haben. Und auch sonst liefert der 28-Jährige auf "Time Served" viel von dem, was man von einem zeitgenössischen Rap-Album gerade erwarten kann. Stabil düsteren Memphis-Trap vor allem. Und namhafte Gäste - unter anderem Lil Baby, Da Baby und Gunna. Außerdem Altmeister Future. Dazwischen noch die Ex, Megan Thee Stallion. Sie und Moneybagg Yo waren 2019 nach Cardi B und Offset DAS Pärchen im US-Rap, sind zwar inzwischen getrennt, aber immerhin in Frieden, sodass uns der Track "All dat" erhalten bleibt. Wahre Liebe war es wohl nicht, aber gut für einen heißen Sommer und für die Promo. "Real luv" bringt dafür die R'n'B-Hoffnung Summer Walker (die man sich am ehesten merken sollte). Nichts für die Geschichtsbücher, aber auf jeden Fall ein kurzweiliges Vergnügen.
Selena Gomez - "Rare" (Universal Music)
Wenn man nur diesen ganzen gut platzierten Promi-Kram für einen Moment ausblenden könnte. Die Nummer mit Justin Bieber, der jetzt eben nicht mehr mit Selena Gomez liiert ist, sondern mit diesem Model. Und die Songtexte, die das alles nach sich zieht. Dieses immer ein bisschen zu kalkuliert wirkende "Nach zwei Monaten hast du uns ersetzt, als sei es einfach". Oder das etwas kalenderspruchhafte "Ich musste dich verlieren, um mich zu finden (...) Ich musste dich hassen, um mich zu lieben". Und vor allem das Gehauche über irgendwelche Dämonen, die man dem anderen zeigen will. Wenn man das alles also nur für ein paar Momente ausblenden könnte, man würde merken, dass "Rare" (Universal Music) ein wirklich sehr elegant produziertes Stück Electro-Pop ist. Wenn.