Alben der Woche:Schlager-Beyoncé und der schmollende Rapper

Vanessa Mai und Olexesh vermählen zwei Genres zum ultimativen Kommerz. Und Mac Miller liefert die beste Musik zum Wegdämmern am Pool.

Mac Miller - "Swimming" (Warner)

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(Foto: N/A)

Gute Sommermusik ist eine schwierige Sache. Um bei hohen Temperaturen zu bestehen, muss ein Popsong noch zügiger als ohnehin schon ins Hirn schießen, darf aber trotzdem nicht gänzlich unterfordern. Mit "Swimming" (Warner) ist dem amerikanischen Rapper Mac Miller ziemlich genau das gelungen. Das Album zum Wegdämmern am Pool oder sonstwo unter der Sonne. "I was drowning, now I'm swimming", singt Miller ungewohnt geschmeidig. Und groovt mal zäh wie heißer Asphalt ("Come Back to Earth"), mal funky bis in die schnippenden Fingerspitzen ("What's the Use") durch eine staubtrockene Produktion.

Vanessa Mai - "Schlager" (Sony)

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(Foto: dpa)

Das Pop-Paar der Woche findet sich auf "Schlager" (Sony), dem treffend betitelten neuen Doppel-Album der Sängerin Vanessa Mai. Neben ganz viel dauerreizendem EDM-Schlager mit dumpf und dröge vor sich hin klöppelnden Um-Tschak-Beats findet sich darauf auch ein Song mit dem Darmstädter Rapper Olexesh. Die über Instagram ausgehandelte Kollaboration ist, anders als die Boulevardblätter behaupten, natürlich keine Sensation, sondern wirtschaftliches Kalkül. Was verspricht in diesem Land einen größeren Charterfolg als die Hochzeit von Schlager und deutschem Rap? Musikalisch ist "Wir 2 immer 1" also Massenware, angereichert mit Marimba-Geklingel fürs saisonale Urlaubsfeeling. Ein großer Spaß ist allerdings das dazugehörige Musikvideo. Da stampft und walzt Vanessa Mai selbstermächtigt im Beyoncé -Look in pumpiger Militärhose durch die Halle, während der böse Junge Olexesh dafür abgestellt wird, von einem fliederfarbenen Lowrider aus knuffige Liebeserklärungen zu schmollen: "Und wenn das Wetter sich ändert/ Hab' ich für dich 'n Schirm".

Little Ugly Girls - "Little Ugly Girls" (Chapter Music)

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(Foto: N/A)

Für alle, denen es gerade musikalisch zu sommerlich-entspannt zugeht: Die australische Riot-Grrrl-Band Little Ugly Girls veröffentlicht nach mehr als 20 Jahren Arbeit am eigenen Legendenstatus (die White Stripes waren einst ihre Vorband!) ihr selbstbetiteltes Debüt (Chapter Music). Es ist sehr gut, sehr wütend und gar nicht entspannt. Bislang war die Musik der Band nur auf Neunzigerjahre-Kassetten und bei einer ihrer infernalischen Liveshows zu hören. Nun gibt es den überwältigenden Sound der Little Ugly Girls erstmals für die ganze Welt. Man höre sich nur das Eröffnungsstück "Tractor" an. Wie dort ein wirklich fies geprügeltes Schlagzeug den Song wie eine Tür eintritt, wie sich dann irgendwann die gewaltige Stimme von Linda Johnston Raum erkämpft, wie eine Gitarrensäge alles sofort wieder auseinandernimmt. Und das ist gerade einmal die erste Minute dieser brutalen und brutal guten Platte.

Helena Hauff - Qualm (Ninja Tune)

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(Foto: Ninja Tune)

Pluckern, zwirbeln, dreschen, dräuen, quietschen: Jede Menge tolle Verben können einem einfallen zur Beschreibung der Sounds, die Helena Hauff aus ihren Drum-Machines und Synthesizern zieht. Die aus Hamburg stammende DJ und Produzentin ist innerhalb kürzester Zeit zum Star der elektronischen Musikszene aufgestiegen, sie tourt mit ihrer Plattenkiste (sie legt nur Vinyl auf) über die großen Festivals des Sommers. Parallel erscheint ihr neues Album "Qualm" (Ninja Tune). Auf dem beeindruckt vor allem, wie Hauff - die erst Kunst und dann Physik und Systematische Musikwissenschaften studierte, bis sie merkte, dass sie Universitäten gar nicht mag - im Grunde alles aus den Verzerrungen und Übersteuerungen ihrer Grooves heraus entwickelt. Sie sind gewollt. Verzerrungen und Übersteuerungen klingen ab einer bestimmten Intensität nämlich gar nicht mehr so krass, hart und düster, wie man meinen will - sondern fast melodisch. Hauff horcht auf genau die Momente, in denen sich im Schreddern und Pumpen leichte Harmonien andeuten, und die verstärkt sie dann, durch darübergelegte Synth-Akkorde oder eine kleine Klimper-Melodie. Alles bleibt sehr reduziert und auf der Kippe. So wie auch auf der Kippe bleiben soll, ob mit "Qualm" die Zigarette oder das englische Wort für Zweifel, Sorge, Angst gemeint ist. Hauff bringt mit ihrer analogen Darkness frischen Wind in die Euphorien der Nacht, das ist wunderbar. Ob man das nun als Techno, Electro, Industrial, Acid oder Ambient bezeichnet, als Old-School oder New-School, ist eigentlich egal.

© SZ vom 01.08.18/SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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