Das neue Werk von Max Richter, "Voices", dauert diesmal keine achteinhalb Stunden. Der Komponist, der unter anderem den Soundtrack für den israelischen Antikriegsfilm "Waltz with Bashir" geschrieben hatte, hatte sich im Jahr 2015 für "Sleep" achteinhalb Stunden Zeit gelassen - "Voices" hat nun eine Gesamtspielzeit von 54 Minuten. Ist klar, weil man schläft ja auch länger als man redet. Richter hat trotzdem zehn Jahre an "Voices" gearbeitet. Er hatte einen internationalen Aufruf gestartet, dass Menschen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 vorlesen und ihm schicken sollten, und ihre Stimmen weben sich in seine Musik. Es ist ein wunderschönes, tief bewegendes Werk, eine Meditation über die Grundwerte des Menschen. Auch wenn man die Worte natürlich kennt, die in "Voices" in verschiedenen Sprachen gesprochen werden: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen." Richter lädt sie durch seine Musik mit Pathos cinematisch auf, zugleich schwingt eine tiefe Sorge mit. Ein Aufbegehren gegen die Widrigkeiten der Welt zum wohl geeignetsten Zeitpunkt. Dem Magazin Kulturnews sagte er dazu: ",Voices' ist eine Frage, ein ,Lasst uns darüber nachdenken', ein ,Wie können wir es besser hinkriegen?' In den westlichen Nachkriegsgesellschaften gab es einen grundsätzlichen liberalen und rechtsstaatlichen Konsens. Vor etwa zehn Jahren fing ich an, mir über dieses Album Gedanken zu machen, und den Anstoß haben mir die Enthüllungen über Menschenrechtsverletzungen gegeben, die aus Guantanamo zu uns gedrungen sind. Seitdem erodieren die Demokratien, und die Menschen brüllen sich an, anstatt sich zuzuhören und zu verhandeln. Ich finde es gerade jetzt wichtig, ein Licht auf diese Entwicklungen zu werfen." Für ihn, so erklärte er weiter, sei "Voices" kein sanftes Album. "Die Deklaration der Menschenrechte ist für mich nicht nur ein sehr idealistisches und ehrgeiziges, sondern auch ein provokantes und kontroverses Dokument. Ich denke, die Zukunft ist noch nicht entschieden."